Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Er trat zurück an ein Bogenfenster im Kreuzgang und schaute
hinaus in's Gärtlein. War's ein Zufall, daß ihm jetzt der heilige
Christophorus vor die Gedanken trat?

Dem däuchte seine Bürde auch leicht, da er anhub, das fremde
Kindlein auf starker Schulter über den Strom zu tragen, aber schwer
und schwerer senkte sich die Last auf seinen Nacken und preßte ihn
hinab in die brausende Fluth, tief, tief, daß sein Muth sich neigen
wollt zu verzweifeln ...

Der Abt hatte einen köstlichen Henkelkrug bringen lassen, damit
ging er selber zum Springquell, füllte ihn und trat vor die Herzogin:
der Abt soll den Fremden das Wasser darbringen, ihre Hand zu netzen,
sprach er, und sich sammt der ganzen Brüderschaft auch zur Fußwaschung --

Wir danken, fiel ihm Frau Hadwig in die Rede. Sie sprach's
mit entschiedenem Ton. Indeß hatten zwei der Brüder eine Truhe
herabgeholt, sie stand geöffnet im Gang. Drein griff itzt der Abt,
zog eine funkelneue Kutte herfür, und sprach: So ernenne ich denn
unseres Klosters erlauchten Schirmvogt zum Mitglied und zugeschrie-
benen Bruder, und schmück' ihn dessen zum Zeugniß mit des Ordens
Gewandung.32)

Frau Hadwig fügte sich. Leicht bog sie das Knie, da sie die
Kutte aus seinen Händen empfing, sie warf das ungewohnte Klei-
dungsstück um, es stand ihr gut, faltig war's und weit, wie die
Regel besagt: Der Abt soll ein scharfes Auge haben, daß die Gewän-
der nicht zu kurz seien für ihre Träger, sondern wohlgemessen.

Reizend sah das lichte Frauenantlitz aus der dunkeln Capuze.

Für euch gilt das Gleiche! rief nun der Abt zu der Herzogin
Gefolge. Da hatte der böse Sindolt seine Freude dran, Herrn Spazzo
einzukleiden. Und wißt Ihr auch, raunte er ihm in's Ohr, was die
Kutte für Euch zu bedeuten hat? -- Daß Ihr die Gelüste der Welt
abschwöret und einen mäßigen, armen und keuschen Wandel gelobet
für immerdar!

Herr Spazzo war schon mit dem rechten Arm in das faltige
Ordensgewand gefahren, schnell zog er ihn wieder zurück: Halt an,
zürnte er, da muß ich Einsprache thun! Sindolt schlug ein Gelächter
auf, da merkte der Kämmerer, es sei so ernst nicht gemeint und sprach:
Bruder, Ihr seid ein Schalk.

Er trat zurück an ein Bogenfenſter im Kreuzgang und ſchaute
hinaus in's Gärtlein. War's ein Zufall, daß ihm jetzt der heilige
Chriſtophorus vor die Gedanken trat?

Dem däuchte ſeine Bürde auch leicht, da er anhub, das fremde
Kindlein auf ſtarker Schulter über den Strom zu tragen, aber ſchwer
und ſchwerer ſenkte ſich die Laſt auf ſeinen Nacken und preßte ihn
hinab in die brauſende Fluth, tief, tief, daß ſein Muth ſich neigen
wollt zu verzweifeln ...

Der Abt hatte einen köſtlichen Henkelkrug bringen laſſen, damit
ging er ſelber zum Springquell, füllte ihn und trat vor die Herzogin:
der Abt ſoll den Fremden das Waſſer darbringen, ihre Hand zu netzen,
ſprach er, und ſich ſammt der ganzen Brüderſchaft auch zur Fußwaſchung —

Wir danken, fiel ihm Frau Hadwig in die Rede. Sie ſprach's
mit entſchiedenem Ton. Indeß hatten zwei der Brüder eine Truhe
herabgeholt, ſie ſtand geöffnet im Gang. Drein griff itzt der Abt,
zog eine funkelneue Kutte herfür, und ſprach: So ernenne ich denn
unſeres Kloſters erlauchten Schirmvogt zum Mitglied und zugeſchrie-
benen Bruder, und ſchmück' ihn deſſen zum Zeugniß mit des Ordens
Gewandung.32)

Frau Hadwig fügte ſich. Leicht bog ſie das Knie, da ſie die
Kutte aus ſeinen Händen empfing, ſie warf das ungewohnte Klei-
dungsſtück um, es ſtand ihr gut, faltig war's und weit, wie die
Regel beſagt: Der Abt ſoll ein ſcharfes Auge haben, daß die Gewän-
der nicht zu kurz ſeien für ihre Träger, ſondern wohlgemeſſen.

