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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Amtes nach, Mostprobe zu halten. Das Lächeln eines mit der Welt
und sich versöhnten Mannes lag auf seinen Lippen und sein Bauch
war fröhlich gediehen wie das Hauswesen des Fleißigen, einen weißen
Schurz hatte er drüber geschlungen, gewichtiger Schlüsselbund klap-
perte an seiner linken Seite.

"Zum Kellermeister soll erwählt werden ein weiser Mann von
reifen Sitten, nüchtern und nicht vieler Speise gierig, kein Zänker
und kein Schelter, kein Träger und kein Vergeuder, sondern ein Got-
tesfürchtiger, der der gesammten Bruderschaft sei als wie ein Va-
ter"97) -- und soweit es des Fleisches Schwäche hienieden möglich
macht, war Rudimann bemüht, sothane Kellermeisterseigenschaften in
sich zu vereinen. Dabei aber trug er das herbe Amt eines Straf-
vollziehers, und wenn Einer der Brüder der Geißelung sich schuldig
gemacht, band er ihn an die Säule und konnte sich Keiner über die
Milde seines Armes beklagen. Daß er außerdem mit boshaftiger
Zunge dann und wann boshaftige Gedanken aussprach und den Abt
mit Verdächtigung der Mitbrüder zu unterhalten wußte, wie das
Eichhörnlein Ratatöskr der Edda,98) das auf und abrennt an der
Esche Yggdrasil und des Adlers zürnende Worte im Wipfel hernie-
derträgt zu Nidhöggr dem Drachen in der Tiefe: das war nicht
seines Amtes, das that er aus freien Stücken.

Heute aber schaute er gar vergnüglich drein, deß trug die Güte
der Weinlese Schuld. Und er tauchte sein Krüglein in ein offenes
Faß, hielt's gegen das Fenster und schlürfte bedächtig den unklaren
Stoff. Des schlafenden Gastes nahm er nicht wahr.

Auch dieser ist süß, sprach er, und kommt doch vom mitternächti-
gen Abhang der Hügel. Gelobt sei der Herr, der vom Nothstand
seiner Knechte auf dieser Au eine billige Einsicht nahm und nach so
viel magern Jahren ein fettes schuf, und frei von Säure.

Inzwischen ging draußen Kerhildis die Obermagd vorüber, sie
trug eine traubengefüllte Butte zur Kelter. Kerhildis, sprach der
Kellermeister leise, getreuste aller Mägde, nimm mein Krüglein und
füll' es mit dem Neuen vom Wartberg, der drüben an der Kelter
steht, auf daß ich ihn mit diesem vergleiche.

Kerhildis die Obermagd stellte ihre Last ab und ging und kam
und stand vor Rudimann, reichte ihm das Krüglein, schaute schalk-

Amtes nach, Moſtprobe zu halten. Das Lächeln eines mit der Welt
und ſich verſöhnten Mannes lag auf ſeinen Lippen und ſein Bauch
war fröhlich gediehen wie das Hausweſen des Fleißigen, einen weißen
Schurz hatte er drüber geſchlungen, gewichtiger Schlüſſelbund klap-
perte an ſeiner linken Seite.

„Zum Kellermeiſter ſoll erwählt werden ein weiſer Mann von
reifen Sitten, nüchtern und nicht vieler Speiſe gierig, kein Zänker
und kein Schelter, kein Träger und kein Vergeuder, ſondern ein Got-
tesfürchtiger, der der geſammten Bruderſchaft ſei als wie ein Va-
ter“97) — und ſoweit es des Fleiſches Schwäche hienieden möglich
macht, war Rudimann bemüht, ſothane Kellermeiſterseigenſchaften in
ſich zu vereinen. Dabei aber trug er das herbe Amt eines Straf-
vollziehers, und wenn Einer der Brüder der Geißelung ſich ſchuldig
gemacht, band er ihn an die Säule und konnte ſich Keiner über die
Milde ſeines Armes beklagen. Daß er außerdem mit boshaftiger
Zunge dann und wann boshaftige Gedanken ausſprach und den Abt
mit Verdächtigung der Mitbrüder zu unterhalten wußte, wie das
Eichhörnlein Ratatöskr der Edda,98) das auf und abrennt an der
Eſche Yggdraſil und des Adlers zürnende Worte im Wipfel hernie-
derträgt zu Nidhöggr dem Drachen in der Tiefe: das war nicht
ſeines Amtes, das that er aus freien Stücken.

