bracht, -- köstliche Gefäße in seltsamsten Formen, Leuchter in Del- phinengestalt, säulengetragene Schaalen, Leuchthürmen gleich, Weih- rauchbehälter und viel Anderes -- ein reicher Schatz. Auch ein Kelch von Bernstein war dabei,54) der schimmerte lieblich, so man ihn an's Licht hielt; am Rand war ein Stück ausgebrochen.
Als mein Vorgänger Hartmuth am Sterben lag, sprach der Abt, ward's gepulvert und ihm mit Wein und Honig eingegeben, das Fieber zu stillen.
Mitten im Bernstein saß ein Mücklein, so fein erhalten, als wär's erst neulich hereingeflogen, und hat sich dies Insect, wie es in vorge- schichtlichen Zeiten vergnüglich auf seinem Grashalm saß und vom zähflüssigen Erdharz überströmt ward, auch nicht träumen lassen, daß es in solcher Weise auf die Nachwelt übergehen werde.
Auf derlei stummes Zeugniß wirkender Naturkraft ward aber da- mals kein aufmerkend Auge gerichtet; wenigstens war der Kämmerer Spazzo, der ebenfalls mit Sorgfalt Alles musterte, mit andern Dingen beschäftigt. Er dachte, um wie viel ergötzlicher es sein möcht', mit diesen frommen Männern in Fehde zu liegen, und statt als Gastfreund einzureiten, Platz und Schatz mit stürmender Hand zu nehmen. Und weil er schon manchen Umschlag vornehmer Freundschaft erlebt, berei- tete er sein Gemüth auf diese Möglichkeit, faßte den Eingang der Sacristei genau in's Aug' und murmelte: Also vom Chor die erste Pforte zur Rechten!
Der Abt mochte auch der Ansicht sein, daß lang fortgesetzter An- blick von Gold und Silber Hunger nach Besitz errege; er ließ die letzte Truhe, welche der Kostbarkeiten vorzüglichste barg, nicht mehr erschließen und drängte, daß sie in's Freie kamen.
Sie lenkten ihre Schritte zum Klostergarten. Der war weitschich- tig angelegt und trug an Kraut und Gemüse viel nach Bedarf der Küche; zudem auch nützliches Arzneigewächs und heilbringende Wurzeln.
Beim Baumgarten war ein großer Raum abgetheilt für wild Ge- thier und Gevögel, wie solches theils in den nahen Alpen hauste, theils als Geschenk fremder Gäste dem Garten verehrt war.55)
Da erfreute sich Frau Hadwig am ungeschlachten Wesen der Bären: in närrischen Sprüngen kletterten sie am Baum ihres Zwingers auf und nieder; daneben erging sich ein kurznasiger Affe, der mit einer
bracht, — köſtliche Gefäße in ſeltſamſten Formen, Leuchter in Del- phinengeſtalt, ſäulengetragene Schaalen, Leuchthürmen gleich, Weih- rauchbehälter und viel Anderes — ein reicher Schatz. Auch ein Kelch von Bernſtein war dabei,54) der ſchimmerte lieblich, ſo man ihn an's Licht hielt; am Rand war ein Stück ausgebrochen.
Als mein Vorgänger Hartmuth am Sterben lag, ſprach der Abt, ward's gepulvert und ihm mit Wein und Honig eingegeben, das Fieber zu ſtillen.
Mitten im Bernſtein ſaß ein Mücklein, ſo fein erhalten, als wär's erſt neulich hereingeflogen, und hat ſich dies Inſect, wie es in vorge- ſchichtlichen Zeiten vergnüglich auf ſeinem Grashalm ſaß und vom zähflüſſigen Erdharz überſtrömt ward, auch nicht träumen laſſen, daß es in ſolcher Weiſe auf die Nachwelt übergehen werde.
