Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

bens, daß keine Gegend schön seyn könne
ohne Wasser, nur muß das stehende groß
seyn, das fließende belebt, wenn es auch
klein ist. Auf der See fahren lernt ich aber
so wenig wie Tobakrauchen, die schaukelnde
Bewegung machte mich gleich seekrank, so
daß ich wieder Land suchen mußte.

Der auf Stolzenberg angestellte preußi-
sche Oberpostdirektor Uhl war ein Mann,
dessen Kenntnisse weit über seine Funktion
reichten, und den ich nur selten den Weiß-
blechschild kleinstädtscher Wichtigkeit brauchen
sah, mit dem nur zu oft Officianten ihre
wahre Undedeutenheit zu decken versuchen,
obgleich der Umstand, daß jedermann Fleisch
und Brod haben muß, den Schlächter und
Bäcker nicht zum vornehmen und bedeuten-
den Manne machen kann. Er wußte sich
auf andre Art Achtung und Sicherheit zu
schaffen. Unsre Häuser verbanden sich bald
und sehr freundschaftlich. Wird man gleich
darüber lachen, so muß ich doch erzählen,
daß ich ihn oft aus meiner und anderer
Menschen Handlinien Dinge enträthseln
hörte, die ihres Zutreffens wegen äußerst
befremdeten. Unter andern sagte er dem
verstorbenen Grafen von Krokow und dem

dama-

bens, daß keine Gegend ſchoͤn ſeyn koͤnne
ohne Waſſer, nur muß das ſtehende groß
ſeyn, das fließende belebt, wenn es auch
klein iſt. Auf der See fahren lernt ich aber
ſo wenig wie Tobakrauchen, die ſchaukelnde
Bewegung machte mich gleich ſeekrank, ſo
daß ich wieder Land ſuchen mußte.

Der auf Stolzenberg angeſtellte preußi-
ſche Oberpoſtdirektor Uhl war ein Mann,
deſſen Kenntniſſe weit uͤber ſeine Funktion
reichten, und den ich nur ſelten den Weiß-
blechſchild kleinſtaͤdtſcher Wichtigkeit brauchen
ſah, mit dem nur zu oft Officianten ihre
wahre Undedeutenheit zu decken verſuchen,
obgleich der Umſtand, daß jedermann Fleiſch
und Brod haben muß, den Schlaͤchter und
Baͤcker nicht zum vornehmen und bedeuten-
den Manne machen kann. Er wußte ſich
auf andre Art Achtung und Sicherheit zu
ſchaffen. Unſre Haͤuſer verbanden ſich bald
und ſehr freundſchaftlich. Wird man gleich
daruͤber lachen, ſo muß ich doch erzaͤhlen,
daß ich ihn oft aus meiner und anderer
Menſchen Handlinien Dinge entraͤthſeln
hoͤrte, die ihres Zutreffens wegen aͤußerſt
befremdeten. Unter andern ſagte er dem
verſtorbenen Grafen von Krokow und dem

dama-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0193" n="176"/>
bens, daß keine Gegend &#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;eyn ko&#x0364;nne<lb/>
ohne Wa&#x017F;&#x017F;er, nur muß das &#x017F;tehende groß<lb/>
&#x017F;eyn, das fließende belebt, wenn es auch<lb/>
klein i&#x017F;t. Auf der See fahren lernt ich aber<lb/>
&#x017F;o wenig wie Tobakrauchen, die &#x017F;chaukelnde<lb/>
Bewegung machte mich gleich &#x017F;eekrank, &#x017F;o<lb/>
daß ich wieder Land &#x017F;uchen mußte.</p><lb/>
        <p>Der auf Stolzenberg ange&#x017F;tellte preußi-<lb/>
&#x017F;che Oberpo&#x017F;tdirektor <hi rendition="#g">Uhl</hi> war ein Mann,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Kenntni&#x017F;&#x017F;e weit u&#x0364;ber &#x017F;eine Funktion<lb/>
reichten, und den ich nur &#x017F;elten den Weiß-<lb/>
blech&#x017F;child klein&#x017F;ta&#x0364;dt&#x017F;cher Wichtigkeit brauchen<lb/>
&#x017F;ah, mit dem nur zu oft Officianten ihre<lb/>
wahre Undedeutenheit zu decken ver&#x017F;uchen,<lb/>
obgleich der Um&#x017F;tand, daß jedermann Flei&#x017F;ch<lb/>
und Brod haben muß, den Schla&#x0364;chter und<lb/>
Ba&#x0364;cker nicht zum vornehmen und bedeuten-<lb/>
den Manne machen kann. Er wußte &#x017F;ich<lb/>
auf andre Art Achtung und Sicherheit zu<lb/>
&#x017F;chaffen. Un&#x017F;re Ha&#x0364;u&#x017F;er verbanden &#x017F;ich bald<lb/>
und &#x017F;ehr freund&#x017F;chaftlich. Wird man gleich<lb/>
daru&#x0364;ber lachen, &#x017F;o muß ich doch erza&#x0364;hlen,<lb/>
daß ich ihn oft aus meiner und anderer<lb/>
Men&#x017F;chen Handlinien Dinge entra&#x0364;th&#x017F;eln<lb/>
ho&#x0364;rte, die ihres Zutreffens wegen a&#x0364;ußer&#x017F;t<lb/>
befremdeten. Unter andern &#x017F;agte er dem<lb/>
ver&#x017F;torbenen Grafen von Krokow und dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dama-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0193] bens, daß keine Gegend ſchoͤn ſeyn koͤnne ohne Waſſer, nur muß das ſtehende groß ſeyn, das fließende belebt, wenn es auch klein iſt. Auf der See fahren lernt ich aber ſo wenig wie Tobakrauchen, die ſchaukelnde Bewegung machte mich gleich ſeekrank, ſo daß ich wieder Land ſuchen mußte. Der auf Stolzenberg angeſtellte preußi- ſche Oberpoſtdirektor Uhl war ein Mann, deſſen Kenntniſſe weit uͤber ſeine Funktion reichten, und den ich nur ſelten den Weiß- blechſchild kleinſtaͤdtſcher Wichtigkeit brauchen ſah, mit dem nur zu oft Officianten ihre wahre Undedeutenheit zu decken verſuchen, obgleich der Umſtand, daß jedermann Fleiſch und Brod haben muß, den Schlaͤchter und Baͤcker nicht zum vornehmen und bedeuten- den Manne machen kann. Er wußte ſich auf andre Art Achtung und Sicherheit zu ſchaffen. Unſre Haͤuſer verbanden ſich bald und ſehr freundſchaftlich. Wird man gleich daruͤber lachen, ſo muß ich doch erzaͤhlen, daß ich ihn oft aus meiner und anderer Menſchen Handlinien Dinge entraͤthſeln hoͤrte, die ihres Zutreffens wegen aͤußerſt befremdeten. Unter andern ſagte er dem verſtorbenen Grafen von Krokow und dem dama-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/193
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/193>, abgerufen am 23.11.2024.