Dem grauen Tutilo war's beim Empfang schwer auf's Herz ge- fallen, daß der linke Aermel seiner Kutte mit einem Loch geschmückt war; sonst wär's wohl bis zum nächsten hohen Festtag ungeflickt ge- blieben, aber itzt galt kein Verzug; mit Nadel und Zwirn gewaffnet saß er auf dem Schragen und besserte den Schaden.
Und weil er gerade im Zug war, legte er auch seinen Sandalen eine neue Sohle an und festigte sie mit Nägeln. Er summte eine Melodei, daß die Arbeit besser gedieh.
Ratold das Denkmännlein ging mit gerunzelter Stirn auf seiner Zelle auf und nieder, vermeinend es werde sich eine Gelegenheit er- geben, in frei ersonnener Rede des hohen Gastes Ruhm zu preisen. Den Eindruck unmittelbaren Ergusses zu erhöhen, studirte er sie vor- her. Er wollte des Tacitus Spruch von den Germanen66) zu Grund legen: "sie glauben auch, daß den Frauen etwas Heiliges und Zu- kunftvoraussehendes inwohne, darum verschmähen sie niemals ihren Rath und fügen sich ihren Bescheiden." Es war dies fast das Ein- zige, was er aus Hörensagen von den Frauen wußte, aber er zwinkte mit den Eichhörnleinsaugen und war sicher, von dort unter etlichen bissigen Ausfällen auf seine Mitbrüder einen Uebergang zum Lob der Herzogin zu finden. Leider blieb die Gelegenheit zu Anbringung einer Rede aus, weil er sie nicht zu finden verstand.
In anderer Zelle saßen der Brüder sechs unter dem riesigen Elfenbeinkamm,67) der an eiserner Kette von der Decke herabhing, -- Abt Hartmuths nützliche Stiftung -- die vorgeschriebenen Gebete murmelnd erwies Einer dem Andern den Dienst sorglicher Glättung des Haupthaares. Ward auch manch überwachsene Tonsur in jener Zeit zu strahlendem Glanze erneut.
In der Küche aber ward unter Gerold des Schaffners Leitung eine Thätigkeit entwickelt, die Nichts zu wünschen übrig ließ.
Jetzo läutete das Glöcklein, dessen Ton auch von den frömmsten Brüdern noch Keiner unwillig gehört, der Ruf zur Abendmahlzeit. Abt Cralo geleitete die Herzogin ins Refectorium. Sieben Säulen theilten den luftigen Saal hälftig ab, an vierzehn Tischen standen, wie Heerschaaren der streitenden Kirche, des Klosters Mitglieder, Prie- ster und Diakonen; sie erwiesen dem hohen Gast keine sonderliche Aufmerksamkeit.
Dem grauen Tutilo war's beim Empfang ſchwer auf's Herz ge- fallen, daß der linke Aermel ſeiner Kutte mit einem Loch geſchmückt war; ſonſt wär's wohl bis zum nächſten hohen Feſttag ungeflickt ge- blieben, aber itzt galt kein Verzug; mit Nadel und Zwirn gewaffnet ſaß er auf dem Schragen und beſſerte den Schaden.
Und weil er gerade im Zug war, legte er auch ſeinen Sandalen eine neue Sohle an und feſtigte ſie mit Nägeln. Er ſummte eine Melodei, daß die Arbeit beſſer gedieh.
Ratold das Denkmännlein ging mit gerunzelter Stirn auf ſeiner Zelle auf und nieder, vermeinend es werde ſich eine Gelegenheit er- geben, in frei erſonnener Rede des hohen Gaſtes Ruhm zu preiſen. Den Eindruck unmittelbaren Erguſſes zu erhöhen, ſtudirte er ſie vor- her. Er wollte des Tacitus Spruch von den Germanen66) zu Grund legen: „ſie glauben auch, daß den Frauen etwas Heiliges und Zu- kunftvorausſehendes inwohne, darum verſchmähen ſie niemals ihren Rath und fügen ſich ihren Beſcheiden.“ Es war dies faſt das Ein- zige, was er aus Hörenſagen von den Frauen wußte, aber er zwinkte mit den Eichhörnleinsaugen und war ſicher, von dort unter etlichen biſſigen Ausfällen auf ſeine Mitbrüder einen Uebergang zum Lob der Herzogin zu finden. Leider blieb die Gelegenheit zu Anbringung einer Rede aus, weil er ſie nicht zu finden verſtand.