Auf derlei ſtummes Zeugniß wirkender Naturkraft ward aber da- mals kein aufmerkend Auge gerichtet; wenigſtens war der Kämmerer Spazzo, der ebenfalls mit Sorgfalt Alles muſterte, mit andern Dingen beſchäftigt. Er dachte, um wie viel ergötzlicher es ſein möcht', mit dieſen frommen Männern in Fehde zu liegen, und ſtatt als Gaſtfreund einzureiten, Platz und Schatz mit ſtürmender Hand zu nehmen. Und weil er ſchon manchen Umſchlag vornehmer Freundſchaft erlebt, berei- tete er ſein Gemüth auf dieſe Möglichkeit, faßte den Eingang der Sacriſtei genau in's Aug' und murmelte: Alſo vom Chor die erſte Pforte zur Rechten!
Der Abt mochte auch der Anſicht ſein, daß lang fortgeſetzter An- blick von Gold und Silber Hunger nach Beſitz errege; er ließ die letzte Truhe, welche der Koſtbarkeiten vorzüglichſte barg, nicht mehr erſchließen und drängte, daß ſie in's Freie kamen.
Sie lenkten ihre Schritte zum Kloſtergarten. Der war weitſchich- tig angelegt und trug an Kraut und Gemüſe viel nach Bedarf der Küche; zudem auch nützliches Arzneigewächs und heilbringende Wurzeln.
Beim Baumgarten war ein großer Raum abgetheilt für wild Ge- thier und Gevögel, wie ſolches theils in den nahen Alpen hauste, theils als Geſchenk fremder Gäſte dem Garten verehrt war.55)
Da erfreute ſich Frau Hadwig am ungeſchlachten Weſen der Bären: in närriſchen Sprüngen kletterten ſie am Baum ihres Zwingers auf und nieder; daneben erging ſich ein kurznaſiger Affe, der mit einer
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0059"n="37"/>
bracht, — köſtliche Gefäße in ſeltſamſten Formen, Leuchter in Del-<lb/>
phinengeſtalt, ſäulengetragene Schaalen, Leuchthürmen gleich, Weih-<lb/>
rauchbehälter und viel Anderes — ein reicher Schatz. Auch ein Kelch<lb/>
von Bernſtein war dabei,<notexml:id="ed54"next="#edt54"place="end"n="54)"/> der ſchimmerte lieblich, ſo man ihn an's<lb/>
Licht hielt; am Rand war ein Stück ausgebrochen.</p><lb/><p>Als mein Vorgänger Hartmuth am Sterben lag, ſprach der Abt,<lb/>
ward's gepulvert und ihm mit Wein und Honig eingegeben, das<lb/>
Fieber zu ſtillen.</p><lb/><p>Mitten im Bernſtein ſaß ein Mücklein, ſo fein erhalten, als wär's<lb/>
erſt neulich hereingeflogen, und hat ſich dies Inſect, wie es in vorge-<lb/>ſchichtlichen Zeiten vergnüglich auf ſeinem Grashalm ſaß und vom<lb/>
zähflüſſigen Erdharz überſtrömt ward, auch nicht träumen laſſen, daß<lb/>
es in ſolcher Weiſe auf die Nachwelt übergehen werde.</p><lb/><p>Auf derlei ſtummes Zeugniß wirkender Naturkraft ward aber da-<lb/>
mals kein aufmerkend Auge gerichtet; wenigſtens war der Kämmerer<lb/>
Spazzo, der ebenfalls mit Sorgfalt Alles muſterte, mit andern Dingen<lb/>
beſchäftigt. Er dachte, um wie viel ergötzlicher es ſein möcht', mit<lb/>
dieſen frommen Männern in Fehde zu liegen, und ſtatt als Gaſtfreund<lb/>
einzureiten, Platz und Schatz mit ſtürmender Hand zu nehmen. Und<lb/>
weil er ſchon manchen Umſchlag vornehmer Freundſchaft erlebt, berei-<lb/>
tete er ſein Gemüth auf dieſe Möglichkeit, faßte den Eingang der<lb/>
Sacriſtei genau in's Aug' und murmelte: Alſo vom Chor die erſte<lb/>
Pforte zur Rechten!</p><lb/><p>Der Abt mochte auch der Anſicht ſein, daß lang fortgeſetzter An-<lb/>
blick von Gold und Silber Hunger nach Beſitz errege; er ließ die<lb/>
