die ich aus dem Vaterland her kannte, eine junge Baronesse M. v. Z. -- aus Liefland kennen, die den Raynal, Rousseau, Helvetius, Diderot etc. las. Diese ließ mir 1776. antragen, sie unter vortheil- haften Bedingungen nach Frankreich und England zu begleiten. So sehr ich mich nun auch von jeher nach einer großen Weltbe- schauung gesehnt hatte und mich bald nach Verlassung des Kriegsdienstes schon bey der Gesandschaft nach Schweden wollte anstellen lassen, so war ich doch bey der Ueberzeu- gung, daß zu allen Reisen sehr gute Au- gen und ein gutes Gedächtniß, zu man- chen sogar ein ganz besondrer Verstand und sehr viel Weltklugheit, so wie zu an- dern eine Menge gelehrter Kenntnisse er- forderlich sind, wenn man nicht so wieder- kommen will, wie man ausflog, aus Ge- fühl des Mangels an all diesen Eigenschaf- ten, der bey einer Reise, die man als Be- gleiter unternimmt, sich merklicher zeigt, als bey einer, die man für sich allein macht, -- so klug und behutsam, der jungen schönen Da- me mit solcher Offenheit meine Gedanken über ihr Reiseprojekt zu schreiben, daß sie es selbst einsehen mußte, wie wenig ich zum ge-
die ich aus dem Vaterland her kannte, eine junge Baroneſſe M. v. Z. — aus Liefland kennen, die den Raynal, Rouſſeau, Helvetius, Diderot ꝛc. las. Dieſe ließ mir 1776. antragen, ſie unter vortheil- haften Bedingungen nach Frankreich und England zu begleiten. So ſehr ich mich nun auch von jeher nach einer großen Weltbe- ſchauung geſehnt hatte und mich bald nach Verlaſſung des Kriegsdienſtes ſchon bey der Geſandſchaft nach Schweden wollte anſtellen laſſen, ſo war ich doch bey der Ueberzeu- gung, daß zu allen Reiſen ſehr gute Au- gen und ein gutes Gedaͤchtniß, zu man- chen ſogar ein ganz beſondrer Verſtand und ſehr viel Weltklugheit, ſo wie zu an- dern eine Menge gelehrter Kenntniſſe er- forderlich ſind, wenn man nicht ſo wieder- kommen will, wie man ausflog, aus Ge- fuͤhl des Mangels an all dieſen Eigenſchaf- ten, der bey einer Reiſe, die man als Be- gleiter unternimmt, ſich merklicher zeigt, als bey einer, die man fuͤr ſich allein macht, — ſo klug und behutſam, der jungen ſchoͤnen Da- me mit ſolcher Offenheit meine Gedanken uͤber ihr Reiſeprojekt zu ſchreiben, daß ſie es ſelbſt einſehen mußte, wie wenig ich zum ge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0202"n="185"/>
die ich aus dem Vaterland her kannte, eine<lb/>
junge Baroneſſe M. v. Z. — aus Liefland<lb/>
kennen, die den <hirendition="#g">Raynal, Rouſſeau,<lb/>
Helvetius, Diderot</hi>ꝛc. las. Dieſe<lb/>
ließ mir 1776. antragen, ſie unter vortheil-<lb/>
haften Bedingungen nach Frankreich und<lb/>
England zu begleiten. So ſehr ich mich nun<lb/>
auch von jeher nach einer großen Weltbe-<lb/>ſchauung geſehnt hatte und mich bald nach<lb/>
Verlaſſung des Kriegsdienſtes ſchon bey der<lb/>
Geſandſchaft nach Schweden wollte anſtellen<lb/>
laſſen, ſo war ich doch bey der Ueberzeu-<lb/>
gung, daß zu <hirendition="#g">allen</hi> Reiſen ſehr gute Au-<lb/>
gen und ein gutes Gedaͤchtniß, <hirendition="#g">zu man-<lb/>
chen</hi>ſogar ein ganz <hirendition="#g">beſondrer</hi> Verſtand<lb/>
und ſehr viel Weltklugheit, ſo wie zu <hirendition="#g">an-<lb/>
dern</hi> eine Menge gelehrter Kenntniſſe er-<lb/>
forderlich ſind, wenn man nicht ſo wieder-<lb/>
kommen will, wie man ausflog, aus Ge-<lb/>
fuͤhl des Mangels an all dieſen Eigenſchaf-<lb/>
ten, der bey einer Reiſe, die man als Be-<lb/>
gleiter unternimmt, ſich merklicher zeigt, als<lb/>
bey einer, die man fuͤr ſich allein macht, —ſo<lb/>
klug und behutſam, der jungen ſchoͤnen Da-<lb/>
me mit ſolcher Offenheit meine Gedanken<lb/>
uͤber ihr Reiſeprojekt zu ſchreiben, daß ſie es<lb/>ſelbſt einſehen mußte, wie wenig ich zum ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[185/0202]
die ich aus dem Vaterland her kannte, eine
junge Baroneſſe M. v. Z. — aus Liefland
kennen, die den Raynal, Rouſſeau,
Helvetius, Diderot ꝛc. las. Dieſe
ließ mir 1776. antragen, ſie unter vortheil-
haften Bedingungen nach Frankreich und
England zu begleiten. So ſehr ich mich nun
auch von jeher nach einer großen Weltbe-
ſchauung geſehnt hatte und mich bald nach
Verlaſſung des Kriegsdienſtes ſchon bey der
Geſandſchaft nach Schweden wollte anſtellen
laſſen, ſo war ich doch bey der Ueberzeu-
gung, daß zu allen Reiſen ſehr gute Au-
gen und ein gutes Gedaͤchtniß, zu man-
chen ſogar ein ganz beſondrer Verſtand
und ſehr viel Weltklugheit, ſo wie zu an-
dern eine Menge gelehrter Kenntniſſe er-
forderlich ſind, wenn man nicht ſo wieder-
kommen will, wie man ausflog, aus Ge-
fuͤhl des Mangels an all dieſen Eigenſchaf-
ten, der bey einer Reiſe, die man als Be-
gleiter unternimmt, ſich merklicher zeigt, als
bey einer, die man fuͤr ſich allein macht, — ſo
klug und behutſam, der jungen ſchoͤnen Da-
me mit ſolcher Offenheit meine Gedanken
uͤber ihr Reiſeprojekt zu ſchreiben, daß ſie es
ſelbſt einſehen mußte, wie wenig ich zum ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/202>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.