In anderer Zelle ſaßen der Brüder ſechs unter dem rieſigen Elfenbeinkamm,67) der an eiſerner Kette von der Decke herabhing, — Abt Hartmuths nützliche Stiftung — die vorgeſchriebenen Gebete murmelnd erwies Einer dem Andern den Dienſt ſorglicher Glättung des Haupthaares. Ward auch manch überwachſene Tonſur in jener Zeit zu ſtrahlendem Glanze erneut.
In der Küche aber ward unter Gerold des Schaffners Leitung eine Thätigkeit entwickelt, die Nichts zu wünſchen übrig ließ.
Jetzo läutete das Glöcklein, deſſen Ton auch von den frömmſten Brüdern noch Keiner unwillig gehört, der Ruf zur Abendmahlzeit. Abt Cralo geleitete die Herzogin ins Refectorium. Sieben Säulen theilten den luftigen Saal hälftig ab, an vierzehn Tiſchen ſtanden, wie Heerſchaaren der ſtreitenden Kirche, des Kloſters Mitglieder, Prie- ſter und Diakonen; ſie erwieſen dem hohen Gaſt keine ſonderliche Aufmerkſamkeit.
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[44/0066]
Dem grauen Tutilo war's beim Empfang ſchwer auf's Herz ge-
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war; ſonſt wär's wohl bis zum nächſten hohen Feſttag ungeflickt ge-
blieben, aber itzt galt kein Verzug; mit Nadel und Zwirn gewaffnet
ſaß er auf dem Schragen und beſſerte den Schaden.
Und weil er gerade im Zug war, legte er auch ſeinen Sandalen
eine neue Sohle an und feſtigte ſie mit Nägeln. Er ſummte eine
Melodei, daß die Arbeit beſſer gedieh.
Ratold das Denkmännlein ging mit gerunzelter Stirn auf ſeiner
Zelle auf und nieder, vermeinend es werde ſich eine Gelegenheit er-
geben, in frei erſonnener Rede des hohen Gaſtes Ruhm zu preiſen.
Den Eindruck unmittelbaren Erguſſes zu erhöhen, ſtudirte er ſie vor-
her. Er wollte des Tacitus Spruch von den Germanen
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legen: „ſie glauben auch, daß den Frauen etwas Heiliges und Zu-
kunftvorausſehendes inwohne, darum verſchmähen ſie niemals ihren
Rath und fügen ſich ihren Beſcheiden.“ Es war dies faſt das Ein-
zige, was er aus Hörenſagen von den Frauen wußte, aber er zwinkte
mit den Eichhörnleinsaugen und war ſicher, von dort unter etlichen
biſſigen Ausfällen auf ſeine Mitbrüder einen Uebergang zum Lob der
Herzogin zu finden. Leider blieb die Gelegenheit zu Anbringung
einer Rede aus, weil er ſie nicht zu finden verſtand.
In anderer Zelle ſaßen der Brüder ſechs unter dem rieſigen
Elfenbeinkamm,
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— Abt Hartmuths nützliche Stiftung — die vorgeſchriebenen Gebete
murmelnd erwies Einer dem Andern den Dienſt ſorglicher Glättung
des Haupthaares. Ward auch manch überwachſene Tonſur in jener
Zeit zu ſtrahlendem Glanze erneut.
In der Küche aber ward unter Gerold des Schaffners Leitung
eine Thätigkeit entwickelt, die Nichts zu wünſchen übrig ließ.
Jetzo läutete das Glöcklein, deſſen Ton auch von den frömmſten
Brüdern noch Keiner unwillig gehört, der Ruf zur Abendmahlzeit.
Abt Cralo geleitete die Herzogin ins Refectorium. Sieben Säulen
theilten den luftigen Saal hälftig ab, an vierzehn Tiſchen ſtanden,
wie Heerſchaaren der ſtreitenden Kirche, des Kloſters Mitglieder, Prie-
ſter und Diakonen; ſie erwieſen dem hohen Gaſt keine ſonderliche
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/66>, abgerufen am 27.11.2024.
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