Er trat zurück an ein Bogenfenster im Kreuzgang und schaute hinaus in's Gärtlein. War's ein Zufall, daß ihm jetzt der heilige Christophorus vor die Gedanken trat?
Dem däuchte seine Bürde auch leicht, da er anhub, das fremde Kindlein auf starker Schulter über den Strom zu tragen, aber schwer und schwerer senkte sich die Last auf seinen Nacken und preßte ihn hinab in die brausende Fluth, tief, tief, daß sein Muth sich neigen wollt zu verzweifeln ...
Der Abt hatte einen köstlichen Henkelkrug bringen lassen, damit ging er selber zum Springquell, füllte ihn und trat vor die Herzogin: der Abt soll den Fremden das Wasser darbringen, ihre Hand zu netzen, sprach er, und sich sammt der ganzen Brüderschaft auch zur Fußwaschung --
Wir danken, fiel ihm Frau Hadwig in die Rede. Sie sprach's mit entschiedenem Ton. Indeß hatten zwei der Brüder eine Truhe herabgeholt, sie stand geöffnet im Gang. Drein griff itzt der Abt, zog eine funkelneue Kutte herfür, und sprach: So ernenne ich denn unseres Klosters erlauchten Schirmvogt zum Mitglied und zugeschrie- benen Bruder, und schmück' ihn dessen zum Zeugniß mit des Ordens Gewandung.32)
Frau Hadwig fügte sich. Leicht bog sie das Knie, da sie die Kutte aus seinen Händen empfing, sie warf das ungewohnte Klei- dungsstück um, es stand ihr gut, faltig war's und weit, wie die Regel besagt: Der Abt soll ein scharfes Auge haben, daß die Gewän- der nicht zu kurz seien für ihre Träger, sondern wohlgemessen.
Reizend sah das lichte Frauenantlitz aus der dunkeln Capuze.
Für euch gilt das Gleiche! rief nun der Abt zu der Herzogin Gefolge. Da hatte der böse Sindolt seine Freude dran, Herrn Spazzo einzukleiden. Und wißt Ihr auch, raunte er ihm in's Ohr, was die Kutte für Euch zu bedeuten hat? -- Daß Ihr die Gelüste der Welt abschwöret und einen mäßigen, armen und keuschen Wandel gelobet für immerdar!
Herr Spazzo war schon mit dem rechten Arm in das faltige Ordensgewand gefahren, schnell zog er ihn wieder zurück: Halt an, zürnte er, da muß ich Einsprache thun! Sindolt schlug ein Gelächter auf, da merkte der Kämmerer, es sei so ernst nicht gemeint und sprach: Bruder, Ihr seid ein Schalk.
Er trat zurück an ein Bogenfenſter im Kreuzgang und ſchaute hinaus in's Gärtlein. War's ein Zufall, daß ihm jetzt der heilige Chriſtophorus vor die Gedanken trat?
Dem däuchte ſeine Bürde auch leicht, da er anhub, das fremde Kindlein auf ſtarker Schulter über den Strom zu tragen, aber ſchwer und ſchwerer ſenkte ſich die Laſt auf ſeinen Nacken und preßte ihn hinab in die brauſende Fluth, tief, tief, daß ſein Muth ſich neigen wollt zu verzweifeln ...
Der Abt hatte einen köſtlichen Henkelkrug bringen laſſen, damit ging er ſelber zum Springquell, füllte ihn und trat vor die Herzogin: der Abt ſoll den Fremden das Waſſer darbringen, ihre Hand zu netzen, ſprach er, und ſich ſammt der ganzen Brüderſchaft auch zur Fußwaſchung —
Wir danken, fiel ihm Frau Hadwig in die Rede. Sie ſprach's mit entſchiedenem Ton. Indeß hatten zwei der Brüder eine Truhe herabgeholt, ſie ſtand geöffnet im Gang. Drein griff itzt der Abt, zog eine funkelneue Kutte herfür, und ſprach: So ernenne ich denn unſeres Kloſters erlauchten Schirmvogt zum Mitglied und zugeſchrie- benen Bruder, und ſchmück' ihn deſſen zum Zeugniß mit des Ordens Gewandung.32)
Frau Hadwig fügte ſich. Leicht bog ſie das Knie, da ſie die Kutte aus ſeinen Händen empfing, ſie warf das ungewohnte Klei- dungsſtück um, es ſtand ihr gut, faltig war's und weit, wie die Regel beſagt: Der Abt ſoll ein ſcharfes Auge haben, daß die Gewän- der nicht zu kurz ſeien für ihre Träger, ſondern wohlgemeſſen.
