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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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daran Gefallen finden, oder ihn deshalb nö-
thig haben werden.

Mein beynahe einziges Lesebuch war die
Bibel, in der meinen Kindskopf die Pro-
pheten, die Psalmen und die Offenbarung
Johannis vorzüglich anzogen. Da ich diese
Liebhaberey an sehr vielen Kindern wahrge-
nommen, so erkläre ich sie mir aus der
Sympathie ihrer eignen dunkeln Begriffe,
unbeschränkten Phantasie und Leidenschaften
mit den ähnlichen dieser Schriftsteller, die
sie mit Vorbedacht in so wunderbaren Bil-
dern, mit so heftigen Ausdrücken äußerten.
Wirkliche Kinder sind kleine Kinder, die
Dichter sind große, die aber desto schlech-
ter gerathen, je mehr sie es den wirklich
kleinen nachthun wollen, ohne ihre Un-
schuld und Rücksichtlosigkeit zu haben.

Die Frage: ob beym frühesten christlicheu
Unterricht es anräthlicher sey, das Alte Te-
stament oder das Neue zuerst zu gebrauchen,
verdiente wohl von erfahrnen Erziehern nä-
her untersucht zu werden, wenn sie nicht
etwa dadurch schon entschieden ist, daß bey
vorsichtiger Auswahl durch das mehr
Sinnliche des Alten Testaments leichter auf
die auch mehr sinnlichen Kinder gewirkt wer-

daran Gefallen finden, oder ihn deshalb noͤ-
thig haben werden.

Mein beynahe einziges Leſebuch war die
Bibel, in der meinen Kindskopf die Pro-
pheten, die Pſalmen und die Offenbarung
Johannis vorzuͤglich anzogen. Da ich dieſe
Liebhaberey an ſehr vielen Kindern wahrge-
nommen, ſo erklaͤre ich ſie mir aus der
Sympathie ihrer eignen dunkeln Begriffe,
unbeſchraͤnkten Phantaſie und Leidenſchaften
mit den aͤhnlichen dieſer Schriftſteller, die
ſie mit Vorbedacht in ſo wunderbaren Bil-
dern, mit ſo heftigen Ausdruͤcken aͤußerten.
Wirkliche Kinder ſind kleine Kinder, die
Dichter ſind große, die aber deſto ſchlech-
ter gerathen, je mehr ſie es den wirklich
kleinen nachthun wollen, ohne ihre Un-
ſchuld und Ruͤckſichtloſigkeit zu haben.

Die Frage: ob beym fruͤheſten chriſtlicheu
Unterricht es anraͤthlicher ſey, das Alte Te-
ſtament oder das Neue zuerſt zu gebrauchen,
verdiente wohl von erfahrnen Erziehern naͤ-
her unterſucht zu werden, wenn ſie nicht
etwa dadurch ſchon entſchieden iſt, daß bey
vorſichtiger Auswahl durch das mehr
Sinnliche des Alten Teſtaments leichter auf
die auch mehr ſinnlichen Kinder gewirkt wer-

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[11/0028] daran Gefallen finden, oder ihn deshalb noͤ- thig haben werden. Mein beynahe einziges Leſebuch war die Bibel, in der meinen Kindskopf die Pro- pheten, die Pſalmen und die Offenbarung Johannis vorzuͤglich anzogen. Da ich dieſe Liebhaberey an ſehr vielen Kindern wahrge- nommen, ſo erklaͤre ich ſie mir aus der Sympathie ihrer eignen dunkeln Begriffe, unbeſchraͤnkten Phantaſie und Leidenſchaften mit den aͤhnlichen dieſer Schriftſteller, die ſie mit Vorbedacht in ſo wunderbaren Bil- dern, mit ſo heftigen Ausdruͤcken aͤußerten. Wirkliche Kinder ſind kleine Kinder, die Dichter ſind große, die aber deſto ſchlech- ter gerathen, je mehr ſie es den wirklich kleinen nachthun wollen, ohne ihre Un- ſchuld und Ruͤckſichtloſigkeit zu haben. Die Frage: ob beym fruͤheſten chriſtlicheu Unterricht es anraͤthlicher ſey, das Alte Te- ſtament oder das Neue zuerſt zu gebrauchen, verdiente wohl von erfahrnen Erziehern naͤ- her unterſucht zu werden, wenn ſie nicht etwa dadurch ſchon entſchieden iſt, daß bey vorſichtiger Auswahl durch das mehr Sinnliche des Alten Teſtaments leichter auf die auch mehr ſinnlichen Kinder gewirkt wer-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/28>, abgerufen am 21.11.2024.