Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.4)
Mon. II. 747. Den Miniaturbildern sanctgallischer Handschriften, z. B. des psalterium aureum, ist mannigfacher Aufschluß über gleichzeitige Trachten zu entnehmen. 5) Wehrgeld -- nach mittelalterlichem Strafrecht, wonach fast alle Vergehen und Verbrechen mit Geld zu sühnen waren, ist ein dem Verletzten zu persönlicher Genugthuung; Buße (Wette, fredum), ein zur Sühne des gestörten Friedens dem Volk, später dem Landesherrn zu entrichtendes Strafgeld. Die alten Volksrechte verzeichnen auch bei allen Gattungen von Thieren sorgfältig deren Wehrgeld, das im Fall von Tödtung oder Beschädigung der Eigenthümer zu erheben hatte. Wenn übrigens der Schaden mehr durch Zufall zugefügt wurde, lag kein Friedbruch vor, und es würde Herrn Spazzo sehr schwer gefallen sein, die Verurtheilung des für seinen Wolfshund verantwortlichen Herrn von Fridingen zu einer Buße durchzusetzen. 6) Brautwerbungen zwischen dem byzantinischen Hofe und den deutschen Großen kamen in dieser Zeit wiederholt und wechselseitig vor. Oft wurden deutsche Bischöfe in solcher Mission nach Constan- tinopel gesendet, z. B. Bernward von Würzburg für Kaiser Otto III., Werner von Straßburg für den Sohn Kaiser Conrad II. In einer Notiz des sanctgallischen liber benedictionum wird es sehr getadelt, daß die vornehme Männerwelt sich, mit Hintansetzung der deutschen Töchter, Frauen aus Italien und Griechenland holte. Die Vorliebe der deutschen Herren für byzantinische Damen begreift sich aber nach den Schilderungen derer, die Augenzeugen des neuen Tones und der liebenswürdigen Geselligkeit waren, welche durch Otto II. griechische Gemahlin Theophano an dem deutschen Kaiserhof eingeführt wurden. Sogar der ernsthafte Scholastiker Gerbert, nachmals Pabst Sylvester II., sah sich veranlaßt, dem Zauber byzantinischer Frauensitte seine Aner- kennung auszusprechen. "Da mir diese gemüthlichen Gesichter, sagt er, diese socratischen Unterhaltungen entgegen kamen, vergaß ich allen Kummer und mich schmerzte nicht mehr der Gedanke meiner Aus- wanderung." 7) Einheimische Vögel, künstlich abgerichtet, nahmen in den Salons jener Tage die Stelle ein, die heute den Papageien zukommt. Im 4)
Mon. II. 747. Den Miniaturbildern ſanctgalliſcher Handſchriften, z. B. des psalterium aureum, iſt mannigfacher Aufſchluß über gleichzeitige Trachten zu entnehmen. 5) Wehrgeld — nach mittelalterlichem Strafrecht, wonach faſt alle Vergehen und Verbrechen mit Geld zu ſühnen waren, iſt ein dem Verletzten zu perſönlicher Genugthuung; Buße (Wette, fredum), ein zur Sühne des geſtörten Friedens dem Volk, ſpäter dem Landesherrn zu entrichtendes Strafgeld. Die alten Volksrechte verzeichnen auch bei allen Gattungen von Thieren ſorgfältig deren Wehrgeld, das im Fall von Tödtung oder Beſchädigung der Eigenthümer zu erheben hatte. Wenn übrigens der Schaden mehr durch Zufall zugefügt wurde, lag kein Friedbruch vor, und es würde Herrn Spazzo ſehr ſchwer gefallen ſein, die Verurtheilung des für ſeinen Wolfshund verantwortlichen Herrn von Fridingen zu einer Buße durchzuſetzen. 