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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Jch entschloß mich daher, mich den 5. Dec.
1763. zu verloben, und weil zum Unter-
halten der Liebe auch Nahrung und Klei-
der etc. nöthig sind, so rieth man mir, dem
damals in alle staatswirthschaftlichen Fächer
eingreifenden Geheimen Finanzrath von
Brenkenhoff die Aufwartung zu machen.

Jm Brenkenhoffschen Vorzimmer wim-
melte es von Hülfesuchenden, deren Lage und
Benehmen ich so jämmerlich fand, daß ich
ohne seine persönliche Erscheinung abzuwar-
ten davon ging, und ihre Zahl nicht wieder
vermehren half. *) Eine alte vielbedeutende

*) Jm Jahr 1772. hielt ich mich in Bromberg
einige Wochen bey ihm auf, als ich unter dem
Westpreußischen Oberclassifications-Commissario,
dem Geheimen Finanzrath Rohde, die Cämmerey-
etats der kleinen Städte fertigen mußte, lernte
dort seine Finanzgenialität, seine oft zu wenig auf
Recht und Umstände Nücksicht nehmende Thätig-
keit, so wie seine beynah nur auf die Namens-
unterschrift eingeschränkte Schreibkunst kennen,
ärgerte mich aber oft im Stillen nicht wenig über
die Arroganz und den Leichtsinn einiger den Ca-
nalbau unter ihm mitbearbeitender jungen Räthe,
denen es zwar so wenig wie ihrem Chef an offnern
Kopf und Raschheit, aber vielfältig an gehöriger
Ueberlegung, Schonung und Besonnenheit fehlte,
wenn gleich einige in der Folge hoch im Finanz-

Jch entſchloß mich daher, mich den 5. Dec.
1763. zu verloben, und weil zum Unter-
halten der Liebe auch Nahrung und Klei-
der ꝛc. noͤthig ſind, ſo rieth man mir, dem
damals in alle ſtaatswirthſchaftlichen Faͤcher
eingreifenden Geheimen Finanzrath von
Brenkenhoff die Aufwartung zu machen.

Jm Brenkenhoffſchen Vorzimmer wim-
melte es von Huͤlfeſuchenden, deren Lage und
Benehmen ich ſo jaͤmmerlich fand, daß ich
ohne ſeine perſoͤnliche Erſcheinung abzuwar-
ten davon ging, und ihre Zahl nicht wieder
vermehren half. *) Eine alte vielbedeutende

*) Jm Jahr 1772. hielt ich mich in Bromberg
einige Wochen bey ihm auf, als ich unter dem
Weſtpreußiſchen Oberclaſſifications-Commiſſario,
dem Geheimen Finanzrath Rohde, die Caͤmmerey-
etats der kleinen Staͤdte fertigen mußte, lernte
dort ſeine Finanzgenialitaͤt, ſeine oft zu wenig auf
Recht und Umſtaͤnde Nuͤckſicht nehmende Thaͤtig-
keit, ſo wie ſeine beynah nur auf die Namens-
unterſchrift eingeſchraͤnkte Schreibkunſt kennen,
aͤrgerte mich aber oft im Stillen nicht wenig uͤber
die Arroganz und den Leichtſinn einiger den Ca-
nalbau unter ihm mitbearbeitender jungen Raͤthe,
denen es zwar ſo wenig wie ihrem Chef an offneꝛn
Kopf und Raſchheit, aber vielfaͤltig an gehoͤriger
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[121/0138] Jch entſchloß mich daher, mich den 5. Dec. 1763. zu verloben, und weil zum Unter- halten der Liebe auch Nahrung und Klei- der ꝛc. noͤthig ſind, ſo rieth man mir, dem damals in alle ſtaatswirthſchaftlichen Faͤcher eingreifenden Geheimen Finanzrath von Brenkenhoff die Aufwartung zu machen. Jm Brenkenhoffſchen Vorzimmer wim- melte es von Huͤlfeſuchenden, deren Lage und Benehmen ich ſo jaͤmmerlich fand, daß ich ohne ſeine perſoͤnliche Erſcheinung abzuwar- ten davon ging, und ihre Zahl nicht wieder vermehren half. *) Eine alte vielbedeutende *) Jm Jahr 1772. hielt ich mich in Bromberg einige Wochen bey ihm auf, als ich unter dem Weſtpreußiſchen Oberclaſſifications-Commiſſario, dem Geheimen Finanzrath Rohde, die Caͤmmerey- etats der kleinen Staͤdte fertigen mußte, lernte dort ſeine Finanzgenialitaͤt, ſeine oft zu wenig auf Recht und Umſtaͤnde Nuͤckſicht nehmende Thaͤtig- keit, ſo wie ſeine beynah nur auf die Namens- unterſchrift eingeſchraͤnkte Schreibkunſt kennen, aͤrgerte mich aber oft im Stillen nicht wenig uͤber die Arroganz und den Leichtſinn einiger den Ca- nalbau unter ihm mitbearbeitender jungen Raͤthe, denen es zwar ſo wenig wie ihrem Chef an offneꝛn Kopf und Raſchheit, aber vielfaͤltig an gehoͤriger Ueberlegung, Schonung und Beſonnenheit fehlte, wenn gleich einige in der Folge hoch im Finanz-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/138>, abgerufen am 27.05.2024.