Was weiß ich von ihr und ihrem Namen, sagte der Klosterschüler verdrießlich.
Da sieht man's wieder, brummte Romeias, wozu das Studiren gut ist! Sitzt der Bub' jeden Tag acht Stunden hinter seinen Esels- häuten und weiß nicht einmal, wie ein fremdes Frauenzimmer heißt! ...
Viertes Kapitel. Im Kloster.
Frau Hadwig hatte inzwischen am Grab des heiligen Gallus ihre Andacht verrichtet. Dann gedachte der Abt, ihr einen Gang im schat- tigen Klostergarten vorzuschlagen; aber sie bat, ihr zuvörderst den Kirchenschatz zu zeigen. Der Frauen Gemüth, wie hoch es auch ge- naturt sein mag, erfreut sich allzeit an Schmuck, Zierrath und präch- tiger Gewandung. Da wollte der Abt mit einiger Ausrede ihren Sinn ablenken, vermeinend, sie seien nur ein arm Klösterlein und seine Base werde auf ihren Fahrten im Reich und am Kaiserhof schon Preiswürdigeres erschaut haben: es half ihm nicht.
Sie traten in die Sacristei.
Er ließ die gebräunten Schränke öffnen, da war viel zu bewun- dern an purpurnen Meßgewändern, an Priesterkleidern mit Stickerei und gewirkten Darstellungen aus heiliger Geschichte. War auch Man- ches drauf abgebildet, was noch nahe an römisches Heidenthum an- streifte, zum Beispiel die Hochzeit des Mercurius mit der Philologie.
Hernach wurden die Truhen aufgeschlossen, da glänzte es vom Schein edler Metalle, silberne Ampeln gleißten herfür, und Kronen, Streifen getriebenen Goldes zu Einfassung der Evangelienbücher und der Altarverzierung;53) Mönche des Klosters hatten sie, um's Knie gebunden, aus welschen Landen über unsichere Alpenpfade sicher einge-
Was für einen Namen? frug der Knabe.
Ihren! ſprach Romeias.
Was weiß ich von ihr und ihrem Namen, ſagte der Kloſterſchüler verdrießlich.
Da ſieht man's wieder, brummte Romeias, wozu das Studiren gut iſt! Sitzt der Bub' jeden Tag acht Stunden hinter ſeinen Eſels- häuten und weiß nicht einmal, wie ein fremdes Frauenzimmer heißt! ...
Viertes Kapitel. Im Kloſter.
Frau Hadwig hatte inzwiſchen am Grab des heiligen Gallus ihre Andacht verrichtet. Dann gedachte der Abt, ihr einen Gang im ſchat- tigen Kloſtergarten vorzuſchlagen; aber ſie bat, ihr zuvörderſt den Kirchenſchatz zu zeigen. Der Frauen Gemüth, wie hoch es auch ge- naturt ſein mag, erfreut ſich allzeit an Schmuck, Zierrath und präch- tiger Gewandung. Da wollte der Abt mit einiger Ausrede ihren Sinn ablenken, vermeinend, ſie ſeien nur ein arm Klöſterlein und ſeine Baſe werde auf ihren Fahrten im Reich und am Kaiſerhof ſchon Preiswürdigeres erſchaut haben: es half ihm nicht.
Sie traten in die Sacriſtei.
Er ließ die gebräunten Schränke öffnen, da war viel zu bewun- dern an purpurnen Meßgewändern, an Prieſterkleidern mit Stickerei und gewirkten Darſtellungen aus heiliger Geſchichte. War auch Man- ches drauf abgebildet, was noch nahe an römiſches Heidenthum an- ſtreifte, zum Beiſpiel die Hochzeit des Mercurius mit der Philologie.
Hernach wurden die Truhen aufgeſchloſſen, da glänzte es vom Schein edler Metalle, ſilberne Ampeln gleißten herfür, und Kronen, Streifen getriebenen Goldes zu Einfaſſung der Evangelienbücher und der Altarverzierung;53) Mönche des Kloſters hatten ſie, um's Knie gebunden, aus welſchen Landen über unſichere Alpenpfade ſicher einge-
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Was für einen Namen? frug der Knabe.
Ihren! ſprach Romeias.
Was weiß ich von ihr und ihrem Namen, ſagte der Kloſterſchüler
verdrießlich.
Da ſieht man's wieder, brummte Romeias, wozu das Studiren
gut iſt! Sitzt der Bub' jeden Tag acht Stunden hinter ſeinen Eſels-
häuten und weiß nicht einmal, wie ein fremdes Frauenzimmer heißt! ...
Viertes Kapitel.
Im Kloſter.
Frau Hadwig hatte inzwiſchen am Grab des heiligen Gallus ihre
Andacht verrichtet. Dann gedachte der Abt, ihr einen Gang im ſchat-
tigen Kloſtergarten vorzuſchlagen; aber ſie bat, ihr zuvörderſt den
Kirchenſchatz zu zeigen. Der Frauen Gemüth, wie hoch es auch ge-
naturt ſein mag, erfreut ſich allzeit an Schmuck, Zierrath und präch-
tiger Gewandung. Da wollte der Abt mit einiger Ausrede ihren
Sinn ablenken, vermeinend, ſie ſeien nur ein arm Klöſterlein und ſeine
Baſe werde auf ihren Fahrten im Reich und am Kaiſerhof ſchon
Preiswürdigeres erſchaut haben: es half ihm nicht.
Sie traten in die Sacriſtei.
Er ließ die gebräunten Schränke öffnen, da war viel zu bewun-
dern an purpurnen Meßgewändern, an Prieſterkleidern mit Stickerei
und gewirkten Darſtellungen aus heiliger Geſchichte. War auch Man-
ches drauf abgebildet, was noch nahe an römiſches Heidenthum an-
ſtreifte, zum Beiſpiel die Hochzeit des Mercurius mit der Philologie.
Hernach wurden die Truhen aufgeſchloſſen, da glänzte es vom
Schein edler Metalle, ſilberne Ampeln gleißten herfür, und Kronen,
Streifen getriebenen Goldes zu Einfaſſung der Evangelienbücher und
der Altarverzierung;
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Mönche des Kloſters hatten ſie, um's Knie
gebunden, aus welſchen Landen über unſichere Alpenpfade ſicher einge-
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/58>, abgerufen am 23.11.2024.
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