Heute aber ſchaute er gar vergnüglich drein, deß trug die Güte
der Weinleſe Schuld. Und er tauchte ſein Krüglein in ein offenes
Faß, hielt's gegen das Fenſter und ſchlürfte bedächtig den unklaren
Stoff. Des ſchlafenden Gaſtes nahm er nicht wahr.

Auch dieſer iſt ſüß, ſprach er, und kommt doch vom mitternächti-
gen Abhang der Hügel. Gelobt ſei der Herr, der vom Nothſtand
ſeiner Knechte auf dieſer Au eine billige Einſicht nahm und nach ſo
viel magern Jahren ein fettes ſchuf, und frei von Säure.

Inzwiſchen ging draußen Kerhildis die Obermagd vorüber, ſie
trug eine traubengefüllte Butte zur Kelter. Kerhildis, ſprach der
Kellermeiſter leiſe, getreuſte aller Mägde, nimm mein Krüglein und
füll' es mit dem Neuen vom Wartberg, der drüben an der Kelter
ſteht, auf daß ich ihn mit dieſem vergleiche.

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[63/0085] Amtes nach, Moſtprobe zu halten. Das Lächeln eines mit der Welt und ſich verſöhnten Mannes lag auf ſeinen Lippen und ſein Bauch war fröhlich gediehen wie das Hausweſen des Fleißigen, einen weißen Schurz hatte er drüber geſchlungen, gewichtiger Schlüſſelbund klap- perte an ſeiner linken Seite. „Zum Kellermeiſter ſoll erwählt werden ein weiſer Mann von reifen Sitten, nüchtern und nicht vieler Speiſe gierig, kein Zänker und kein Schelter, kein Träger und kein Vergeuder, ſondern ein Got- tesfürchtiger, der der geſammten Bruderſchaft ſei als wie ein Va- ter“ ⁹⁷⁾ — und ſoweit es des Fleiſches Schwäche hienieden möglich macht, war Rudimann bemüht, ſothane Kellermeiſterseigenſchaften in ſich zu vereinen. Dabei aber trug er das herbe Amt eines Straf- vollziehers, und wenn Einer der Brüder der Geißelung ſich ſchuldig gemacht, band er ihn an die Säule und konnte ſich Keiner über die Milde ſeines Armes beklagen. Daß er außerdem mit boshaftiger Zunge dann und wann boshaftige Gedanken ausſprach und den Abt mit Verdächtigung der Mitbrüder zu unterhalten wußte, wie das Eichhörnlein Ratatöskr der Edda, ⁹⁸⁾ das auf und abrennt an der Eſche Yggdraſil und des Adlers zürnende Worte im Wipfel hernie- derträgt zu Nidhöggr dem Drachen in der Tiefe: das war nicht ſeines Amtes, das that er aus freien Stücken. Heute aber ſchaute er gar vergnüglich drein, deß trug die Güte der Weinleſe Schuld. Und er tauchte ſein Krüglein in ein offenes Faß, hielt's gegen das Fenſter und ſchlürfte bedächtig den unklaren Stoff. Des ſchlafenden Gaſtes nahm er nicht wahr. Auch dieſer iſt ſüß, ſprach er, und kommt doch vom mitternächti- gen Abhang der Hügel. Gelobt ſei der Herr, der vom Nothſtand ſeiner Knechte auf dieſer Au eine billige Einſicht nahm und nach ſo viel magern Jahren ein fettes ſchuf, und frei von Säure. Inzwiſchen ging draußen Kerhildis die Obermagd vorüber, ſie trug eine traubengefüllte Butte zur Kelter. Kerhildis, ſprach der Kellermeiſter leiſe, getreuſte aller Mägde, nimm mein Krüglein und füll' es mit dem Neuen vom Wartberg, der drüben an der Kelter ſteht, auf daß ich ihn mit dieſem vergleiche. Kerhildis die Obermagd ſtellte ihre Laſt ab und ging und kam und ſtand vor Rudimann, reichte ihm das Krüglein, ſchaute ſchalk-

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/85>, abgerufen am 27.11.2024.