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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Stelle, und der Staub auf Napoleons Büste
konnte zeugen, daß ich ihn nicht erst in den
letzten Tagen zum Schutzheiligen hingesetzt
hatte. Die deponirten Ballen meines Freun-
des L'Estocq waren an den Wänden meines
Saales, in dem ein Billiard stand, aufge-
stapelt, weil kein anderer Raum für sie war.
Jch wartete ruhig ab, was kommen würde,
und dachte, im schlimmsten Falle kann es
doch bey deinem Alter nicht lange währen;
außerdem hab ich durch Kummer- und Sor-
genpränumeration nie meine Freudenein-
nahme geschwächt. Viele, die ich vom Glau-
ben an göttliche Vorsehung strotzen gesehen,
sah ich in dieser Zeit am meisten für Gut und
Blut zittern, weil ihr Zutrauen nur auf
den Lippen geschwebt hatte. Der Ton wah-
rer Ergebung in den Willen Gottes klingt
im Herzen ganz anders, als der Nachklaug
der Straßenleyer äußerer Frömmigkeit. Oft
ist es rathsam, seine Jmagination höchstmög-
lich steigen zu lassen, um eine Höhe zu er-
reichen, die eine große Uebersicht gestattet,
denn auf der höchsten muß doch alles gut
erscheinen, weil im Ganzen alles gut ist.

Mein Hauswirth, der Banquedirektor
Crüger hatte den Artilleriegeneral Son-

Stelle, und der Staub auf Napoleons Buͤſte
konnte zeugen, daß ich ihn nicht erſt in den
letzten Tagen zum Schutzheiligen hingeſetzt
hatte. Die deponirten Ballen meines Freun-
des L’Eſtocq waren an den Waͤnden meines
Saales, in dem ein Billiard ſtand, aufge-
ſtapelt, weil kein anderer Raum fuͤr ſie war.
Jch wartete ruhig ab, was kommen wuͤrde,
und dachte, im ſchlimmſten Falle kann es
doch bey deinem Alter nicht lange waͤhren;
außerdem hab ich durch Kummer- und Sor-
genpraͤnumeration nie meine Freudenein-
nahme geſchwaͤcht. Viele, die ich vom Glau-
ben an goͤttliche Vorſehung ſtrotzen geſehen,
ſah ich in dieſer Zeit am meiſten fuͤr Gut und
Blut zittern, weil ihr Zutrauen nur auf
den Lippen geſchwebt hatte. Der Ton wah-
rer Ergebung in den Willen Gottes klingt
im Herzen ganz anders, als der Nachklaug
der Straßenleyer aͤußerer Froͤmmigkeit. Oft
iſt es rathſam, ſeine Jmagination hoͤchſtmoͤg-
lich ſteigen zu laſſen, um eine Hoͤhe zu er-
reichen, die eine große Ueberſicht geſtattet,
denn auf der hoͤchſten muß doch alles gut
erſcheinen, weil im Ganzen alles gut iſt.

Mein Hauswirth, der Banquedirektor
Cruͤger hatte den Artilleriegeneral Son-

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[270/0287] Stelle, und der Staub auf Napoleons Buͤſte konnte zeugen, daß ich ihn nicht erſt in den letzten Tagen zum Schutzheiligen hingeſetzt hatte. Die deponirten Ballen meines Freun- des L’Eſtocq waren an den Waͤnden meines Saales, in dem ein Billiard ſtand, aufge- ſtapelt, weil kein anderer Raum fuͤr ſie war. Jch wartete ruhig ab, was kommen wuͤrde, und dachte, im ſchlimmſten Falle kann es doch bey deinem Alter nicht lange waͤhren; außerdem hab ich durch Kummer- und Sor- genpraͤnumeration nie meine Freudenein- nahme geſchwaͤcht. Viele, die ich vom Glau- ben an goͤttliche Vorſehung ſtrotzen geſehen, ſah ich in dieſer Zeit am meiſten fuͤr Gut und Blut zittern, weil ihr Zutrauen nur auf den Lippen geſchwebt hatte. Der Ton wah- rer Ergebung in den Willen Gottes klingt im Herzen ganz anders, als der Nachklaug der Straßenleyer aͤußerer Froͤmmigkeit. Oft iſt es rathſam, ſeine Jmagination hoͤchſtmoͤg- lich ſteigen zu laſſen, um eine Hoͤhe zu er- reichen, die eine große Ueberſicht geſtattet, denn auf der hoͤchſten muß doch alles gut erſcheinen, weil im Ganzen alles gut iſt. Mein Hauswirth, der Banquedirektor Cruͤger hatte den Artilleriegeneral Son-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/287>, abgerufen am 27.11.2024.