Reizend ſah das lichte Frauenantlitz aus der dunkeln Capuze.
Für euch gilt das Gleiche! rief nun der Abt zu der Herzogin Gefolge. Da hatte der böſe Sindolt ſeine Freude dran, Herrn Spazzo einzukleiden. Und wißt Ihr auch, raunte er ihm in's Ohr, was die Kutte für Euch zu bedeuten hat? — Daß Ihr die Gelüſte der Welt abſchwöret und einen mäßigen, armen und keuſchen Wandel gelobet für immerdar!
Herr Spazzo war ſchon mit dem rechten Arm in das faltige Ordensgewand gefahren, ſchnell zog er ihn wieder zurück: Halt an, zürnte er, da muß ich Einſprache thun! Sindolt ſchlug ein Gelächter auf, da merkte der Kämmerer, es ſei ſo ernſt nicht gemeint und ſprach: Bruder, Ihr ſeid ein Schalk.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0043"n="21"/><p>Er trat zurück an ein Bogenfenſter im Kreuzgang und ſchaute<lb/>
hinaus in's Gärtlein. War's ein Zufall, daß ihm jetzt der heilige<lb/>
Chriſtophorus vor die Gedanken trat?</p><lb/><p>Dem däuchte ſeine Bürde auch leicht, da er anhub, das fremde<lb/>
Kindlein auf ſtarker Schulter über den Strom zu tragen, aber ſchwer<lb/>
und ſchwerer ſenkte ſich die Laſt auf ſeinen Nacken und preßte ihn<lb/>
hinab in die brauſende Fluth, tief, tief, daß ſein Muth ſich neigen<lb/>
wollt zu verzweifeln ...</p><lb/><p>Der Abt hatte einen köſtlichen Henkelkrug bringen laſſen, damit<lb/>
ging er ſelber zum Springquell, füllte ihn und trat vor die Herzogin:<lb/>
der Abt ſoll den Fremden das Waſſer darbringen, ihre Hand zu netzen,<lb/>ſprach er, und ſich ſammt der ganzen Brüderſchaft auch zur Fußwaſchung —</p><lb/><p>Wir danken, fiel ihm Frau Hadwig in die Rede. Sie ſprach's<lb/>
mit entſchiedenem Ton. Indeß hatten zwei der Brüder eine Truhe<lb/>
herabgeholt, ſie ſtand geöffnet im Gang. Drein griff itzt der Abt,<lb/>
zog eine funkelneue Kutte herfür, und ſprach: So ernenne ich denn<lb/>
unſeres Kloſters erlauchten Schirmvogt zum Mitglied und zugeſchrie-<lb/>
benen Bruder, und ſchmück' ihn deſſen zum Zeugniß mit des Ordens<lb/>
Gewandung.<notexml:id="ed32"next="#edt32"place="end"n="32)"/></p><lb/><p>Frau Hadwig fügte ſich. Leicht bog ſie das Knie, da ſie die<lb/>
Kutte aus ſeinen Händen empfing, ſie warf das ungewohnte Klei-<lb/>
dungsſtück um, es ſtand ihr gut, faltig war's und weit, wie die<lb/>
Regel beſagt: Der Abt ſoll ein ſcharfes Auge haben, daß die Gewän-<lb/>
der nicht zu kurz ſeien für ihre Träger, ſondern wohlgemeſſen.</p><lb/><p>Reizend ſah das lichte Frauenantlitz aus der dunkeln Capuze.</p><lb/><p>Für euch gilt das Gleiche! rief nun der Abt zu der Herzogin<lb/>
Gefolge. Da hatte der böſe Sindolt ſeine Freude dran, Herrn Spazzo<lb/>
einzukleiden. Und wißt Ihr auch, raunte er ihm in's Ohr, was die<lb/>
Kutte für Euch zu bedeuten hat? — Daß Ihr die Gelüſte der Welt<lb/>
