Kurz vor meinem Abzuge von Marien- werder half ich auch noch den Kirchenbesuch befördern, indem ich für die Officianten, die dort zwar zu stimmen, aber nicht zum sitzen ein Recht hatten, den Bau eines Chors be- sorgte, auf dem ich selbst noch einige, weder Spaldingsche noch Reinhardsche oder Schleyer- machersche, Predigten anhörte. Die Kosten zu diesem wurden aus der für die arme Erz- priester Wittwe St. -- gesammelten kleinen Collekte bestritten, und ihr statt der wenigen Jnteressen, die sie von dem Capital gezogen haben würde, eine lebenslängliche Einnahme von 30 Thlrn, wo ich nicht irre, gesichert. Es ging aber bey dieser Sache ganz anders zu, als es in der unter dem Titel für edle Seelen 1779. erschienenen Anekdotensamm- lung im 2ten Bändchen S. 25. erzählt wor- den. Was doch gleichzeitige, nah beym Ge- sichtslocal lebende Autoren für Unrichtigkei- ten in die Welt hineinschreiben, ohne zu be- denken, daß sie dadurch nicht allein den hi-
viele es ihr auf ihr Wort nachglauben. Eher find ich in diesen künstlichen Nachbildungen eine gewisse sclavische Sterilität, die mich glauben macht, daß eher 20 ihre Madonne als 2 ihr die Merope etc. nachspielen würden.
Kurz vor meinem Abzuge von Marien- werder half ich auch noch den Kirchenbeſuch befoͤrdern, indem ich fuͤr die Officianten, die dort zwar zu ſtimmen, aber nicht zum ſitzen ein Recht hatten, den Bau eines Chors be- ſorgte, auf dem ich ſelbſt noch einige, weder Spaldingſche noch Reinhardſche oder Schleyer- macherſche, Predigten anhoͤrte. Die Koſten zu dieſem wurden aus der fuͤr die arme Erz- prieſter Wittwe St. — geſammelten kleinen Collekte beſtritten, und ihr ſtatt der wenigen Jntereſſen, die ſie von dem Capital gezogen haben wuͤrde, eine lebenslaͤngliche Einnahme von 30 Thlrn, wo ich nicht irre, geſichert. Es ging aber bey dieſer Sache ganz anders zu, als es in der unter dem Titel fuͤr edle Seelen 1779. erſchienenen Anekdotenſamm- lung im 2ten Baͤndchen S. 25. erzaͤhlt wor- den. Was doch gleichzeitige, nah beym Ge- ſichtslocal lebende Autoren fuͤr Unrichtigkei- ten in die Welt hineinſchreiben, ohne zu be- denken, daß ſie dadurch nicht allein den hi-
viele es ihr auf ihr Wort nachglauben. Eher find ich in dieſen kuͤnſtlichen Nachbildungen eine gewiſſe ſclaviſche Sterilitaͤt, die mich glauben macht, daß eher 20 ihre Madonne als 2 ihr die Merope ꝛc. nachſpielen wuͤrden.
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Kurz vor meinem Abzuge von Marien-
werder half ich auch noch den Kirchenbeſuch
befoͤrdern, indem ich fuͤr die Officianten, die
dort zwar zu ſtimmen, aber nicht zum ſitzen
ein Recht hatten, den Bau eines Chors be-
ſorgte, auf dem ich ſelbſt noch einige, weder
Spaldingſche noch Reinhardſche oder Schleyer-
macherſche, Predigten anhoͤrte. Die Koſten
zu dieſem wurden aus der fuͤr die arme Erz-
prieſter Wittwe St. — geſammelten kleinen
Collekte beſtritten, und ihr ſtatt der wenigen
Jntereſſen, die ſie von dem Capital gezogen
haben wuͤrde, eine lebenslaͤngliche Einnahme
von 30 Thlrn, wo ich nicht irre, geſichert.
Es ging aber bey dieſer Sache ganz anders
zu, als es in der unter dem Titel fuͤr edle
Seelen 1779. erſchienenen Anekdotenſamm-
lung im 2ten Baͤndchen S. 25. erzaͤhlt wor-
den. Was doch gleichzeitige, nah beym Ge-
ſichtslocal lebende Autoren fuͤr Unrichtigkei-
ten in die Welt hineinſchreiben, ohne zu be-
denken, daß ſie dadurch nicht allein den hi-
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*) viele es ihr auf ihr Wort nachglauben. Eher
find ich in dieſen kuͤnſtlichen Nachbildungen eine
gewiſſe ſclaviſche Sterilitaͤt, die mich glauben
macht, daß eher 20 ihre Madonne als 2 ihr
die Merope ꝛc. nachſpielen wuͤrden.
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/183>, abgerufen am 26.11.2024.
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