letzte Truhe, welche der Koſtbarkeiten vorzüglichſte barg, nicht mehr<lb/>
erſchließen und drängte, daß ſie in's Freie kamen.</p><lb/><p>Sie lenkten ihre Schritte zum Kloſtergarten. Der war weitſchich-<lb/>
tig angelegt und trug an Kraut und Gemüſe viel nach Bedarf der<lb/>
Küche; zudem auch nützliches Arzneigewächs und heilbringende Wurzeln.</p><lb/><p>Beim Baumgarten war ein großer Raum abgetheilt für wild Ge-<lb/>
thier und Gevögel, wie ſolches theils in den nahen Alpen hauste,<lb/>
theils als Geſchenk fremder Gäſte dem Garten verehrt war.<notexml:id="ed55"next="#edt55"place="end"n="55)"/></p><lb/><p>Da erfreute ſich Frau Hadwig am ungeſchlachten Weſen der Bären:<lb/>
in närriſchen Sprüngen kletterten ſie am Baum ihres Zwingers auf<lb/>
und nieder; daneben erging ſich ein kurznaſiger Affe, der mit einer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[37/0059]
bracht, — köſtliche Gefäße in ſeltſamſten Formen, Leuchter in Del-
phinengeſtalt, ſäulengetragene Schaalen, Leuchthürmen gleich, Weih-
rauchbehälter und viel Anderes — ein reicher Schatz. Auch ein Kelch
von Bernſtein war dabei,
⁵⁴⁾
der ſchimmerte lieblich, ſo man ihn an's
Licht hielt; am Rand war ein Stück ausgebrochen.
Als mein Vorgänger Hartmuth am Sterben lag, ſprach der Abt,
ward's gepulvert und ihm mit Wein und Honig eingegeben, das
Fieber zu ſtillen.
Mitten im Bernſtein ſaß ein Mücklein, ſo fein erhalten, als wär's
erſt neulich hereingeflogen, und hat ſich dies Inſect, wie es in vorge-
ſchichtlichen Zeiten vergnüglich auf ſeinem Grashalm ſaß und vom
zähflüſſigen Erdharz überſtrömt ward, auch nicht träumen laſſen, daß
es in ſolcher Weiſe auf die Nachwelt übergehen werde.
Auf derlei ſtummes Zeugniß wirkender Naturkraft ward aber da-
mals kein aufmerkend Auge gerichtet; wenigſtens war der Kämmerer
Spazzo, der ebenfalls mit Sorgfalt Alles muſterte, mit andern Dingen
beſchäftigt. Er dachte, um wie viel ergötzlicher es ſein möcht', mit
dieſen frommen Männern in Fehde zu liegen, und ſtatt als Gaſtfreund
einzureiten, Platz und Schatz mit ſtürmender Hand zu nehmen. Und
weil er ſchon manchen Umſchlag vornehmer Freundſchaft erlebt, berei-
tete er ſein Gemüth auf dieſe Möglichkeit, faßte den Eingang der
Sacriſtei genau in's Aug' und murmelte: Alſo vom Chor die erſte
Pforte zur Rechten!
Der Abt mochte auch der Anſicht ſein, daß lang fortgeſetzter An-
blick von Gold und Silber Hunger nach Beſitz errege; er ließ die
letzte Truhe, welche der Koſtbarkeiten vorzüglichſte barg, nicht mehr
erſchließen und drängte, daß ſie in's Freie kamen.
Sie lenkten ihre Schritte zum Kloſtergarten. Der war weitſchich-
tig angelegt und trug an Kraut und Gemüſe viel nach Bedarf der
Küche; zudem auch nützliches Arzneigewächs und heilbringende Wurzeln.
Beim Baumgarten war ein großer Raum abgetheilt für wild Ge-
thier und Gevögel, wie ſolches theils in den nahen Alpen hauste,
theils als Geſchenk fremder Gäſte dem Garten verehrt war.
⁵⁵⁾
Da erfreute ſich Frau Hadwig am ungeſchlachten Weſen der Bären:
in närriſchen Sprüngen kletterten ſie am Baum ihres Zwingers auf
und nieder; daneben erging ſich ein kurznaſiger Affe, der mit einer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/59>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.