dem ein höchst biedrer und auspruchloser, ge- gen mich freundschaftlich gesinnter Mann war. Auch unterhielt ich wöchentlich einen Briefwechsel mit der Anno 1809. als Witt- we in Glatz gestorbnen Generalin v. F. -- damaligen Geheimenräthin V. -- Diese außerordentlich gebildete feinsinnige Frau, die über den Büchern ihre Wirthschaft nicht versäumte, beschäftigte sich und mich durch diese Correspondenz recht nützlich und ange- nehm, welches letztre auch eine andre Ma- rienwerdersche Dame zu werden suchte, es aber nicht ward, obgleich sie ihrem ersten Mann den Folardschen Polyb und andere Kriegsbücher vorlas; denn sie riß in den über ihre Bellonenatur geworfnen, aber nur ge- liehenen, Grazienschleyer durch ihre Ahnen- sucht, Wirthschaftskargheit so große Löcher, daß jene nur desto sichtbarer wurde, und der unweibliche Heroismus und Stolz, den ihr Lese-Putz- und Umgangsgeschmack beur- kundete, und der sie in jüngern Jahren je- nes löbliche Ziel zu erreichen gehindert hatte, hat sie auch bey grauen Haaren und in einer zweyten Ehe davon entfernt gehalten.
Eine Nebenarbeit machte mir der ver- storbne Generalmajor Graf Bork, der eine
dem ein hoͤchſt biedrer und auſpruchloſer, ge- gen mich freundſchaftlich geſinnter Mann war. Auch unterhielt ich woͤchentlich einen Briefwechſel mit der Anno 1809. als Witt- we in Glatz geſtorbnen Generalin v. F. — damaligen Geheimenraͤthin V. — Dieſe außerordentlich gebildete feinſinnige Frau, die uͤber den Buͤchern ihre Wirthſchaft nicht verſaͤumte, beſchaͤftigte ſich und mich durch dieſe Correſpondenz recht nuͤtzlich und ange- nehm, welches letztre auch eine andre Ma- rienwerderſche Dame zu werden ſuchte, es aber nicht ward, obgleich ſie ihrem erſten Mann den Folardſchen Polyb und andere Kriegsbuͤcher vorlas; denn ſie riß in den uͤber ihre Bellonenatur geworfnen, aber nur ge- liehenen, Grazienſchleyer durch ihre Ahnen- ſucht, Wirthſchaftskargheit ſo große Loͤcher, daß jene nur deſto ſichtbarer wurde, und der unweibliche Heroismus und Stolz, den ihr Leſe-Putz- und Umgangsgeſchmack beur- kundete, und der ſie in juͤngern Jahren je- nes loͤbliche Ziel zu erreichen gehindert hatte, hat ſie auch bey grauen Haaren und in einer zweyten Ehe davon entfernt gehalten.
Eine Nebenarbeit machte mir der ver- ſtorbne Generalmajor Graf Bork, der eine
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0190"n="173"/>
dem ein hoͤchſt biedrer und auſpruchloſer, ge-<lb/>
gen mich freundſchaftlich geſinnter Mann<lb/>
war. Auch unterhielt ich woͤchentlich einen<lb/>
Briefwechſel mit der Anno 1809. als Witt-<lb/>
we in Glatz geſtorbnen Generalin v. F. —<lb/>
damaligen Geheimenraͤthin <hirendition="#aq">V.</hi>— Dieſe<lb/>
außerordentlich gebildete feinſinnige Frau,<lb/>
die uͤber den Buͤchern ihre Wirthſchaft nicht<lb/>
verſaͤumte, beſchaͤftigte ſich und mich durch<lb/>
dieſe Correſpondenz recht nuͤtzlich und ange-<lb/>
nehm, welches letztre auch eine andre Ma-<lb/>
rienwerderſche Dame zu werden ſuchte, es<lb/>
aber nicht ward, obgleich ſie ihrem erſten<lb/>
Mann den Folardſchen Polyb und andere<lb/>
Kriegsbuͤcher vorlas; denn ſie riß in den uͤber<lb/>
ihre Bellonenatur geworfnen, aber nur ge-<lb/>
liehenen, Grazienſchleyer durch ihre Ahnen-<lb/>ſucht, Wirthſchaftskargheit ſo große Loͤcher,<lb/>
daß jene nur deſto ſichtbarer wurde, und der<lb/>
unweibliche Heroismus und Stolz, den ihr<lb/>
Leſe-Putz- und Umgangsgeſchmack beur-<lb/>
kundete, und der ſie in juͤngern Jahren je-<lb/>
nes loͤbliche Ziel zu erreichen gehindert hatte,<lb/>
hat ſie auch bey grauen Haaren und in einer<lb/>
zweyten Ehe davon entfernt gehalten.</p><lb/><p>Eine Nebenarbeit machte mir der ver-<lb/>ſtorbne Generalmajor Graf <hirendition="#g">Bork,</hi> der eine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[173/0190]
dem ein hoͤchſt biedrer und auſpruchloſer, ge-
gen mich freundſchaftlich geſinnter Mann
war. Auch unterhielt ich woͤchentlich einen
Briefwechſel mit der Anno 1809. als Witt-
we in Glatz geſtorbnen Generalin v. F. —
damaligen Geheimenraͤthin V. — Dieſe
außerordentlich gebildete feinſinnige Frau,
die uͤber den Buͤchern ihre Wirthſchaft nicht
verſaͤumte, beſchaͤftigte ſich und mich durch
dieſe Correſpondenz recht nuͤtzlich und ange-
nehm, welches letztre auch eine andre Ma-
rienwerderſche Dame zu werden ſuchte, es
aber nicht ward, obgleich ſie ihrem erſten
Mann den Folardſchen Polyb und andere
Kriegsbuͤcher vorlas; denn ſie riß in den uͤber
ihre Bellonenatur geworfnen, aber nur ge-
liehenen, Grazienſchleyer durch ihre Ahnen-
ſucht, Wirthſchaftskargheit ſo große Loͤcher,
daß jene nur deſto ſichtbarer wurde, und der
unweibliche Heroismus und Stolz, den ihr
Leſe-Putz- und Umgangsgeſchmack beur-
kundete, und der ſie in juͤngern Jahren je-
nes loͤbliche Ziel zu erreichen gehindert hatte,
hat ſie auch bey grauen Haaren und in einer
zweyten Ehe davon entfernt gehalten.
Eine Nebenarbeit machte mir der ver-
ſtorbne Generalmajor Graf Bork, der eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/190>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.