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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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der sich damals durch seine Fragmente über
die deutsche Literatur bekannt machte, in
diesen bey der Dithyramben-Beurtheilung
(Herders Werke zur schönen Literatur und
Kunst 2r Bd. S. 87.) manches zu viel ge-
than hat. Willamov ging in der Folge nach
Petersburg, wo seine Familie auch geblie-
ben ist, und einige davon im Erziehungs-
fach vortheilhaft gebraucht sind. Seine
Schriften sind gewiß zu bald außer Cours
gekommen.

Herders Schriften hab ich jederzeit mit
großem Vergnügen gelesen, ob sie mir gleich
beynah alle wie Körbe vorgekommen sind,
in denen Leckerfrüchte und Backwerk unter
Blumen, schön für Augen, Geruch und Ge-
schmack vorgesetzt werden, aber unbefriedi-
gend für einen ächtnahrhafte Speise suchen-
den Magen. Er dehandelte alles poetisch,
oft zu poetisch, weil seine ganze Natur in
Poesie lebte, webte und war. Jn seinen
Aufsätzeu wimmelt es von feinen trefflichen
Gedanken und Bemerkungen, denen man es
aber oft ansieht, daß sie eben nicht Kinder
der legalen Meditation, sondern der augen-
blicklichen Stimmung sind, die Aufschlüsse
und Befriedigung hoffen lassen, oft aber sie

der ſich damals durch ſeine Fragmente uͤber
die deutſche Literatur bekannt machte, in
dieſen bey der Dithyramben-Beurtheilung
(Herders Werke zur ſchoͤnen Literatur und
Kunſt 2r Bd. S. 87.) manches zu viel ge-
than hat. Willamov ging in der Folge nach
Petersburg, wo ſeine Familie auch geblie-
ben iſt, und einige davon im Erziehungs-
fach vortheilhaft gebraucht ſind. Seine
Schriften ſind gewiß zu bald außer Cours
gekommen.

Herders Schriften hab ich jederzeit mit
großem Vergnuͤgen geleſen, ob ſie mir gleich
beynah alle wie Koͤrbe vorgekommen ſind,
in denen Leckerfruͤchte und Backwerk unter
Blumen, ſchoͤn fuͤr Augen, Geruch und Ge-
ſchmack vorgeſetzt werden, aber unbefriedi-
gend fuͤr einen aͤchtnahrhafte Speiſe ſuchen-
den Magen. Er dehandelte alles poetiſch,
oft zu poetiſch, weil ſeine ganze Natur in
Poeſie lebte, webte und war. Jn ſeinen
Aufſaͤtzeu wimmelt es von feinen trefflichen
Gedanken und Bemerkungen, denen man es
aber oft anſieht, daß ſie eben nicht Kinder
der legalen Meditation, ſondern der augen-
blicklichen Stimmung ſind, die Aufſchluͤſſe
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[136/0153] der ſich damals durch ſeine Fragmente uͤber die deutſche Literatur bekannt machte, in dieſen bey der Dithyramben-Beurtheilung (Herders Werke zur ſchoͤnen Literatur und Kunſt 2r Bd. S. 87.) manches zu viel ge- than hat. Willamov ging in der Folge nach Petersburg, wo ſeine Familie auch geblie- ben iſt, und einige davon im Erziehungs- fach vortheilhaft gebraucht ſind. Seine Schriften ſind gewiß zu bald außer Cours gekommen. Herders Schriften hab ich jederzeit mit großem Vergnuͤgen geleſen, ob ſie mir gleich beynah alle wie Koͤrbe vorgekommen ſind, in denen Leckerfruͤchte und Backwerk unter Blumen, ſchoͤn fuͤr Augen, Geruch und Ge- ſchmack vorgeſetzt werden, aber unbefriedi- gend fuͤr einen aͤchtnahrhafte Speiſe ſuchen- den Magen. Er dehandelte alles poetiſch, oft zu poetiſch, weil ſeine ganze Natur in Poeſie lebte, webte und war. Jn ſeinen Aufſaͤtzeu wimmelt es von feinen trefflichen Gedanken und Bemerkungen, denen man es aber oft anſieht, daß ſie eben nicht Kinder der legalen Meditation, ſondern der augen- blicklichen Stimmung ſind, die Aufſchluͤſſe und Befriedigung hoffen laſſen, oft aber ſie

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/153>, abgerufen am 24.11.2024.