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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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vaters Grundsätze alle anzunehmen; viel-
mehr ist eben dieses Glaubens wegen mir
meine Kurzsichtigkeit, der ich aber durch das
mir auch jetzt noch auffallende immerwäh-
rende Brillentragen einiger Nasen nicht ab-
helfen mag, sehr beschwerlich, da sie mich
in der Gesellschaft an der Gesichterlektüre
hindert und mir es auch nie erlauben wird,
Erfahrungen zur Bestätigung der Schädel-
lehre des D. Gall zu machen, die ich, so
wie die Luftschifferey und den animalischen
Magnetismus für Erfindungen halte, durch
welche man in der Folge gewiß große Fort-
schritte in den wichtigsten Dingen machen
wird.

Ueber Menschengesichter hab' ich ein
beßres Gedächtniß, als über die schönsten
Gegenden und Gemälde, welche ich daher
leicht und oft beynah ganz vergessen habe.

Hören konnt' ich in meinen jüngern
Jahren unglaublich scharf, um so empfind-
licher ist mir die Harthörigkeit, die mich in
der Nacht vom 25. August 1804. auf ein-
mal befiel und mir einen unangenehmen
Strich durch meine gesellschaftlichen Genüsse
und Mittheilungen machte, dessen Wegschaf-
fung nicht mehr zu hoffen ist, da er immer

vaters Grundſaͤtze alle anzunehmen; viel-
mehr iſt eben dieſes Glaubens wegen mir
meine Kurzſichtigkeit, der ich aber durch das
mir auch jetzt noch auffallende immerwaͤh-
rende Brillentragen einiger Naſen nicht ab-
helfen mag, ſehr beſchwerlich, da ſie mich
in der Geſellſchaft an der Geſichterlektuͤre
hindert und mir es auch nie erlauben wird,
Erfahrungen zur Beſtaͤtigung der Schaͤdel-
lehre des D. Gall zu machen, die ich, ſo
wie die Luftſchifferey und den animaliſchen
Magnetismus fuͤr Erfindungen halte, durch
welche man in der Folge gewiß große Fort-
ſchritte in den wichtigſten Dingen machen
wird.

Ueber Menſchengeſichter hab’ ich ein
beßres Gedaͤchtniß, als uͤber die ſchoͤnſten
Gegenden und Gemaͤlde, welche ich daher
leicht und oft beynah ganz vergeſſen habe.

Hoͤren konnt’ ich in meinen juͤngern
Jahren unglaublich ſcharf, um ſo empfind-
licher iſt mir die Harthoͤrigkeit, die mich in
der Nacht vom 25. Auguſt 1804. auf ein-
mal befiel und mir einen unangenehmen
Strich durch meine geſellſchaftlichen Genuͤſſe
und Mittheilungen machte, deſſen Wegſchaf-
fung nicht mehr zu hoffen iſt, da er immer

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[343/0360] vaters Grundſaͤtze alle anzunehmen; viel- mehr iſt eben dieſes Glaubens wegen mir meine Kurzſichtigkeit, der ich aber durch das mir auch jetzt noch auffallende immerwaͤh- rende Brillentragen einiger Naſen nicht ab- helfen mag, ſehr beſchwerlich, da ſie mich in der Geſellſchaft an der Geſichterlektuͤre hindert und mir es auch nie erlauben wird, Erfahrungen zur Beſtaͤtigung der Schaͤdel- lehre des D. Gall zu machen, die ich, ſo wie die Luftſchifferey und den animaliſchen Magnetismus fuͤr Erfindungen halte, durch welche man in der Folge gewiß große Fort- ſchritte in den wichtigſten Dingen machen wird. Ueber Menſchengeſichter hab’ ich ein beßres Gedaͤchtniß, als uͤber die ſchoͤnſten Gegenden und Gemaͤlde, welche ich daher leicht und oft beynah ganz vergeſſen habe. Hoͤren konnt’ ich in meinen juͤngern Jahren unglaublich ſcharf, um ſo empfind- licher iſt mir die Harthoͤrigkeit, die mich in der Nacht vom 25. Auguſt 1804. auf ein- mal befiel und mir einen unangenehmen Strich durch meine geſellſchaftlichen Genuͤſſe und Mittheilungen machte, deſſen Wegſchaf- fung nicht mehr zu hoffen iſt, da er immer

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/360>, abgerufen am 23.11.2024.