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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Mann von sehr richtigem Verstande, aber
großem Eigensinn war, sich im Gespräch eine
besondre Rauhigkeit und in Dienstgeschäf-
ten eine solche Zögerung angewöhnt hatte,
daß ich mir einmal die Freyheit nahm, sei-
nen Arbeitstisch mit einem Leichenhause zu
vergleichen, indem sich an den Akten erst
Verwesungszeichen äußern müßten, ehe man
sie ins Registraturgrab legte. Diesen bewog
ich von seiner, auch jetzt noch bey vielen
geltenden Meinung, daß Kirchen nie ihr
Geld zur Verbesserung der Schulen hergeben
müßten, abzugehen und aus der Casse der
Kirche, bey welcher ich Obervorsteher war,
jährlich 40 Thlr. zu Prämien für fleißige
Lehrer und Schüler des Kirchspiels zu be-
willigen. Der Kirche selbst schenkte ich eine
ziemliche Anzahl Bücher, zu deren Vermeh-
rung die Oberbehörde gleichfalls eine kleine
Summe für jedes Jahr anwieß, daß also
der Grünhaynsche Prediger, so wie die um-
liegenden, Gelegenheit haben, recht gute Bü-
cher, zu denen unter andern die vollständige
Allgemeine deutsche Bibliothek, die Krünitzi-
sche Encyclopädie, Schröckhs Kirchenge-
schichte etc. gehören, zu lesen.

Mann von ſehr richtigem Verſtande, aber
großem Eigenſinn war, ſich im Geſpraͤch eine
beſondre Rauhigkeit und in Dienſtgeſchaͤf-
ten eine ſolche Zoͤgerung angewoͤhnt hatte,
daß ich mir einmal die Freyheit nahm, ſei-
nen Arbeitstiſch mit einem Leichenhauſe zu
vergleichen, indem ſich an den Akten erſt
Verweſungszeichen aͤußern muͤßten, ehe man
ſie ins Regiſtraturgrab legte. Dieſen bewog
ich von ſeiner, auch jetzt noch bey vielen
geltenden Meinung, daß Kirchen nie ihr
Geld zur Verbeſſerung der Schulen hergeben
muͤßten, abzugehen und aus der Caſſe der
Kirche, bey welcher ich Obervorſteher war,
jaͤhrlich 40 Thlr. zu Praͤmien fuͤr fleißige
Lehrer und Schuͤler des Kirchſpiels zu be-
willigen. Der Kirche ſelbſt ſchenkte ich eine
ziemliche Anzahl Buͤcher, zu deren Vermeh-
rung die Oberbehoͤrde gleichfalls eine kleine
Summe fuͤr jedes Jahr anwieß, daß alſo
der Gruͤnhaynſche Prediger, ſo wie die um-
liegenden, Gelegenheit haben, recht gute Buͤ-
cher, zu denen unter andern die vollſtaͤndige
Allgemeine deutſche Bibliothek, die Kruͤnitzi-
ſche Encyclopaͤdie, Schroͤckhs Kirchenge-
ſchichte ꝛc. gehoͤren, zu leſen.

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[204/0221] Mann von ſehr richtigem Verſtande, aber großem Eigenſinn war, ſich im Geſpraͤch eine beſondre Rauhigkeit und in Dienſtgeſchaͤf- ten eine ſolche Zoͤgerung angewoͤhnt hatte, daß ich mir einmal die Freyheit nahm, ſei- nen Arbeitstiſch mit einem Leichenhauſe zu vergleichen, indem ſich an den Akten erſt Verweſungszeichen aͤußern muͤßten, ehe man ſie ins Regiſtraturgrab legte. Dieſen bewog ich von ſeiner, auch jetzt noch bey vielen geltenden Meinung, daß Kirchen nie ihr Geld zur Verbeſſerung der Schulen hergeben muͤßten, abzugehen und aus der Caſſe der Kirche, bey welcher ich Obervorſteher war, jaͤhrlich 40 Thlr. zu Praͤmien fuͤr fleißige Lehrer und Schuͤler des Kirchſpiels zu be- willigen. Der Kirche ſelbſt ſchenkte ich eine ziemliche Anzahl Buͤcher, zu deren Vermeh- rung die Oberbehoͤrde gleichfalls eine kleine Summe fuͤr jedes Jahr anwieß, daß alſo der Gruͤnhaynſche Prediger, ſo wie die um- liegenden, Gelegenheit haben, recht gute Buͤ- cher, zu denen unter andern die vollſtaͤndige Allgemeine deutſche Bibliothek, die Kruͤnitzi- ſche Encyclopaͤdie, Schroͤckhs Kirchenge- ſchichte ꝛc. gehoͤren, zu leſen.

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/221>, abgerufen am 21.11.2024.