6) Brautwerbungen zwiſchen dem byzantiniſchen Hofe und den deutſchen Großen kamen in dieſer Zeit wiederholt und wechſelſeitig vor. Oft wurden deutſche Biſchöfe in ſolcher Miſſion nach Conſtan- tinopel geſendet, z. B. Bernward von Würzburg für Kaiſer Otto III., Werner von Straßburg für den Sohn Kaiſer Conrad II. In einer Notiz des ſanctgalliſchen liber benedictionum wird es ſehr getadelt, daß die vornehme Männerwelt ſich, mit Hintanſetzung der deutſchen Töchter, Frauen aus Italien und Griechenland holte. Die Vorliebe der deutſchen Herren für byzantiniſche Damen begreift ſich aber nach den Schilderungen derer, die Augenzeugen des neuen Tones und der liebenswürdigen Geſelligkeit waren, welche durch Otto II. griechiſche Gemahlin Theophano an dem deutſchen Kaiſerhof eingeführt wurden. Sogar der ernſthafte Scholaſtiker Gerbert, nachmals Pabſt Sylveſter II., ſah ſich veranlaßt, dem Zauber byzantiniſcher Frauenſitte ſeine Aner- kennung auszuſprechen. „Da mir dieſe gemüthlichen Geſichter, ſagt er, dieſe ſocratiſchen Unterhaltungen entgegen kamen, vergaß ich allen Kummer und mich ſchmerzte nicht mehr der Gedanke meiner Aus- wanderung.“ 7) Einheimiſche Vögel, künſtlich abgerichtet, nahmen in den Salons jener Tage die Stelle ein, die heute den Papageien zukommt. Im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <note xml:id="edt4" prev="#ed4" place="end" n="4)"><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0434" n="412"/> Mon. II. 747. </hi>Den Miniaturbildern ſanctgalliſcher Handſchriften,<lb/> z. B. des <hi rendition="#aq">psalterium aureum,</hi> iſt mannigfacher Aufſchluß über<lb/> gleichzeitige Trachten zu entnehmen.</note><lb/> <note xml:id="edt5" prev="#ed5" place="end" n="5)">Wehrgeld — nach mittelalterlichem Strafrecht, wonach faſt alle<lb/> Vergehen und Verbrechen mit Geld zu ſühnen waren, iſt ein dem<lb/> Verletzten zu perſönlicher Genugthuung; Buße (Wette, <hi rendition="#aq">fredum</hi>), ein<lb/> zur Sühne des geſtörten Friedens dem Volk, ſpäter dem Landesherrn<lb/> zu entrichtendes Strafgeld. Die alten Volksrechte verzeichnen auch bei<lb/> allen Gattungen von Thieren ſorgfältig deren Wehrgeld, das im Fall<lb/> von Tödtung oder Beſchädigung der Eigenthümer zu erheben hatte.<lb/> Wenn übrigens der Schaden mehr durch Zufall zugefügt wurde, lag<lb/> kein Friedbruch vor, und es würde Herrn Spazzo ſehr ſchwer gefallen<lb/> ſein, die Verurtheilung des für ſeinen Wolfshund verantwortlichen<lb/> Herrn von Fridingen zu einer Buße durchzuſetzen.</note><lb/> <note xml:id="edt6" prev="#ed6" place="end" n="6)">Brautwerbungen zwiſchen dem byzantiniſchen Hofe und den<lb/> deutſchen Großen kamen in dieſer Zeit wiederholt und wechſelſeitig<lb/> vor. Oft wurden deutſche Biſchöfe in ſolcher Miſſion nach Conſtan-<lb/> tinopel geſendet, z. B. Bernward von Würzburg für Kaiſer Otto <hi rendition="#aq">III.</hi>,<lb/> Werner von Straßburg für den Sohn Kaiſer Conrad <hi rendition="#aq">II.</hi> In einer<lb/> Notiz des ſanctgalliſchen <hi rendition="#aq">liber benedictionum</hi> wird es ſehr getadelt,<lb/> daß die vornehme Männerwelt ſich, mit Hintanſetzung der deutſchen<lb/> Töchter, Frauen aus Italien und Griechenland holte. Die Vorliebe<lb/> der deutſchen Herren für byzantiniſche Damen begreift ſich aber nach<lb/> den Schilderungen derer, die Augenzeugen des neuen Tones und der<lb/> liebenswürdigen Geſelligkeit waren, welche durch Otto <hi rendition="#aq">II.