abſchwöret und einen mäßigen, armen und keuſchen Wandel gelobet<lb/>
für immerdar!</p><lb/><p>Herr Spazzo war ſchon mit dem rechten Arm in das faltige<lb/>
Ordensgewand gefahren, ſchnell zog er ihn wieder zurück: Halt an,<lb/>
zürnte er, da muß ich Einſprache thun! Sindolt ſchlug ein Gelächter<lb/>
auf, da merkte der Kämmerer, es ſei ſo ernſt nicht gemeint und ſprach:<lb/>
Bruder, Ihr ſeid ein Schalk.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[21/0043]
Er trat zurück an ein Bogenfenſter im Kreuzgang und ſchaute
hinaus in's Gärtlein. War's ein Zufall, daß ihm jetzt der heilige
Chriſtophorus vor die Gedanken trat?
Dem däuchte ſeine Bürde auch leicht, da er anhub, das fremde
Kindlein auf ſtarker Schulter über den Strom zu tragen, aber ſchwer
und ſchwerer ſenkte ſich die Laſt auf ſeinen Nacken und preßte ihn
hinab in die brauſende Fluth, tief, tief, daß ſein Muth ſich neigen
wollt zu verzweifeln ...
Der Abt hatte einen köſtlichen Henkelkrug bringen laſſen, damit
ging er ſelber zum Springquell, füllte ihn und trat vor die Herzogin:
der Abt ſoll den Fremden das Waſſer darbringen, ihre Hand zu netzen,
ſprach er, und ſich ſammt der ganzen Brüderſchaft auch zur Fußwaſchung —
Wir danken, fiel ihm Frau Hadwig in die Rede. Sie ſprach's
mit entſchiedenem Ton. Indeß hatten zwei der Brüder eine Truhe
herabgeholt, ſie ſtand geöffnet im Gang. Drein griff itzt der Abt,
zog eine funkelneue Kutte herfür, und ſprach: So ernenne ich denn
unſeres Kloſters erlauchten Schirmvogt zum Mitglied und zugeſchrie-
benen Bruder, und ſchmück' ihn deſſen zum Zeugniß mit des Ordens
Gewandung.
³²⁾
Frau Hadwig fügte ſich. Leicht bog ſie das Knie, da ſie die
Kutte aus ſeinen Händen empfing, ſie warf das ungewohnte Klei-
dungsſtück um, es ſtand ihr gut, faltig war's und weit, wie die
Regel beſagt: Der Abt ſoll ein ſcharfes Auge haben, daß die Gewän-
der nicht zu kurz ſeien für ihre Träger, ſondern wohlgemeſſen.
Reizend ſah das lichte Frauenantlitz aus der dunkeln Capuze.
Für euch gilt das Gleiche! rief nun der Abt zu der Herzogin
Gefolge. Da hatte der böſe Sindolt ſeine Freude dran, Herrn Spazzo
einzukleiden. Und wißt Ihr auch, raunte er ihm in's Ohr, was die
Kutte für Euch zu bedeuten hat? — Daß Ihr die Gelüſte der Welt
abſchwöret und einen mäßigen, armen und keuſchen Wandel gelobet
für immerdar!
Herr Spazzo war ſchon mit dem rechten Arm in das faltige
Ordensgewand gefahren, ſchnell zog er ihn wieder zurück: Halt an,
zürnte er, da muß ich Einſprache thun! Sindolt ſchlug ein Gelächter
auf, da merkte der Kämmerer, es ſei ſo ernſt nicht gemeint und ſprach:
Bruder, Ihr ſeid ein Schalk.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/43>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.