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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Lebrüns leidenschaftliche Gesichter nach-
zeichnen konnte. Zu letzterm hatte ich so
große Lust, daß ich zwey Jahre beym bloßen
Zeichnen aushielt, ohne nach dem die Kin-
der sonst so sehr anlockenden Mahlen mit
Farben zu gelüsten. Vielleicht ist mein rich-
tiges Urtheil über die Zeichnung eines Ge-
mähldes, das selbst Oesern an mir auffiel,
eine Folge dieses ersten Unterrichts, den ich
aber in spätern Jahren gar nicht fortgesetzt
habe.

Ein Ruf zur Advocatur in Riga machte
mich endlich los von meinem Geisteshenker,
der, wenn er seinen hochrothen Rock mit
silberbesponnenen Knöpfen *) anhatte, mir
wie Satan aus Fausts, mir damals wohl-
bekannten, aber noch von keinem Göthe be-

beiten sehr bekannt gewordne G. S. Bayer, der
bey hiesiger Universität als Professor stand, aus
Mangel an Unterhalt nach Petersburg ging, wo
er bey der Academie sehr geschätzt wurde.
*) Heute den 9. Oct. 1814. las ich Rousseaus Con-
fessionen, wo er im 2ten Buche S. 104. vom
Herrn Basile sagt: Je le vois comme s'il entroit
actuellement en habit d'ecarlate a boutons d'or,
couleur que j'ai prise en aversion depuis ce
jour. la.

Lebruͤns leidenſchaftliche Geſichter nach-
zeichnen konnte. Zu letzterm hatte ich ſo
große Luſt, daß ich zwey Jahre beym bloßen
Zeichnen aushielt, ohne nach dem die Kin-
der ſonſt ſo ſehr anlockenden Mahlen mit
Farben zu geluͤſten. Vielleicht iſt mein rich-
tiges Urtheil uͤber die Zeichnung eines Ge-
maͤhldes, das ſelbſt Oeſern an mir auffiel,
eine Folge dieſes erſten Unterrichts, den ich
aber in ſpaͤtern Jahren gar nicht fortgeſetzt
habe.

Ein Ruf zur Advocatur in Riga machte
mich endlich los von meinem Geiſteshenker,
der, wenn er ſeinen hochrothen Rock mit
ſilberbeſponnenen Knoͤpfen *) anhatte, mir
wie Satan aus Fauſts, mir damals wohl-
bekannten, aber noch von keinem Goͤthe be-

beiten ſehr bekannt gewordne G. S. Bayer, der
bey hieſiger Univerſitaͤt als Profeſſor ſtand, aus
Mangel an Unterhalt nach Petersburg ging, wo
er bey der Academie ſehr geſchaͤtzt wurde.
*) Heute den 9. Oct. 1814. las ich Rouſſeaus Con-
feſſionen, wo er im 2ten Buche S. 104. vom
Herrn Baſile ſagt: Je le vois comme s’il entroit
actuellement en habit d’ecarlate à boutons d’or,
couleur que j’ai priſe en averſion depuis ce
jour. là.
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[14/0031] Lebruͤns leidenſchaftliche Geſichter nach- zeichnen konnte. Zu letzterm hatte ich ſo große Luſt, daß ich zwey Jahre beym bloßen Zeichnen aushielt, ohne nach dem die Kin- der ſonſt ſo ſehr anlockenden Mahlen mit Farben zu geluͤſten. Vielleicht iſt mein rich- tiges Urtheil uͤber die Zeichnung eines Ge- maͤhldes, das ſelbſt Oeſern an mir auffiel, eine Folge dieſes erſten Unterrichts, den ich aber in ſpaͤtern Jahren gar nicht fortgeſetzt habe. Ein Ruf zur Advocatur in Riga machte mich endlich los von meinem Geiſteshenker, der, wenn er ſeinen hochrothen Rock mit ſilberbeſponnenen Knoͤpfen *) anhatte, mir wie Satan aus Fauſts, mir damals wohl- bekannten, aber noch von keinem Goͤthe be- *) *) Heute den 9. Oct. 1814. las ich Rouſſeaus Con- feſſionen, wo er im 2ten Buche S. 104. vom Herrn Baſile ſagt: Je le vois comme s’il entroit actuellement en habit d’ecarlate à boutons d’or, couleur que j’ai priſe en averſion depuis ce jour. là. *) beiten ſehr bekannt gewordne G. S. Bayer, der bey hieſiger Univerſitaͤt als Profeſſor ſtand, aus Mangel an Unterhalt nach Petersburg ging, wo er bey der Academie ſehr geſchaͤtzt wurde.

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/31>, abgerufen am 21.11.2024.