Dem allen ungeachtet habe ich eine Beschreibung meiner Lebensreise gewagt, sine gratia et ambitione, bonae tantum conscientiae pretio (Tacit. Vita Agricolae) und hoffe dreust, es werde mir meine un- aussprechliche Wahrheitsliebe geholfen ha- ben, zwischen oberwähnten Scyllen und Charybden glücklich durchzusegeln, und mit diesen mir selbst besorgten Exsequien diejenigen, die mich im Leben bald so, bald anders beurtheilten, zu dem Geständniß zu nöthigen: Niemand könne den Geist des Menschen kennen, als der Geist, der in ihm ist.
Da aber ein bloßer Privatmann selten etwas von sich zu erzählen hat, das ihn von andern auszeichnen könnte, und daher die kleinen Züge sammeln muß, um seine Besondernheit im Denken und Handeln un- terscheidbar zu machen, so rath ich jedem, der meinen Aufsatz einst zu Gesicht bekommt und in ihm sonderbare Schicksalserzählun- gen zu finden hofft, ihn entweder gleich
Dem allen ungeachtet habe ich eine Beſchreibung meiner Lebensreiſe gewagt, sine gratia et ambitione, bonae tantum conscientiae pretio (Tacit. Vita Agricolae) und hoffe dreuſt, es werde mir meine un- ausſprechliche Wahrheitsliebe geholfen ha- ben, zwiſchen oberwaͤhnten Scyllen und Charybden gluͤcklich durchzuſegeln, und mit dieſen mir ſelbſt beſorgten Exſequien diejenigen, die mich im Leben bald ſo, bald anders beurtheilten, zu dem Geſtaͤndniß zu noͤthigen: Niemand koͤnne den Geiſt des Menſchen kennen, als der Geiſt, der in ihm iſt.
Da aber ein bloßer Privatmann ſelten etwas von ſich zu erzaͤhlen hat, das ihn von andern auszeichnen koͤnnte, und daher die kleinen Zuͤge ſammeln muß, um ſeine Beſondernheit im Denken und Handeln un- terſcheidbar zu machen, ſo rath ich jedem, der meinen Aufſatz einſt zu Geſicht bekommt und in ihm ſonderbare Schickſalserzaͤhlun- gen zu finden hofft, ihn entweder gleich
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[V/0010]
Dem allen ungeachtet habe ich eine
Beſchreibung meiner Lebensreiſe gewagt,
sine gratia et ambitione, bonae tantum
conscientiae pretio (Tacit. Vita Agricolae)
und hoffe dreuſt, es werde mir meine un-
ausſprechliche Wahrheitsliebe geholfen ha-
ben, zwiſchen oberwaͤhnten Scyllen und
Charybden gluͤcklich durchzuſegeln, und
mit dieſen mir ſelbſt beſorgten Exſequien
diejenigen, die mich im Leben bald ſo, bald
anders beurtheilten, zu dem Geſtaͤndniß zu
noͤthigen: Niemand koͤnne den Geiſt des
Menſchen kennen, als der Geiſt, der in
ihm iſt.
Da aber ein bloßer Privatmann ſelten
etwas von ſich zu erzaͤhlen hat, das ihn
von andern auszeichnen koͤnnte, und daher
die kleinen Zuͤge ſammeln muß, um ſeine
Beſondernheit im Denken und Handeln un-
terſcheidbar zu machen, ſo rath ich jedem,
der meinen Aufſatz einſt zu Geſicht bekommt
und in ihm ſonderbare Schickſalserzaͤhlun-
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/10>, abgerufen am 03.12.2024.
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