Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Was für einen Namen? frug der Knabe.

Ihren! sprach Romeias.

Was weiß ich von ihr und ihrem Namen, sagte der Klosterschüler
verdrießlich.

Da sieht man's wieder, brummte Romeias, wozu das Studiren
gut ist! Sitzt der Bub' jeden Tag acht Stunden hinter seinen Esels-
häuten und weiß nicht einmal, wie ein fremdes Frauenzimmer heißt! ...



Viertes Kapitel.
Im Kloster.


Frau Hadwig hatte inzwischen am Grab des heiligen Gallus ihre
Andacht verrichtet. Dann gedachte der Abt, ihr einen Gang im schat-
tigen Klostergarten vorzuschlagen; aber sie bat, ihr zuvörderst den
Kirchenschatz zu zeigen. Der Frauen Gemüth, wie hoch es auch ge-
naturt sein mag, erfreut sich allzeit an Schmuck, Zierrath und präch-
tiger Gewandung. Da wollte der Abt mit einiger Ausrede ihren
Sinn ablenken, vermeinend, sie seien nur ein arm Klösterlein und seine
Base werde auf ihren Fahrten im Reich und am Kaiserhof schon
Preiswürdigeres erschaut haben: es half ihm nicht.

Sie traten in die Sacristei.

Er ließ die gebräunten Schränke öffnen, da war viel zu bewun-
dern an purpurnen Meßgewändern, an Priesterkleidern mit Stickerei
und gewirkten Darstellungen aus heiliger Geschichte. War auch Man-
ches drauf abgebildet, was noch nahe an römisches Heidenthum an-
streifte, zum Beispiel die Hochzeit des Mercurius mit der Philologie.

Hernach wurden die Truhen aufgeschlossen, da glänzte es vom
Schein edler Metalle, silberne Ampeln gleißten herfür, und Kronen,
Streifen getriebenen Goldes zu Einfassung der Evangelienbücher und
der Altarverzierung;53) Mönche des Klosters hatten sie, um's Knie
gebunden, aus welschen Landen über unsichere Alpenpfade sicher einge-

Was für einen Namen? frug der Knabe.

Ihren! ſprach Romeias.

Was weiß ich von ihr und ihrem Namen, ſagte der Kloſterſchüler
verdrießlich.

Da ſieht man's wieder, brummte Romeias, wozu das Studiren
gut iſt! Sitzt der Bub' jeden Tag acht Stunden hinter ſeinen Eſels-
häuten und weiß nicht einmal, wie ein fremdes Frauenzimmer heißt! ...



Viertes Kapitel.
Im Kloſter.


Frau Hadwig hatte inzwiſchen am Grab des heiligen Gallus ihre
Andacht verrichtet. Dann gedachte der Abt, ihr einen Gang im ſchat-
tigen Kloſtergarten vorzuſchlagen; aber ſie bat, ihr zuvörderſt den
Kirchenſchatz zu zeigen. Der Frauen Gemüth, wie hoch es auch ge-
naturt ſein mag, erfreut ſich allzeit an Schmuck, Zierrath und präch-
tiger Gewandung. Da wollte der Abt mit einiger Ausrede ihren
Sinn ablenken, vermeinend, ſie ſeien nur ein arm Klöſterlein und ſeine
Baſe werde auf ihren Fahrten im Reich und am Kaiſerhof ſchon
Preiswürdigeres erſchaut haben: es half ihm nicht.

Sie traten in die Sacriſtei.

Er ließ die gebräunten Schränke öffnen, da war viel zu bewun-
dern an purpurnen Meßgewändern, an Prieſterkleidern mit Stickerei
und gewirkten Darſtellungen aus heiliger Geſchichte. War auch Man-
ches drauf abgebildet, was noch nahe an römiſches Heidenthum an-
ſtreifte, zum Beiſpiel die Hochzeit des Mercurius mit der Philologie.

