Mann von sehr richtigem Verstande, aber großem Eigensinn war, sich im Gespräch eine besondre Rauhigkeit und in Dienstgeschäf- ten eine solche Zögerung angewöhnt hatte, daß ich mir einmal die Freyheit nahm, sei- nen Arbeitstisch mit einem Leichenhause zu vergleichen, indem sich an den Akten erst Verwesungszeichen äußern müßten, ehe man sie ins Registraturgrab legte. Diesen bewog ich von seiner, auch jetzt noch bey vielen geltenden Meinung, daß Kirchen nie ihr Geld zur Verbesserung der Schulen hergeben müßten, abzugehen und aus der Casse der Kirche, bey welcher ich Obervorsteher war, jährlich 40 Thlr. zu Prämien für fleißige Lehrer und Schüler des Kirchspiels zu be- willigen. Der Kirche selbst schenkte ich eine ziemliche Anzahl Bücher, zu deren Vermeh- rung die Oberbehörde gleichfalls eine kleine Summe für jedes Jahr anwieß, daß also der Grünhaynsche Prediger, so wie die um- liegenden, Gelegenheit haben, recht gute Bü- cher, zu denen unter andern die vollständige Allgemeine deutsche Bibliothek, die Krünitzi- sche Encyclopädie, Schröckhs Kirchenge- schichte etc. gehören, zu lesen.
Mann von ſehr richtigem Verſtande, aber großem Eigenſinn war, ſich im Geſpraͤch eine beſondre Rauhigkeit und in Dienſtgeſchaͤf- ten eine ſolche Zoͤgerung angewoͤhnt hatte, daß ich mir einmal die Freyheit nahm, ſei- nen Arbeitstiſch mit einem Leichenhauſe zu vergleichen, indem ſich an den Akten erſt Verweſungszeichen aͤußern muͤßten, ehe man ſie ins Regiſtraturgrab legte. Dieſen bewog ich von ſeiner, auch jetzt noch bey vielen geltenden Meinung, daß Kirchen nie ihr Geld zur Verbeſſerung der Schulen hergeben muͤßten, abzugehen und aus der Caſſe der Kirche, bey welcher ich Obervorſteher war, jaͤhrlich 40 Thlr. zu Praͤmien fuͤr fleißige Lehrer und Schuͤler des Kirchſpiels zu be- willigen. Der Kirche ſelbſt ſchenkte ich eine ziemliche Anzahl Buͤcher, zu deren Vermeh- rung die Oberbehoͤrde gleichfalls eine kleine Summe fuͤr jedes Jahr anwieß, daß alſo der Gruͤnhaynſche Prediger, ſo wie die um- liegenden, Gelegenheit haben, recht gute Buͤ- cher, zu denen unter andern die vollſtaͤndige Allgemeine deutſche Bibliothek, die Kruͤnitzi- ſche Encyclopaͤdie, Schroͤckhs Kirchenge- ſchichte ꝛc. gehoͤren, zu leſen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0221"n="204"/>
Mann von ſehr richtigem Verſtande, aber<lb/>
großem Eigenſinn war, ſich im Geſpraͤch eine<lb/>
beſondre Rauhigkeit und in Dienſtgeſchaͤf-<lb/>
ten eine ſolche Zoͤgerung angewoͤhnt hatte,<lb/>
daß ich mir einmal die Freyheit nahm, ſei-<lb/>
nen Arbeitstiſch mit einem Leichenhauſe zu<lb/>
vergleichen, indem ſich an den Akten erſt<lb/>
Verweſungszeichen aͤußern muͤßten, ehe man<lb/>ſie ins Regiſtraturgrab legte. Dieſen bewog<lb/>
ich von ſeiner, auch jetzt noch bey vielen<lb/>
geltenden Meinung, daß Kirchen nie ihr<lb/>
Geld zur Verbeſſerung der Schulen hergeben<lb/>
muͤßten, abzugehen und aus der Caſſe der<lb/>
Kirche, bey welcher ich Obervorſteher war,<lb/>
jaͤhrlich 40 Thlr. zu Praͤmien fuͤr fleißige<lb/>
Lehrer und Schuͤler des Kirchſpiels zu be-<lb/>
willigen. Der Kirche ſelbſt ſchenkte ich eine<lb/>
ziemliche Anzahl Buͤcher, zu deren Vermeh-<lb/>
rung die Oberbehoͤrde gleichfalls eine kleine<lb/>
Summe fuͤr jedes Jahr anwieß, daß alſo<lb/>
der Gruͤnhaynſche Prediger, ſo wie die um-<lb/>
liegenden, Gelegenheit haben, recht gute Buͤ-<lb/>
cher, zu denen unter andern die vollſtaͤndige<lb/>
Allgemeine deutſche Bibliothek, die Kruͤnitzi-<lb/>ſche Encyclopaͤdie, Schroͤckhs Kirchenge-<lb/>ſchichte ꝛc. gehoͤren, zu leſen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[204/0221]
Mann von ſehr richtigem Verſtande, aber
großem Eigenſinn war, ſich im Geſpraͤch eine
beſondre Rauhigkeit und in Dienſtgeſchaͤf-
ten eine ſolche Zoͤgerung angewoͤhnt hatte,
daß ich mir einmal die Freyheit nahm, ſei-
nen Arbeitstiſch mit einem Leichenhauſe zu
vergleichen, indem ſich an den Akten erſt
Verweſungszeichen aͤußern muͤßten, ehe man
ſie ins Regiſtraturgrab legte. Dieſen bewog
ich von ſeiner, auch jetzt noch bey vielen
geltenden Meinung, daß Kirchen nie ihr
Geld zur Verbeſſerung der Schulen hergeben
muͤßten, abzugehen und aus der Caſſe der
Kirche, bey welcher ich Obervorſteher war,
jaͤhrlich 40 Thlr. zu Praͤmien fuͤr fleißige
Lehrer und Schuͤler des Kirchſpiels zu be-
willigen. Der Kirche ſelbſt ſchenkte ich eine
ziemliche Anzahl Buͤcher, zu deren Vermeh-
rung die Oberbehoͤrde gleichfalls eine kleine
Summe fuͤr jedes Jahr anwieß, daß alſo
der Gruͤnhaynſche Prediger, ſo wie die um-
liegenden, Gelegenheit haben, recht gute Buͤ-
cher, zu denen unter andern die vollſtaͤndige
Allgemeine deutſche Bibliothek, die Kruͤnitzi-
ſche Encyclopaͤdie, Schroͤckhs Kirchenge-
ſchichte ꝛc. gehoͤren, zu leſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/221>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.