Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

gleich das diktirte Concept *) dieses Briefes,
das ich nach seinem Tode unter meinen zu-
rückerhaltenen Briefen fand, zeigt, wie sehr
er es vor der Absendung selbst zu mildern
nöthig erachtet, so schien selbiger mir doch
so kopfübermüthig und herzungerecht, daß es
mich viel Ueberwindung kostete, ihm kalt-
blütig zu antworten. Er muß indessen sein
mir gethanes Unrecht so sehr eingesehen ha-
ben, daß er mich, gewiß nach der gewöhn-
lichen Art der Beleidiger, den Beleidigten
zu hassen, nicht mehr so lieb gehabt, ja so-
gar eine Art Rache von meiner Seite be-
sorgt hat, wie ich aus einem Vorfall, einige
Monate vor seinem Tode, schließe, wo er
mich einer mir ganz ungewöhnlichen Falsch-
heit gegen ihn fähig hielt, deren Unwahr-
heit er bald hernach selbst einsah.

Kann es nun noch befremden, daß ich
so lange an Hippel fest glaubte, bis mir
nach seinem Tode andere ihre Erfahrungen
über ihn mittheilten, und ich unter seinen
Papieren eigenhändige Beweise fand, daß er
nicht so mein Freund gewesen, als er mich
versichert hatte? Jm Leben war Er der

*) Er litt damals sehr an den Augen und verlor
sogar das Eine ganz.
J

gleich das diktirte Concept *) dieſes Briefes,
das ich nach ſeinem Tode unter meinen zu-
ruͤckerhaltenen Briefen fand, zeigt, wie ſehr
er es vor der Abſendung ſelbſt zu mildern
noͤthig erachtet, ſo ſchien ſelbiger mir doch
ſo kopfuͤbermuͤthig und herzungerecht, daß es
mich viel Ueberwindung koſtete, ihm kalt-
bluͤtig zu antworten. Er muß indeſſen ſein
mir gethanes Unrecht ſo ſehr eingeſehen ha-
ben, daß er mich, gewiß nach der gewoͤhn-
lichen Art der Beleidiger, den Beleidigten
zu haſſen, nicht mehr ſo lieb gehabt, ja ſo-
gar eine Art Rache von meiner Seite be-
ſorgt hat, wie ich aus einem Vorfall, einige
Monate vor ſeinem Tode, ſchließe, wo er
mich einer mir ganz ungewoͤhnlichen Falſch-
heit gegen ihn faͤhig hielt, deren Unwahr-
heit er bald hernach ſelbſt einſah.

Kann es nun noch befremden, daß ich
ſo lange an Hippel feſt glaubte, bis mir
nach ſeinem Tode andere ihre Erfahrungen
uͤber ihn mittheilten, und ich unter ſeinen
Papieren eigenhaͤndige Beweiſe fand, daß er
nicht ſo mein Freund geweſen, als er mich
verſichert hatte? Jm Leben war Er der

*) Er litt damals ſehr an den Augen und verlor
ſogar das Eine ganz.
J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="129"/>
gleich das diktirte Concept <note place="foot" n="*)">Er litt damals &#x017F;ehr an den Augen und verlor<lb/>
&#x017F;ogar das Eine ganz.</note> die&#x017F;es Briefes,<lb/>
das ich nach &#x017F;einem Tode unter meinen zu-<lb/>
ru&#x0364;ckerhaltenen Briefen fand, zeigt, wie &#x017F;ehr<lb/>
er es vor der Ab&#x017F;endung &#x017F;elb&#x017F;t zu mildern<lb/>
no&#x0364;thig erachtet, &#x017F;o &#x017F;chien &#x017F;elbiger mir doch<lb/>
&#x017F;o kopfu&#x0364;bermu&#x0364;thig und herzungerecht, daß es<lb/>
mich viel Ueberwindung ko&#x017F;tete, ihm kalt-<lb/>
blu&#x0364;tig zu antworten. Er muß inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein<lb/>
mir gethanes Unrecht &#x017F;o &#x017F;ehr einge&#x017F;ehen ha-<lb/>
ben, daß er mich, gewiß nach der gewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen Art der Beleidiger, den Beleidigten<lb/>
zu ha&#x017F;&#x017F;en, nicht mehr &#x017F;o lieb gehabt, ja &#x017F;o-<lb/>
gar eine Art Rache von meiner Seite be-<lb/>
&#x017F;orgt hat, wie ich aus einem Vorfall, einige<lb/>
Monate vor &#x017F;einem Tode, &#x017F;chließe, wo er<lb/>
mich einer mir ganz ungewo&#x0364;hnlichen Fal&#x017F;ch-<lb/>
heit gegen ihn fa&#x0364;hig hielt, deren Unwahr-<lb/>
heit er bald hernach &#x017F;elb&#x017F;t ein&#x017F;ah.</p><lb/>
        <p>Kann es nun noch befremden, daß ich<lb/>
&#x017F;o lange an <hi rendition="#g">Hippel</hi> fe&#x017F;t glaubte, bis mir<lb/>
nach &#x017F;einem Tode andere ihre Erfahrungen<lb/>
u&#x0364;ber ihn mittheilten, und ich unter &#x017F;einen<lb/>
Papieren eigenha&#x0364;ndige Bewei&#x017F;e fand, daß er<lb/>
nicht <hi rendition="#g">&#x017F;o</hi> mein Freund gewe&#x017F;en, als er mich<lb/>
ver&#x017F;ichert hatte? Jm Leben war Er der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0146] gleich das diktirte Concept *) dieſes Briefes, das ich nach ſeinem Tode unter meinen zu- ruͤckerhaltenen Briefen fand, zeigt, wie ſehr er es vor der Abſendung ſelbſt zu mildern noͤthig erachtet, ſo ſchien ſelbiger mir doch ſo kopfuͤbermuͤthig und herzungerecht, daß es mich viel Ueberwindung koſtete, ihm kalt- bluͤtig zu antworten. Er muß indeſſen ſein mir gethanes Unrecht ſo ſehr eingeſehen ha- ben, daß er mich, gewiß nach der gewoͤhn- lichen Art der Beleidiger, den Beleidigten zu haſſen, nicht mehr ſo lieb gehabt, ja ſo- gar eine Art Rache von meiner Seite be- ſorgt hat, wie ich aus einem Vorfall, einige Monate vor ſeinem Tode, ſchließe, wo er mich einer mir ganz ungewoͤhnlichen Falſch- heit gegen ihn faͤhig hielt, deren Unwahr- heit er bald hernach ſelbſt einſah. Kann es nun noch befremden, daß ich ſo lange an Hippel feſt glaubte, bis mir nach ſeinem Tode andere ihre Erfahrungen uͤber ihn mittheilten, und ich unter ſeinen Papieren eigenhaͤndige Beweiſe fand, daß er nicht ſo mein Freund geweſen, als er mich verſichert hatte? Jm Leben war Er der *) Er litt damals ſehr an den Augen und verlor ſogar das Eine ganz. J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/146
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/146>, abgerufen am 27.05.2024.