Befriedigung, deutsch und französisch vorge- lesen hat, ohne davon zu ermüden. Als ich einst in Königsberg ein fleißiger Schau- spielgänger war, hab ich mir manche Lust an den Vorstellungen dadurch verdorben, daß ich mit meinem Augenglase gar zu genau das Mienenspiel der Comödianten, beson- ders auch wenn sie nicht mitsprachen, beob- achtete, und ihnen, in mir selbst, alles nach- sprach, mich aber über jeden ungetroffenen Ton und jede nicht zusprechende Stellung oder Gebärde heimlich ärgerte. -- Um mir diese Aergerniß zu ersparen, bin ich während meines nachherigen spätern Aufenthalts in Königsberg nur wenige Male im Schauspiel gewesen, so daß ich das neue Haus, als es abbrannte, gar nicht gesehen hatte, und auch das nach aller Zeugniß sowohl gerathene wiederhergestellte Gebäude nur um das Spiel der Bethman und Schütz*) zu sehen, einige Male besucht habe.
*) Zwey ihrer Darstellungen hab ich mit gro- ßer Achtsamkeit gesehen, muß aber, vielleicht zu meiner Schande, bekennen, daß ich mich von gro- ßem Nutzen solcher Nachbildungen für die theatra- lische Kunst nicht so fest überzeugen kann, als zutrauensvoll Madame Schütz darüber sprach, und
Befriedigung, deutſch und franzoͤſiſch vorge- leſen hat, ohne davon zu ermuͤden. Als ich einſt in Koͤnigsberg ein fleißiger Schau- ſpielgaͤnger war, hab ich mir manche Luſt an den Vorſtellungen dadurch verdorben, daß ich mit meinem Augenglaſe gar zu genau das Mienenſpiel der Comoͤdianten, beſon- ders auch wenn ſie nicht mitſprachen, beob- achtete, und ihnen, in mir ſelbſt, alles nach- ſprach, mich aber uͤber jeden ungetroffenen Ton und jede nicht zuſprechende Stellung oder Gebaͤrde heimlich aͤrgerte. — Um mir dieſe Aergerniß zu erſparen, bin ich waͤhrend meines nachherigen ſpaͤtern Aufenthalts in Koͤnigsberg nur wenige Male im Schauſpiel geweſen, ſo daß ich das neue Haus, als es abbrannte, gar nicht geſehen hatte, und auch das nach aller Zeugniß ſowohl gerathene wiederhergeſtellte Gebaͤude nur um das Spiel der Bethman und Schuͤtz*) zu ſehen, einige Male beſucht habe.
*) Zwey ihrer Darſtellungen hab ich mit gro- ßer Achtſamkeit geſehen, muß aber, vielleicht zu meiner Schande, bekennen, daß ich mich von gro- ßem Nutzen ſolcher Nachbildungen fuͤr die theatra- liſche Kunſt nicht ſo feſt uͤberzeugen kann, als zutrauensvoll Madame Schuͤtz daruͤber ſprach, und
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Befriedigung, deutſch und franzoͤſiſch vorge-
leſen hat, ohne davon zu ermuͤden. Als
ich einſt in Koͤnigsberg ein fleißiger Schau-
ſpielgaͤnger war, hab ich mir manche Luſt
an den Vorſtellungen dadurch verdorben, daß
ich mit meinem Augenglaſe gar zu genau
das Mienenſpiel der Comoͤdianten, beſon-
ders auch wenn ſie nicht mitſprachen, beob-
achtete, und ihnen, in mir ſelbſt, alles nach-
ſprach, mich aber uͤber jeden ungetroffenen
Ton und jede nicht zuſprechende Stellung
oder Gebaͤrde heimlich aͤrgerte. — Um mir
dieſe Aergerniß zu erſparen, bin ich waͤhrend
meines nachherigen ſpaͤtern Aufenthalts in
Koͤnigsberg nur wenige Male im Schauſpiel
geweſen, ſo daß ich das neue Haus, als es
abbrannte, gar nicht geſehen hatte, und auch
das nach aller Zeugniß ſowohl gerathene
wiederhergeſtellte Gebaͤude nur um das Spiel
der Bethman und Schuͤtz *) zu ſehen,
einige Male beſucht habe.
*) Zwey ihrer Darſtellungen hab ich mit gro-
ßer Achtſamkeit geſehen, muß aber, vielleicht zu
meiner Schande, bekennen, daß ich mich von gro-
ßem Nutzen ſolcher Nachbildungen fuͤr die theatra-
liſche Kunſt nicht ſo feſt uͤberzeugen kann, als
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/182>, abgerufen am 26.11.2024.
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