Luxus mischt, der von jeher der Volksaus- bildung hinderlich war. Was ich von den Russen in meinen frühern Jahren und Anno 1807 -- 1814. gesehen und gehört habe, bringt mich zu keiner Abänderung mei- nes Misfallens an ihnen, und wunderte es mich daher, als ich des Herrn von Kotzebue feindselige Aeußerung gegen D. Müllers St. Petersburg las, der ihnen gewiß mehr Gutes und Schönes nachsagt, als sie verdienen, und viel Böses verschweigt, was vorzüglich die höhern Classen an sich haben. Wenn man eine Nation sich unterwegens schlecht aufführen sieht, wie bey den Rück- märschen der Russen häufig der Fall gewe- sen, so scheint es um ihre inländische Mo- ralität auch wohl nicht sonderlich zu stehen. Wenn ich indessen auch glaube, daß viel Böses in Rußland fest bleiben und das Imitatorum servum genus sich dort einhei- misch erhalten werde, so hab ich doch -- als die Franzosen in Königsberg waren, zu manches großer Verwunderung behauptet, die Russen würden einst noch mit ihrer Ruß- heit die Franzosen niedertreten, und was am Ende des Jahres 1812. geschehen ist, hat meine Bemerkung nicht Lügen gestraft;
Luxus miſcht, der von jeher der Volksaus- bildung hinderlich war. Was ich von den Ruſſen in meinen fruͤhern Jahren und Anno 1807 — 1814. geſehen und gehoͤrt habe, bringt mich zu keiner Abaͤnderung mei- nes Misfallens an ihnen, und wunderte es mich daher, als ich des Herrn von Kotzebue feindſelige Aeußerung gegen D. Muͤllers St. Petersburg las, der ihnen gewiß mehr Gutes und Schoͤnes nachſagt, als ſie verdienen, und viel Boͤſes verſchweigt, was vorzuͤglich die hoͤhern Claſſen an ſich haben. Wenn man eine Nation ſich unterwegens ſchlecht auffuͤhren ſieht, wie bey den Ruͤck- maͤrſchen der Ruſſen haͤufig der Fall gewe- ſen, ſo ſcheint es um ihre inlaͤndiſche Mo- ralitaͤt auch wohl nicht ſonderlich zu ſtehen. Wenn ich indeſſen auch glaube, daß viel Boͤſes in Rußland feſt bleiben und das Imitatorum ſervum genus ſich dort einhei- miſch erhalten werde, ſo hab ich doch — als die Franzoſen in Koͤnigsberg waren, zu manches großer Verwunderung behauptet, die Ruſſen wuͤrden einſt noch mit ihrer Ruß- heit die Franzoſen niedertreten, und was am Ende des Jahres 1812. geſchehen iſt, hat meine Bemerkung nicht Luͤgen geſtraft;
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0207"n="190"/>
Luxus miſcht, der von jeher der Volksaus-<lb/>
bildung hinderlich war. Was ich von den<lb/>
Ruſſen in meinen fruͤhern Jahren und<lb/>
Anno 1807 — 1814. geſehen und gehoͤrt<lb/>
habe, bringt mich zu keiner Abaͤnderung mei-<lb/>
nes Misfallens an ihnen, und wunderte es<lb/>
mich daher, als ich des Herrn von Kotzebue<lb/>
feindſelige Aeußerung gegen D. <hirendition="#g">Muͤllers<lb/>
St. Petersburg</hi> las, der ihnen gewiß<lb/>
mehr Gutes und Schoͤnes nachſagt, als ſie<lb/>
verdienen, und viel Boͤſes verſchweigt, was<lb/>
vorzuͤglich die hoͤhern Claſſen an ſich haben.<lb/>
Wenn man eine Nation ſich unterwegens<lb/>ſchlecht auffuͤhren ſieht, wie bey den Ruͤck-<lb/>
maͤrſchen der Ruſſen haͤufig der Fall gewe-<lb/>ſen, ſo ſcheint es um ihre inlaͤndiſche Mo-<lb/>
ralitaͤt auch wohl nicht ſonderlich zu ſtehen.<lb/>
Wenn ich indeſſen auch glaube, daß viel<lb/>
Boͤſes in Rußland feſt bleiben und das<lb/><hirendition="#aq">Imitatorum ſervum genus</hi>ſich dort einhei-<lb/>
miſch erhalten werde, ſo hab ich doch —<lb/>
als die Franzoſen in Koͤnigsberg waren, zu<lb/>
manches großer Verwunderung behauptet,<lb/>
die Ruſſen wuͤrden einſt noch mit ihrer Ruß-<lb/>
heit die Franzoſen niedertreten, und was<lb/>
am Ende des Jahres 1812. geſchehen iſt,<lb/>
hat meine Bemerkung nicht Luͤgen geſtraft;<lb/></p></div></body></text></TEI>
[190/0207]
Luxus miſcht, der von jeher der Volksaus-
bildung hinderlich war. Was ich von den
Ruſſen in meinen fruͤhern Jahren und
Anno 1807 — 1814. geſehen und gehoͤrt
habe, bringt mich zu keiner Abaͤnderung mei-
nes Misfallens an ihnen, und wunderte es
mich daher, als ich des Herrn von Kotzebue
feindſelige Aeußerung gegen D. Muͤllers
St. Petersburg las, der ihnen gewiß
mehr Gutes und Schoͤnes nachſagt, als ſie
verdienen, und viel Boͤſes verſchweigt, was
vorzuͤglich die hoͤhern Claſſen an ſich haben.
Wenn man eine Nation ſich unterwegens
ſchlecht auffuͤhren ſieht, wie bey den Ruͤck-
maͤrſchen der Ruſſen haͤufig der Fall gewe-
ſen, ſo ſcheint es um ihre inlaͤndiſche Mo-
ralitaͤt auch wohl nicht ſonderlich zu ſtehen.
Wenn ich indeſſen auch glaube, daß viel
Boͤſes in Rußland feſt bleiben und das
Imitatorum ſervum genus ſich dort einhei-
miſch erhalten werde, ſo hab ich doch —
als die Franzoſen in Koͤnigsberg waren, zu
manches großer Verwunderung behauptet,
die Ruſſen wuͤrden einſt noch mit ihrer Ruß-
heit die Franzoſen niedertreten, und was
am Ende des Jahres 1812. geſchehen iſt,
hat meine Bemerkung nicht Luͤgen geſtraft;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/207>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.