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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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"wonnen Spiel, dieser kleinliche Geist, wo
"er vorherrscht, kann zu den unterhalten-
"den Gesellschafften bilden, erstickt und be-
"schränkt aber fast unfehlbar den lebendigen
"Sinn für das Edle und Höhere."

Vielleicht ist es bloße Chimäre, daß
mein Herz von keinem Menschen, wenn ich
auch noch so viel Gutes und Schönes von
ihm lese oder höre, recht Notiz nimmt,
bevor ich ihn nicht selbst nahbey gesehen:
der französische Dichter du Rozay mag wohl
eben den Whim gehabt haben, denn er
sagt irgendwo: L'ami n'aime un ami, qu'a-
lors qu'il le connoit;
das connoit er-
kläre ich von den leiblichen Augen, weil es
sonst zu trivial wäre. Diesem Halten auf
Ocular-Jnspektion ungeachtet, hab ich mich
einigemal häßlich getäuscht, theils weil ich
mich auf fremde, öftere Besichtigung zu viel
verlassen, theils weil ich auf einem sonst
reinen Gesicht das Händchen nicht be-
merkt, das die Natur am Rande beygesetzt
hatte, wie sonst in alten gedruckten Büchern
bey merkwerthen Stellen zu geschehen pflegt.
Mein Glaube an die Wahrheit der Phy-
siognomik ist aber deshalb nicht verschwun-
den, so weit ich übrigens entfernt bin, La-

„wonnen Spiel, dieſer kleinliche Geiſt, wo
„er vorherrſcht, kann zu den unterhalten-
„den Geſellſchafften bilden, erſtickt und be-
„ſchraͤnkt aber faſt unfehlbar den lebendigen
„Sinn fuͤr das Edle und Hoͤhere.“

Vielleicht iſt es bloße Chimaͤre, daß
mein Herz von keinem Menſchen, wenn ich
auch noch ſo viel Gutes und Schoͤnes von
ihm leſe oder hoͤre, recht Notiz nimmt,
bevor ich ihn nicht ſelbſt nahbey geſehen:
der franzoͤſiſche Dichter du Rozay mag wohl
eben den Whim gehabt haben, denn er
ſagt irgendwo: L’ami n’aime un ami, qu’a-
lors qu’il le connoit;
das connoit er-
klaͤre ich von den leiblichen Augen, weil es
ſonſt zu trivial waͤre. Dieſem Halten auf
Ocular-Jnſpektion ungeachtet, hab ich mich
einigemal haͤßlich getaͤuſcht, theils weil ich
mich auf fremde, oͤftere Beſichtigung zu viel
verlaſſen, theils weil ich auf einem ſonſt
reinen Geſicht das Haͤndchen nicht be-
merkt, das die Natur am Rande beygeſetzt
hatte, wie ſonſt in alten gedruckten Buͤchern
bey merkwerthen Stellen zu geſchehen pflegt.
Mein Glaube an die Wahrheit der Phy-
ſiognomik iſt aber deshalb nicht verſchwun-
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[342/0359] „wonnen Spiel, dieſer kleinliche Geiſt, wo „er vorherrſcht, kann zu den unterhalten- „den Geſellſchafften bilden, erſtickt und be- „ſchraͤnkt aber faſt unfehlbar den lebendigen „Sinn fuͤr das Edle und Hoͤhere.“ Vielleicht iſt es bloße Chimaͤre, daß mein Herz von keinem Menſchen, wenn ich auch noch ſo viel Gutes und Schoͤnes von ihm leſe oder hoͤre, recht Notiz nimmt, bevor ich ihn nicht ſelbſt nahbey geſehen: der franzoͤſiſche Dichter du Rozay mag wohl eben den Whim gehabt haben, denn er ſagt irgendwo: L’ami n’aime un ami, qu’a- lors qu’il le connoit; das connoit er- klaͤre ich von den leiblichen Augen, weil es ſonſt zu trivial waͤre. Dieſem Halten auf Ocular-Jnſpektion ungeachtet, hab ich mich einigemal haͤßlich getaͤuſcht, theils weil ich mich auf fremde, oͤftere Beſichtigung zu viel verlaſſen, theils weil ich auf einem ſonſt reinen Geſicht das Haͤndchen nicht be- merkt, das die Natur am Rande beygeſetzt hatte, wie ſonſt in alten gedruckten Buͤchern bey merkwerthen Stellen zu geſchehen pflegt. Mein Glaube an die Wahrheit der Phy- ſiognomik iſt aber deshalb nicht verſchwun- den, ſo weit ich uͤbrigens entfernt bin, La-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/359>, abgerufen am 23.11.2024.