dern Geschlecht seinen Hang zum Gesprächig- seyn. Jch erinnre mich in des einst berühmten Robinet Buche de la Nature gelesen zu ha- ben: es sey die Neigung zum Vielreden den Weibern darum anerschaffen, damit den Kindern durch solches Wortwasser das Ver- dauen der ersten Begriffe erleichtert werde, wozu der kindliche Verstandchylus ohne die mütterliche Zungenergiebigkeit nicht zulangen dürfte.
Was aber der Geschwätzigkeit sowohl, als dem Gesange eine besondre Anmuth verleiht, und wodurch beyde erst recht wirksam wer- den können, ist die Freundlichkeit, ohne die kein Weib ein rechtes Weib seyn, oder als solches einen Mann beglücken kann. Auf Gewöhnung zur Freundlichkeit und Hei- terkeit müßte man daher bey der Mädchen- erziehung von Kindesbeinen an bedacht seyn, denn es liegt in ihnen ein Hauptmittel zur Erreichung und Dauer ehelicher Glückselig- keit und ununterbrochener Hausfreuden. Jhre Milde hält den männlichen Ernst ab, Dürre, Strenge, oder gar Eis zu werden, und die sanfte Luft eines freundlichen weib- lichen Gesichts befördert das Wachsthum aller Lebenspflanzungen.
dern Geſchlecht ſeinen Hang zum Geſpraͤchig- ſeyn. Jch erinnre mich in des einſt beruͤhmten Robinet Buche de la Nature geleſen zu ha- ben: es ſey die Neigung zum Vielreden den Weibern darum anerſchaffen, damit den Kindern durch ſolches Wortwaſſer das Ver- dauen der erſten Begriffe erleichtert werde, wozu der kindliche Verſtandchylus ohne die muͤtterliche Zungenergiebigkeit nicht zulangen duͤrfte.
Was aber der Geſchwaͤtzigkeit ſowohl, als dem Geſange eine beſondre Anmuth verleiht, und wodurch beyde erſt recht wirkſam wer- den koͤnnen, iſt die Freundlichkeit, ohne die kein Weib ein rechtes Weib ſeyn, oder als ſolches einen Mann begluͤcken kann. Auf Gewoͤhnung zur Freundlichkeit und Hei- terkeit muͤßte man daher bey der Maͤdchen- erziehung von Kindesbeinen an bedacht ſeyn, denn es liegt in ihnen ein Hauptmittel zur Erreichung und Dauer ehelicher Gluͤckſelig- keit und ununterbrochener Hausfreuden. Jhre Milde haͤlt den maͤnnlichen Ernſt ab, Duͤrre, Strenge, oder gar Eis zu werden, und die ſanfte Luft eines freundlichen weib- lichen Geſichts befoͤrdert das Wachsthum aller Lebenspflanzungen.
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dern Geſchlecht ſeinen Hang zum Geſpraͤchig-
ſeyn. Jch erinnre mich in des einſt beruͤhmten
Robinet Buche de la Nature geleſen zu ha-
ben: es ſey die Neigung zum Vielreden
den Weibern darum anerſchaffen, damit den
Kindern durch ſolches Wortwaſſer das Ver-
dauen der erſten Begriffe erleichtert werde,
wozu der kindliche Verſtandchylus ohne die
muͤtterliche Zungenergiebigkeit nicht zulangen
duͤrfte.
Was aber der Geſchwaͤtzigkeit ſowohl, als
dem Geſange eine beſondre Anmuth verleiht,
und wodurch beyde erſt recht wirkſam wer-
den koͤnnen, iſt die Freundlichkeit, ohne
die kein Weib ein rechtes Weib ſeyn, oder
als ſolches einen Mann begluͤcken kann.
Auf Gewoͤhnung zur Freundlichkeit und Hei-
terkeit muͤßte man daher bey der Maͤdchen-
erziehung von Kindesbeinen an bedacht ſeyn,
denn es liegt in ihnen ein Hauptmittel zur
Erreichung und Dauer ehelicher Gluͤckſelig-
keit und ununterbrochener Hausfreuden.
Jhre Milde haͤlt den maͤnnlichen Ernſt ab,
Duͤrre, Strenge, oder gar Eis zu werden,
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/25>, abgerufen am 23.11.2024.
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