Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.damaligen Kammerherrn von Rhüdiger ein *) Jm Jntelligenzblatt einer Literaturzeitung stand vor einiger Zeit, daß Melanchton auch chiroman- tisirt habe, und man suchte aus seinen Briefen darzuthun, er habe dieses nur zum Scherz ge- ther um seinen Freunden gelegentlich etwas an- genehmes sagen zu können. Kann er aber nicht auch im Ernst daran geglaubt haben? Bey Dingen, denen seit vielen Jahrhunderten noch keiner auf die rechte Spur hat kommen können, die doch aber nicht für völlig unwahrscheinlich oder gar unmöglich zu halten sind, ist keinem klugen, und vorzüglich keinem gelehrten Manne zu verdenken, wenn er seinen innern Glauben, seine Ahnung, nicht einstlich geltend zu machen sucht, um seine Klugheit und Gelehrsamkeit nicht um ihren Cre- dit zu bringen. So wenig man Recht hat, auf die Kunst des Luftschiffers, der Physionomik, der Gallschen Schädellehre etc. Verzicht zu thun, so wenig hat man ja auch Ursach auf die Aus- legungsgabe der Handlinien zu verzichten, für die sich mehr Wahrscheinlichkeitsgründe anführen las- sen, als für Kartenlegen und Kaffeegießen, dem M
damaligen Kammerherrn von Rhuͤdiger ein *) Jm Jntelligenzblatt einer Literaturzeitung ſtand vor einiger Zeit, daß Melanchton auch chiroman- tiſirt habe, und man ſuchte aus ſeinen Briefen darzuthun, er habe dieſes nur zum Scherz ge- ther um ſeinen Freunden gelegentlich etwas an- genehmes ſagen zu koͤnnen. Kann er aber nicht auch im Ernſt daran geglaubt haben? Bey Dingen, denen ſeit vielen Jahrhunderten noch keiner auf die rechte Spur hat kommen koͤnnen, die doch aber nicht fuͤr voͤllig unwahrſcheinlich oder gar unmoͤglich zu halten ſind, iſt keinem klugen, und vorzuͤglich keinem gelehrten Manne zu verdenken, wenn er ſeinen innern Glauben, ſeine Ahnung, nicht einſtlich geltend zu machen ſucht, um ſeine Klugheit und Gelehrſamkeit nicht um ihren Cre- dit zu bringen. So wenig man Recht hat, auf die Kunſt des Luftſchiffers, der Phyſionomik, der Gallſchen Schaͤdellehre ꝛc. Verzicht zu thun, ſo wenig hat man ja auch Urſach auf die Aus- legungsgabe der Handlinien zu verzichten, fuͤr die ſich mehr Wahrſcheinlichkeitsgruͤnde anfuͤhren laſ- ſen, als fuͤr Kartenlegen und Kaffeegießen, dem M
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0194" n="177"/> damaligen Kammerherrn von Rhuͤdiger ein<lb/> Paar Begebenheiten voraus, die damals je-<lb/> der ſo unglaublich fand, wie ich ſeine Vor-<lb/> herkuͤndigung, im hohen Alter mit der koͤ-<lb/> niglichen Familie in nahe perſoͤnliche Be-<lb/> kanntſchaft zu kommen, die ſich indeſſen doch<lb/> im Jahr 1806. wirklich ereignete. <note xml:id="seg2pn_16_1" next="#seg2pn_16_2" place="foot" n="*)">Jm Jntelligenzblatt einer Literaturzeitung ſtand<lb/> vor einiger Zeit, daß Melanchton auch chiroman-<lb/> tiſirt habe, und man ſuchte aus ſeinen Briefen<lb/> darzuthun, er habe dieſes nur zum Scherz ge-<lb/> ther um ſeinen Freunden gelegentlich etwas an-<lb/> genehmes ſagen zu koͤnnen. Kann er aber nicht auch<lb/> im Ernſt daran geglaubt haben? Bey Dingen,<lb/> denen ſeit vielen Jahrhunderten noch keiner auf<lb/> die rechte Spur hat kommen koͤnnen, die doch<lb/> aber nicht fuͤr voͤllig unwahrſcheinlich oder gar<lb/> unmoͤglich zu halten ſind, iſt keinem klugen, und<lb/> vorzuͤglich keinem gelehrten Manne zu verdenken,<lb/> wenn er ſeinen innern Glauben, ſeine Ahnung,<lb/> nicht einſtlich geltend zu machen ſucht, um ſeine<lb/> Klugheit und Gelehrſamkeit nicht um ihren Cre-<lb/> dit zu bringen. So wenig man Recht hat, auf die<lb/> Kunſt des Luftſchiffers, der Phyſionomik, der<lb/> Gallſchen Schaͤdellehre ꝛc. Verzicht zu thun, ſo<lb/> wenig hat man ja auch Urſach auf die Aus-<lb/> legungsgabe der Handlinien zu verzichten, fuͤr die<lb/> ſich mehr Wahrſcheinlichkeitsgruͤnde anfuͤhren laſ-<lb/> ſen, als fuͤr Kartenlegen und Kaffeegießen, dem</note></p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">M</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [177/0194]
damaligen Kammerherrn von Rhuͤdiger ein
Paar Begebenheiten voraus, die damals je-
der ſo unglaublich fand, wie ich ſeine Vor-
herkuͤndigung, im hohen Alter mit der koͤ-
niglichen Familie in nahe perſoͤnliche Be-
kanntſchaft zu kommen, die ſich indeſſen doch
im Jahr 1806. wirklich ereignete. *)
*) Jm Jntelligenzblatt einer Literaturzeitung ſtand
vor einiger Zeit, daß Melanchton auch chiroman-
tiſirt habe, und man ſuchte aus ſeinen Briefen
darzuthun, er habe dieſes nur zum Scherz ge-
ther um ſeinen Freunden gelegentlich etwas an-
genehmes ſagen zu koͤnnen. Kann er aber nicht auch
im Ernſt daran geglaubt haben? Bey Dingen,
denen ſeit vielen Jahrhunderten noch keiner auf
die rechte Spur hat kommen koͤnnen, die doch
aber nicht fuͤr voͤllig unwahrſcheinlich oder gar
unmoͤglich zu halten ſind, iſt keinem klugen, und
vorzuͤglich keinem gelehrten Manne zu verdenken,
wenn er ſeinen innern Glauben, ſeine Ahnung,
nicht einſtlich geltend zu machen ſucht, um ſeine
Klugheit und Gelehrſamkeit nicht um ihren Cre-
dit zu bringen. So wenig man Recht hat, auf die
Kunſt des Luftſchiffers, der Phyſionomik, der
Gallſchen Schaͤdellehre ꝛc. Verzicht zu thun, ſo
wenig hat man ja auch Urſach auf die Aus-
legungsgabe der Handlinien zu verzichten, fuͤr die
ſich mehr Wahrſcheinlichkeitsgruͤnde anfuͤhren laſ-
ſen, als fuͤr Kartenlegen und Kaffeegießen, dem
M
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |