so glaubte ich nicht, daß er zurückkommen würde, und als ich ihn lange nachher ein- mal fragte, wie er eine solche wirkliche Be- leidigung habe verzeihen können, versicherte er mich, seine Liebe zum Dienst und die Ueberzeugung, daß er manches Gute würde stiften können, habe ihm keinen Augenblick die Wiederannahme bedenklich gemacht, er sey daher mit der größten Freywilligkeit, und mit den besten Hoffnungen zurückge- kommen, deren Erfüllung er aber schon an diesem Gesprächabend im Garten stark be- zweifelte.
Da ich mit diesem kräftigen Mann einige Monate nachbarlich umgegangen bin, so würd' es unrecht seyn, wenn ich nicht auch über ihn etwas sagte. Jn vielen Stücken war er ganz anders wie der Minister Har- denberg, den er in wissenschaftlicher Bildung, vielleicht aber nicht in der Schreibkunst über- traf; mit dem Minister Struensee hatte er manches gemein. Sein Ueberblick und Er- fassen des Ganzen waren ausgezeichnet, al- lein die Lebhaftigkeit seines Geistes und eine gewisse leidenschaftliche Hitze hielten ihn oft von der, bey der Ausführung bisweilen sehr nöthigen Scrupulosität ab, so wie von der
ſo glaubte ich nicht, daß er zuruͤckkommen wuͤrde, und als ich ihn lange nachher ein- mal fragte, wie er eine ſolche wirkliche Be- leidigung habe verzeihen koͤnnen, verſicherte er mich, ſeine Liebe zum Dienſt und die Ueberzeugung, daß er manches Gute wuͤrde ſtiften koͤnnen, habe ihm keinen Augenblick die Wiederannahme bedenklich gemacht, er ſey daher mit der groͤßten Freywilligkeit, und mit den beſten Hoffnungen zuruͤckge- kommen, deren Erfuͤllung er aber ſchon an dieſem Geſpraͤchabend im Garten ſtark be- zweifelte.
Da ich mit dieſem kraͤftigen Mann einige Monate nachbarlich umgegangen bin, ſo wuͤrd’ es unrecht ſeyn, wenn ich nicht auch uͤber ihn etwas ſagte. Jn vielen Stuͤcken war er ganz anders wie der Miniſter Har- denberg, den er in wiſſenſchaftlicher Bildung, vielleicht aber nicht in der Schreibkunſt uͤber- traf; mit dem Miniſter Struenſee hatte er manches gemein. Sein Ueberblick und Er- faſſen des Ganzen waren ausgezeichnet, al- lein die Lebhaftigkeit ſeines Geiſtes und eine gewiſſe leidenſchaftliche Hitze hielten ihn oft von der, bey der Ausfuͤhrung bisweilen ſehr noͤthigen Scrupuloſitaͤt ab, ſo wie von der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0297"n="280"/>ſo glaubte ich nicht, daß er zuruͤckkommen<lb/>
wuͤrde, und als ich ihn lange nachher ein-<lb/>
mal fragte, wie er eine ſolche wirkliche Be-<lb/>
leidigung habe verzeihen koͤnnen, verſicherte<lb/>
er mich, ſeine Liebe zum Dienſt und die<lb/>
Ueberzeugung, daß er manches Gute wuͤrde<lb/>ſtiften koͤnnen, habe ihm keinen Augenblick<lb/>
die Wiederannahme bedenklich gemacht, er<lb/>ſey daher mit der groͤßten Freywilligkeit,<lb/>
und mit den beſten Hoffnungen zuruͤckge-<lb/>
kommen, deren Erfuͤllung er aber ſchon an<lb/>
dieſem Geſpraͤchabend im Garten ſtark be-<lb/>
zweifelte.</p><lb/><p>Da ich mit dieſem kraͤftigen Mann einige<lb/>
Monate nachbarlich umgegangen bin, ſo<lb/>
wuͤrd’ es unrecht ſeyn, wenn ich nicht auch<lb/>
uͤber ihn etwas ſagte. Jn vielen Stuͤcken<lb/>
war er ganz anders wie der Miniſter Har-<lb/>
denberg, den er in wiſſenſchaftlicher Bildung,<lb/>
vielleicht aber nicht in der Schreibkunſt uͤber-<lb/>
traf; mit dem Miniſter Struenſee hatte er<lb/>
manches gemein. Sein Ueberblick und Er-<lb/>
faſſen des Ganzen waren ausgezeichnet, al-<lb/>
lein die Lebhaftigkeit ſeines Geiſtes und eine<lb/>
gewiſſe leidenſchaftliche Hitze hielten ihn oft<lb/>
von der, bey der Ausfuͤhrung bisweilen ſehr<lb/>
noͤthigen Scrupuloſitaͤt ab, ſo wie von der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[280/0297]
ſo glaubte ich nicht, daß er zuruͤckkommen
wuͤrde, und als ich ihn lange nachher ein-
mal fragte, wie er eine ſolche wirkliche Be-
leidigung habe verzeihen koͤnnen, verſicherte
er mich, ſeine Liebe zum Dienſt und die
Ueberzeugung, daß er manches Gute wuͤrde
ſtiften koͤnnen, habe ihm keinen Augenblick
die Wiederannahme bedenklich gemacht, er
ſey daher mit der groͤßten Freywilligkeit,
und mit den beſten Hoffnungen zuruͤckge-
kommen, deren Erfuͤllung er aber ſchon an
dieſem Geſpraͤchabend im Garten ſtark be-
zweifelte.
Da ich mit dieſem kraͤftigen Mann einige
Monate nachbarlich umgegangen bin, ſo
wuͤrd’ es unrecht ſeyn, wenn ich nicht auch
uͤber ihn etwas ſagte. Jn vielen Stuͤcken
war er ganz anders wie der Miniſter Har-
denberg, den er in wiſſenſchaftlicher Bildung,
vielleicht aber nicht in der Schreibkunſt uͤber-
traf; mit dem Miniſter Struenſee hatte er
manches gemein. Sein Ueberblick und Er-
faſſen des Ganzen waren ausgezeichnet, al-
lein die Lebhaftigkeit ſeines Geiſtes und eine
gewiſſe leidenſchaftliche Hitze hielten ihn oft
von der, bey der Ausfuͤhrung bisweilen ſehr
noͤthigen Scrupuloſitaͤt ab, ſo wie von der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/297>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.