Reizend ſah das lichte Frauenantlitz aus der dunkeln Capuze.

Für euch gilt das Gleiche! rief nun der Abt zu der Herzogin
Gefolge. Da hatte der böſe Sindolt ſeine Freude dran, Herrn Spazzo
einzukleiden. Und wißt Ihr auch, raunte er ihm in's Ohr, was die
Kutte für Euch zu bedeuten hat? — Daß Ihr die Gelüſte der Welt
abſchwöret und einen mäßigen, armen und keuſchen Wandel gelobet
für immerdar!

Herr Spazzo war ſchon mit dem rechten Arm in das faltige
Ordensgewand gefahren, ſchnell zog er ihn wieder zurück: Halt an,
zürnte er, da muß ich Einſprache thun! Sindolt ſchlug ein Gelächter
auf, da merkte der Kämmerer, es ſei ſo ernſt nicht gemeint und ſprach:
Bruder, Ihr ſeid ein Schalk.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0043" n="21"/>
        <p>Er trat zurück an ein Bogenfen&#x017F;ter im Kreuzgang und &#x017F;chaute<lb/>
hinaus in's Gärtlein. War's ein Zufall, daß ihm jetzt der heilige<lb/>
Chri&#x017F;tophorus vor die Gedanken trat?</p><lb/>
        <p>Dem däuchte &#x017F;eine Bürde auch leicht, da er anhub, das fremde<lb/>
Kindlein auf &#x017F;tarker Schulter über den Strom zu tragen, aber &#x017F;chwer<lb/>
und &#x017F;chwerer &#x017F;enkte &#x017F;ich die La&#x017F;t auf &#x017F;einen Nacken und preßte ihn<lb/>
hinab in die brau&#x017F;ende Fluth, tief, tief, daß &#x017F;ein Muth &#x017F;ich neigen<lb/>
wollt zu verzweifeln ...</p><lb/>
        <p>Der Abt hatte einen kö&#x017F;tlichen Henkelkrug bringen la&#x017F;&#x017F;en, damit<lb/>
ging er &#x017F;elber zum Springquell, füllte ihn und trat vor die Herzogin:<lb/>
der Abt &#x017F;oll den Fremden das Wa&#x017F;&#x017F;er darbringen, ihre Hand zu netzen,<lb/>
&#x017F;prach er, und &#x017F;ich &#x017F;ammt der ganzen Brüder&#x017F;chaft auch zur Fußwa&#x017F;chung &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wir danken, fiel ihm Frau Hadwig in die Rede. Sie &#x017F;prach's<lb/>
mit ent&#x017F;chiedenem Ton. Indeß hatten zwei der Brüder eine Truhe<lb/>
herabgeholt, &#x017F;ie &#x017F;tand geöffnet im Gang. Drein griff itzt der Abt,<lb/>
zog eine funkelneue Kutte herfür, und &#x017F;prach: So ernenne ich denn<lb/>
un&#x017F;eres Klo&#x017F;ters erlauchten Schirmvogt zum Mitglied und zuge&#x017F;chrie-<lb/>
benen Bruder, und &#x017F;chmück' ihn de&#x017F;&#x017F;en zum Zeugniß mit des Ordens<lb/>
Gewandung.<note xml:id="ed32" next="#edt32" place="end" n="32)"/></p><lb/>
        <p>Frau Hadwig fügte &#x017F;ich. Leicht bog &#x017F;ie das Knie, da &#x017F;ie die<lb/>
Kutte aus &#x017F;einen Händen empfing, &#x017F;ie warf das ungewohnte Klei-<lb/>
dungs&#x017F;tück um, es &#x017F;tand ihr gut, faltig war's und weit, wie die<lb/>
Regel be&#x017F;agt: Der Abt &#x017F;oll ein &#x017F;charfes Auge haben, daß die Gewän-<lb/>
der nicht zu kurz &#x017F;eien für ihre Träger, &#x017F;ondern wohlgeme&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Reizend &#x017F;ah das lichte Frauenantlitz aus der dunkeln Capuze.</p><lb/>
        <p>Für euch gilt das Gleiche! rief nun der Abt zu der Herzogin<lb/>
