Hier sah ich auch den Revue haltenden Kaiser, aber nicht ganz in der Nähe, um- geben von seinen stets mit tiefster Ehrfurcht sich ihm nahenden Feldobersten. Seine kör- perliche Stellung und Haltung hatte etwas ähnliches mit der des Königs Friedrich II. Er ließ das Soultsche Corps bey sich vor- bey marschiren, und aus seinem öftern Gäh- nen schloß ich, daß ihm selbst die Zeit da- bey lang wurde. Wenn die Zuschauer sich zu weit vordrängten, wurden sie von rei- tenden Husaren mit einem en arriere ganz bescheiden zurück gewiesen. Alle Abtheilun- gen riefen auf einen Säbelwink des Anfüh- rers ihr vive l'empereur, nur zwey unter- ließen es, und der Kaiser that so, als ob er es gar nicht bemerkte. Bey der Rück- kehr aus dem Lager ritt Napoleon einige Schritte vor der ihm folgenden sehr großen Officiermenge im gestreckten Galop bis an die Stadt.
Sollte man mir die Frage vorlegen, ob man recht daran thue, die Franzosen und besonders ihren Kaiser zu hassen und zu ver- fluchen, so würd' ich unbefangen antworten, es sey nach gehöriger Absonderung aller ab- scheulichen, nicht zum Wesen der Sache
gehö-
Hier ſah ich auch den Revue haltenden Kaiſer, aber nicht ganz in der Naͤhe, um- geben von ſeinen ſtets mit tiefſter Ehrfurcht ſich ihm nahenden Feldoberſten. Seine koͤr- perliche Stellung und Haltung hatte etwas aͤhnliches mit der des Koͤnigs Friedrich II. Er ließ das Soultſche Corps bey ſich vor- bey marſchiren, und aus ſeinem oͤftern Gaͤh- nen ſchloß ich, daß ihm ſelbſt die Zeit da- bey lang wurde. Wenn die Zuſchauer ſich zu weit vordraͤngten, wurden ſie von rei- tenden Huſaren mit einem en arriére ganz beſcheiden zuruͤck gewieſen. Alle Abtheilun- gen riefen auf einen Saͤbelwink des Anfuͤh- rers ihr vive l’empereur, nur zwey unter- ließen es, und der Kaiſer that ſo, als ob er es gar nicht bemerkte. Bey der Ruͤck- kehr aus dem Lager ritt Napoleon einige Schritte vor der ihm folgenden ſehr großen Officiermenge im geſtreckten Galop bis an die Stadt.
Sollte man mir die Frage vorlegen, ob man recht daran thue, die Franzoſen und beſonders ihren Kaiſer zu haſſen und zu ver- fluchen, ſo wuͤrd’ ich unbefangen antworten, es ſey nach gehoͤriger Abſonderung aller ab- ſcheulichen, nicht zum Weſen der Sache
gehoͤ-
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Hier ſah ich auch den Revue haltenden
Kaiſer, aber nicht ganz in der Naͤhe, um-
geben von ſeinen ſtets mit tiefſter Ehrfurcht
ſich ihm nahenden Feldoberſten. Seine koͤr-
perliche Stellung und Haltung hatte etwas
aͤhnliches mit der des Koͤnigs Friedrich II.
Er ließ das Soultſche Corps bey ſich vor-
bey marſchiren, und aus ſeinem oͤftern Gaͤh-
nen ſchloß ich, daß ihm ſelbſt die Zeit da-
bey lang wurde. Wenn die Zuſchauer ſich
zu weit vordraͤngten, wurden ſie von rei-
tenden Huſaren mit einem en arriére ganz
beſcheiden zuruͤck gewieſen. Alle Abtheilun-
gen riefen auf einen Saͤbelwink des Anfuͤh-
rers ihr vive l’empereur, nur zwey unter-
ließen es, und der Kaiſer that ſo, als ob
er es gar nicht bemerkte. Bey der Ruͤck-
kehr aus dem Lager ritt Napoleon einige
Schritte vor der ihm folgenden ſehr großen
Officiermenge im geſtreckten Galop bis an
die Stadt.
Sollte man mir die Frage vorlegen, ob
man recht daran thue, die Franzoſen und
beſonders ihren Kaiſer zu haſſen und zu ver-
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es ſey nach gehoͤriger Abſonderung aller ab-
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/289>, abgerufen am 27.11.2024.
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