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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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werfen beschäftigt fand. Nach Zigeuner-
weise liebkosete sie mich, bat sich mein Händ-
chen aus, und noch jetzt hör ich sie sagen:
Hüten sie sich doch sehr vor dem Wasser,
eine Linie sagt, sie werden ersaufen. So
natürlich sich nun auch diese Prophezeyhung
der bettelnden Pythonisse erklären läßt, so
wandelt mich doch jedesmal, wenn ich über
Eis gehe oder fahre, eine kleine Furcht an,
und ich vermeid es gern.

Mein Vater, der eine gute Hand schrieb,
wie mein Herausgeber sich aus einigen auf-
behaltenen Briefen überzeugen wird, unter-
richtete mich im Schreiben und Rechnen,
welcher Unterricht aber sehr oft unterbro-
chen wurde, weil er die Jagd liebte und
wegen seiner Wirthschaftskenntnisse von den
vornehmsten Gütherbesitzern zu Jnspectionen,
Veranschlagungen etc. gebraucht wurde. Für
mein damaliges Alter schrieb und rechnete
ich gut genug, mein Lesen war sehr deutlich,
und in spätern Jahren hat mich vielfältige
Erfahrung überzeugt, daß, wer eine gute
Hand schreibt, mit gehörigem Ton zu lesen
und fertig zu rechnen versteht, nie seines
Lebensunterhalts wegen besorgt seyn darf,
indem er immer Personen finden wird, die

werfen beſchaͤftigt fand. Nach Zigeuner-
weiſe liebkoſete ſie mich, bat ſich mein Haͤnd-
chen aus, und noch jetzt hoͤr ich ſie ſagen:
Huͤten ſie ſich doch ſehr vor dem Waſſer,
eine Linie ſagt, ſie werden erſaufen. So
natuͤrlich ſich nun auch dieſe Prophezeyhung
der bettelnden Pythoniſſe erklaͤren laͤßt, ſo
wandelt mich doch jedesmal, wenn ich uͤber
Eis gehe oder fahre, eine kleine Furcht an,
und ich vermeid es gern.

Mein Vater, der eine gute Hand ſchrieb,
wie mein Herausgeber ſich aus einigen auf-
behaltenen Briefen uͤberzeugen wird, unter-
richtete mich im Schreiben und Rechnen,
welcher Unterricht aber ſehr oft unterbro-
chen wurde, weil er die Jagd liebte und
wegen ſeiner Wirthſchaftskenntniſſe von den
vornehmſten Guͤtherbeſitzern zu Jnſpectionen,
Veranſchlagungen ꝛc. gebraucht wurde. Fuͤr
mein damaliges Alter ſchrieb und rechnete
ich gut genug, mein Leſen war ſehr deutlich,
und in ſpaͤtern Jahren hat mich vielfaͤltige
Erfahrung uͤberzeugt, daß, wer eine gute
Hand ſchreibt, mit gehoͤrigem Ton zu leſen
und fertig zu rechnen verſteht, nie ſeines
Lebensunterhalts wegen beſorgt ſeyn darf,
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[10/0027] werfen beſchaͤftigt fand. Nach Zigeuner- weiſe liebkoſete ſie mich, bat ſich mein Haͤnd- chen aus, und noch jetzt hoͤr ich ſie ſagen: Huͤten ſie ſich doch ſehr vor dem Waſſer, eine Linie ſagt, ſie werden erſaufen. So natuͤrlich ſich nun auch dieſe Prophezeyhung der bettelnden Pythoniſſe erklaͤren laͤßt, ſo wandelt mich doch jedesmal, wenn ich uͤber Eis gehe oder fahre, eine kleine Furcht an, und ich vermeid es gern. Mein Vater, der eine gute Hand ſchrieb, wie mein Herausgeber ſich aus einigen auf- behaltenen Briefen uͤberzeugen wird, unter- richtete mich im Schreiben und Rechnen, welcher Unterricht aber ſehr oft unterbro- chen wurde, weil er die Jagd liebte und wegen ſeiner Wirthſchaftskenntniſſe von den vornehmſten Guͤtherbeſitzern zu Jnſpectionen, Veranſchlagungen ꝛc. gebraucht wurde. Fuͤr mein damaliges Alter ſchrieb und rechnete ich gut genug, mein Leſen war ſehr deutlich, und in ſpaͤtern Jahren hat mich vielfaͤltige Erfahrung uͤberzeugt, daß, wer eine gute Hand ſchreibt, mit gehoͤrigem Ton zu leſen und fertig zu rechnen verſteht, nie ſeines Lebensunterhalts wegen beſorgt ſeyn darf, indem er immer Perſonen finden wird, die

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/27>, abgerufen am 23.11.2024.