Gefolge. Da hatte der bö&#x017F;e Sindolt &#x017F;eine Freude dran, Herrn Spazzo<lb/>
einzukleiden. Und wißt Ihr auch, raunte er ihm in's Ohr, was die<lb/>
Kutte für Euch zu bedeuten hat? &#x2014; Daß Ihr die Gelü&#x017F;te der Welt<lb/>
ab&#x017F;chwöret und einen mäßigen, armen und keu&#x017F;chen Wandel gelobet<lb/>
für immerdar!</p><lb/>
        <p>Herr Spazzo war &#x017F;chon mit dem rechten Arm in das faltige<lb/>
Ordensgewand gefahren, &#x017F;chnell zog er ihn wieder zurück: Halt an,<lb/>
zürnte er, da muß ich Ein&#x017F;prache thun! Sindolt &#x017F;chlug ein Gelächter<lb/>
auf, da merkte der Kämmerer, es &#x017F;ei &#x017F;o ern&#x017F;t nicht gemeint und &#x017F;prach:<lb/>
Bruder, Ihr &#x017F;eid ein Schalk.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0043] Er trat zurück an ein Bogenfenſter im Kreuzgang und ſchaute hinaus in's Gärtlein. War's ein Zufall, daß ihm jetzt der heilige Chriſtophorus vor die Gedanken trat? Dem däuchte ſeine Bürde auch leicht, da er anhub, das fremde Kindlein auf ſtarker Schulter über den Strom zu tragen, aber ſchwer und ſchwerer ſenkte ſich die Laſt auf ſeinen Nacken und preßte ihn hinab in die brauſende Fluth, tief, tief, daß ſein Muth ſich neigen wollt zu verzweifeln ... Der Abt hatte einen köſtlichen Henkelkrug bringen laſſen, damit ging er ſelber zum Springquell, füllte ihn und trat vor die Herzogin: der Abt ſoll den Fremden das Waſſer darbringen, ihre Hand zu netzen, ſprach er, und ſich ſammt der ganzen Brüderſchaft auch zur Fußwaſchung — Wir danken, fiel ihm Frau Hadwig in die Rede. Sie ſprach's mit entſchiedenem Ton. Indeß hatten zwei der Brüder eine Truhe herabgeholt, ſie ſtand geöffnet im Gang. Drein griff itzt der Abt, zog eine funkelneue Kutte herfür, und ſprach: So ernenne ich denn unſeres Kloſters erlauchten Schirmvogt zum Mitglied und zugeſchrie- benen Bruder, und ſchmück' ihn deſſen zum Zeugniß mit des Ordens Gewandung. ³²⁾ Frau Hadwig fügte ſich. Leicht bog ſie das Knie, da ſie die Kutte aus ſeinen Händen empfing, ſie warf das ungewohnte Klei- dungsſtück um, es ſtand ihr gut, faltig war's und weit, wie die Regel beſagt: Der Abt ſoll ein ſcharfes Auge haben, daß die Gewän- der nicht zu kurz ſeien für ihre Träger, ſondern wohlgemeſſen. Reizend ſah das lichte Frauenantlitz aus der dunkeln Capuze. Für euch gilt das Gleiche! rief nun der Abt zu der Herzogin Gefolge. Da hatte der böſe Sindolt ſeine Freude dran, Herrn Spazzo einzukleiden. Und wißt Ihr auch, raunte er ihm in's Ohr, was die Kutte für Euch zu bedeuten hat? — Daß Ihr die Gelüſte der Welt abſchwöret und einen mäßigen, armen und keuſchen Wandel gelobet für immerdar! Herr Spazzo war ſchon mit dem rechten Arm in das faltige Ordensgewand gefahren, ſchnell zog er ihn wieder zurück: Halt an, zürnte er, da muß ich Einſprache thun! Sindolt ſchlug ein Gelächter auf, da merkte der Kämmerer, es ſei ſo ernſt nicht gemeint und ſprach: Bruder, Ihr ſeid ein Schalk.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/43
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/43>, abgerufen am 03.12.2024.