Hernach wurden die Truhen aufgeſchloſſen, da glänzte es vom
Schein edler Metalle, ſilberne Ampeln gleißten herfür, und Kronen,
Streifen getriebenen Goldes zu Einfaſſung der Evangelienbücher und
der Altarverzierung;53) Mönche des Kloſters hatten ſie, um's Knie
gebunden, aus welſchen Landen über unſichere Alpenpfade ſicher einge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0058" n="36"/>
        <p>Was für einen Namen? frug der Knabe.</p><lb/>
        <p>Ihren! &#x017F;prach Romeias.</p><lb/>
        <p>Was weiß ich von ihr und ihrem Namen, &#x017F;agte der Klo&#x017F;ter&#x017F;chüler<lb/>
verdrießlich.</p><lb/>
        <p>Da &#x017F;ieht man's wieder, brummte Romeias, wozu das Studiren<lb/>
gut i&#x017F;t! Sitzt der Bub' jeden Tag acht Stunden hinter &#x017F;einen E&#x017F;els-<lb/>
häuten und weiß nicht einmal, wie ein fremdes Frauenzimmer heißt! ...</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Viertes Kapitel</hi>.<lb/>
Im Klo&#x017F;ter.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Frau Hadwig hatte inzwi&#x017F;chen am Grab des heiligen Gallus ihre<lb/>
Andacht verrichtet. Dann gedachte der Abt, ihr einen Gang im &#x017F;chat-<lb/>
tigen Klo&#x017F;tergarten vorzu&#x017F;chlagen; aber &#x017F;ie bat, ihr zuvörder&#x017F;t den<lb/>
Kirchen&#x017F;chatz zu zeigen. Der Frauen Gemüth, wie hoch es auch ge-<lb/>
naturt &#x017F;ein mag, erfreut &#x017F;ich allzeit an Schmuck, Zierrath und präch-<lb/>
tiger Gewandung. Da wollte der Abt mit einiger Ausrede ihren<lb/>
Sinn ablenken, vermeinend, &#x017F;ie &#x017F;eien nur ein arm Klö&#x017F;terlein und &#x017F;eine<lb/>
Ba&#x017F;e werde auf ihren Fahrten im Reich und am Kai&#x017F;erhof &#x017F;chon<lb/>
Preiswürdigeres er&#x017F;chaut haben: es half ihm nicht.</p><lb/>
        <p>Sie traten in die Sacri&#x017F;tei.</p><lb/>
        <p>Er ließ die gebräunten Schränke öffnen, da war viel zu bewun-<lb/>
dern an purpurnen Meßgewändern, an Prie&#x017F;terkleidern mit Stickerei<lb/>
und gewirkten Dar&#x017F;tellungen aus heiliger Ge&#x017F;chichte. War auch Man-<lb/>
ches drauf abgebildet, was noch nahe an römi&#x017F;ches Heidenthum an-<lb/>
&#x017F;treifte, zum Bei&#x017F;piel die Hochzeit des Mercurius mit der Philologie.</p><lb/>
        <p>Hernach wurden die Truhen aufge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, da glänzte es vom<lb/>
Schein edler Metalle, &#x017F;ilberne Ampeln gleißten herfür, und Kronen,<lb/>
Streifen getriebenen Goldes zu Einfa&#x017F;&#x017F;ung der Evangelienbücher und<lb/>
der Altarverzierung;<note xml:id="ed53" next="#edt53" place="end" n="53)"/> Mönche des Klo&#x017F;ters hatten &#x017F;ie, um's Knie<lb/>
gebunden, aus wel&#x017F;chen Landen über un&#x017F;ichere Alpenpfade &#x017F;icher einge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0058] Was für einen Namen? frug der Knabe. Ihren! ſprach Romeias. Was weiß ich von ihr und ihrem Namen, ſagte der Kloſterſchüler verdrießlich. Da ſieht man's wieder, brummte Romeias, wozu das Studiren gut iſt! Sitzt der Bub' jeden Tag acht Stunden hinter ſeinen Eſels- häuten und weiß nicht einmal, wie ein fremdes Frauenzimmer heißt! ... Viertes Kapitel. Im Kloſter. Frau Hadwig hatte inzwiſchen am Grab des heiligen Gallus ihre Andacht verrichtet. Dann gedachte der Abt, ihr einen Gang im ſchat- tigen Kloſtergarten vorzuſchlagen; aber ſie bat, ihr zuvörderſt den Kirchenſchatz zu zeigen. Der Frauen Gemüth, wie hoch es auch ge- naturt ſein mag, erfreut ſich allzeit an Schmuck, Zierrath und präch- tiger Gewandung. Da wollte der Abt mit einiger Ausrede ihren Sinn ablenken, vermeinend, ſie ſeien nur ein arm Klöſterlein und ſeine Baſe werde auf ihren Fahrten im Reich und am Kaiſerhof ſchon Preiswürdigeres erſchaut haben: es half ihm nicht. Sie traten in die Sacriſtei. Er ließ die gebräunten Schränke öffnen, da war viel zu bewun- dern an purpurnen Meßgewändern, an Prieſterkleidern mit Stickerei und gewirkten Darſtellungen aus heiliger Geſchichte. War auch Man- ches drauf abgebildet, was noch nahe an römiſches Heidenthum an- ſtreifte, zum Beiſpiel die Hochzeit des Mercurius mit der Philologie. Hernach wurden die Truhen aufgeſchloſſen, da glänzte es vom Schein edler Metalle, ſilberne Ampeln gleißten herfür, und Kronen, Streifen getriebenen Goldes zu Einfaſſung der Evangelienbücher und der Altarverzierung; ⁵³⁾ Mönche des Kloſters hatten ſie, um's Knie gebunden, aus welſchen Landen über unſichere Alpenpfade ſicher einge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/58
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/58>, abgerufen am 23.11.2024.