</hi> griechiſche<lb/> Gemahlin Theophano an dem deutſchen Kaiſerhof eingeführt wurden.<lb/> Sogar der ernſthafte Scholaſtiker Gerbert, nachmals Pabſt Sylveſter <hi rendition="#aq">II.</hi>,<lb/> ſah ſich veranlaßt, dem Zauber byzantiniſcher Frauenſitte ſeine Aner-<lb/> kennung auszuſprechen. „Da mir dieſe gemüthlichen Geſichter, ſagt<lb/> er, dieſe ſocratiſchen Unterhaltungen entgegen kamen, vergaß ich allen<lb/> Kummer und mich ſchmerzte nicht mehr der Gedanke meiner Aus-<lb/> wanderung.“</note><lb/> <note xml:id="edt7" prev="#ed7" place="end" n="7)">Einheimiſche Vögel, künſtlich abgerichtet, nahmen in den Salons<lb/> jener Tage die Stelle ein, die heute den Papageien zukommt. Im<lb/></note> </div> </body> </text> </TEI> [412/0434]
⁴⁾ Mon. II. 747. Den Miniaturbildern ſanctgalliſcher Handſchriften,
z. B. des psalterium aureum, iſt mannigfacher Aufſchluß über
gleichzeitige Trachten zu entnehmen.
⁵⁾ Wehrgeld — nach mittelalterlichem Strafrecht, wonach faſt alle
Vergehen und Verbrechen mit Geld zu ſühnen waren, iſt ein dem
Verletzten zu perſönlicher Genugthuung; Buße (Wette, fredum), ein
zur Sühne des geſtörten Friedens dem Volk, ſpäter dem Landesherrn
zu entrichtendes Strafgeld. Die alten Volksrechte verzeichnen auch bei
allen Gattungen von Thieren ſorgfältig deren Wehrgeld, das im Fall
von Tödtung oder Beſchädigung der Eigenthümer zu erheben hatte.
Wenn übrigens der Schaden mehr durch Zufall zugefügt wurde, lag
kein Friedbruch vor, und es würde Herrn Spazzo ſehr ſchwer gefallen
ſein, die Verurtheilung des für ſeinen Wolfshund verantwortlichen
Herrn von Fridingen zu einer Buße durchzuſetzen.
⁶⁾ Brautwerbungen zwiſchen dem byzantiniſchen Hofe und den
deutſchen Großen kamen in dieſer Zeit wiederholt und wechſelſeitig
vor. Oft wurden deutſche Biſchöfe in ſolcher Miſſion nach Conſtan-
tinopel geſendet, z. B. Bernward von Würzburg für Kaiſer Otto III.,
Werner von Straßburg für den Sohn Kaiſer Conrad II. In einer
Notiz des ſanctgalliſchen liber benedictionum wird es ſehr getadelt,
daß die vornehme Männerwelt ſich, mit Hintanſetzung der deutſchen
Töchter, Frauen aus Italien und Griechenland holte. Die Vorliebe
der deutſchen Herren für byzantiniſche Damen begreift ſich aber nach
den Schilderungen derer, die Augenzeugen des neuen Tones und der
liebenswürdigen Geſelligkeit waren, welche durch Otto II. griechiſche
Gemahlin Theophano an dem deutſchen Kaiſerhof eingeführt wurden.
Sogar der ernſthafte Scholaſtiker Gerbert, nachmals Pabſt Sylveſter II.,
ſah ſich veranlaßt, dem Zauber byzantiniſcher Frauenſitte ſeine Aner-
kennung auszuſprechen. „Da mir dieſe gemüthlichen Geſichter, ſagt
er, dieſe ſocratiſchen Unterhaltungen entgegen kamen, vergaß ich allen
Kummer und mich ſchmerzte nicht mehr der Gedanke meiner Aus-
wanderung.“
⁷⁾ Einheimiſche Vögel, künſtlich abgerichtet, nahmen in den Salons
jener Tage die Stelle ein, die heute den Papageien zukommt. Im
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |