Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.frage bey Mitschülern, die des Lateins zwar *) Der damalige Prorektor und als Doctor der
Theologie und Consistorialrath gestorbne Pi- sansky schien mir den Gipfel aller Wissen- schaft und besonders der Latinität erreicht zu ha- ben, denn er sagte lange Stellen aus dem Virgil etc. auswendig her, konnte uns, wenn wir lateinische Verse an der schwarzen Tafel in Ordnung brin- gen sollten, oder gar selbst welche machen muß- ten, mit seiner Sylbenmaaskenntniß, gleich einem lebendigen Gradus ad Parnassum, aus den Scan- sionsnöthen helfen, wußte alles gleich auf deutsch zu sagen; kurz, es floß ihm vom Munde jede Rede wie Wasser, seine Muse stand bey der ganzen Stadt in großem Rufe, und auch ich hab' ihm recht vieles zu verdanken. frage bey Mitſchuͤlern, die des Lateins zwar *) Der damalige Prorektor und als Doctor der
Theologie und Conſiſtorialrath geſtorbne Pi- ſansky ſchien mir den Gipfel aller Wiſſen- ſchaft und beſonders der Latinitaͤt erreicht zu ha- ben, denn er ſagte lange Stellen aus dem Virgil ꝛc. auswendig her, konnte uns, wenn wir lateiniſche Verſe an der ſchwarzen Tafel in Ordnung brin- gen ſollten, oder gar ſelbſt welche machen muß- ten, mit ſeiner Sylbenmaaskenntniß, gleich einem lebendigen Gradus ad Parnaſſum, aus den Scan- ſionsnoͤthen helfen, wußte alles gleich auf deutſch zu ſagen; kurz, es floß ihm vom Munde jede Rede wie Waſſer, ſeine Muſe ſtand bey der ganzen Stadt in großem Rufe, und auch ich hab’ ihm recht vieles zu verdanken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="22"/> frage bey Mitſchuͤlern, die des Lateins zwar<lb/> unkundiger, ſonſt aber viel erfahrner waren<lb/> wie ich, naͤher auf die Spur zu kommen. <note place="foot" n="*)">Der damalige Prorektor und als Doctor der<lb/> Theologie und Conſiſtorialrath geſtorbne <hi rendition="#g">Pi-<lb/> ſansky</hi> ſchien mir den Gipfel aller Wiſſen-<lb/> ſchaft und beſonders der Latinitaͤt erreicht zu ha-<lb/> ben, denn er ſagte lange Stellen aus dem Virgil ꝛc.<lb/> auswendig her, konnte uns, wenn wir lateiniſche<lb/> Verſe an der ſchwarzen Tafel in Ordnung brin-<lb/> gen ſollten, oder gar ſelbſt welche machen muß-<lb/> ten, mit ſeiner Sylbenmaaskenntniß, gleich einem<lb/> lebendigen <hi rendition="#aq">Gradus ad Parnaſſum,</hi> aus den Scan-<lb/> ſionsnoͤthen helfen, wußte alles gleich auf deutſch<lb/> zu ſagen; kurz, es floß ihm vom Munde jede<lb/> Rede wie <hi rendition="#g">Waſſer,</hi> ſeine Muſe ſtand bey der<lb/> ganzen Stadt in großem Rufe, und auch ich hab’<lb/> ihm recht vieles zu verdanken.</note><lb/> Wem Umſtaͤnde es nicht erlauben, ſeine<lb/> Kinder den Privatunterricht mit dem Beſuch<lb/> einer oͤffentlichen Schule verbinden zu laſſen,<lb/> wird meines Erachtens immer wohl thun,<lb/> wenn er auf den haͤuslichen den oͤffentlichen<lb/> folgen laͤßt; umgekehrt duͤrfte es nicht ſo<lb/> vortheilhaft ſeyn. Beym bloßen Privatun-<lb/> terricht laͤßt ſich ſchwerlich eine große Ein-<lb/> ſeitigkeit vermeiden, die einen ins ſpaͤte Le-<lb/> ben, wo die Beruͤhrungspunkte mit allerley<lb/> Menſchen ſo vielfaͤltig ſind, begleitet. Das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0039]
frage bey Mitſchuͤlern, die des Lateins zwar
unkundiger, ſonſt aber viel erfahrner waren
wie ich, naͤher auf die Spur zu kommen. *)
Wem Umſtaͤnde es nicht erlauben, ſeine
Kinder den Privatunterricht mit dem Beſuch
einer oͤffentlichen Schule verbinden zu laſſen,
wird meines Erachtens immer wohl thun,
wenn er auf den haͤuslichen den oͤffentlichen
folgen laͤßt; umgekehrt duͤrfte es nicht ſo
vortheilhaft ſeyn. Beym bloßen Privatun-
terricht laͤßt ſich ſchwerlich eine große Ein-
ſeitigkeit vermeiden, die einen ins ſpaͤte Le-
ben, wo die Beruͤhrungspunkte mit allerley
Menſchen ſo vielfaͤltig ſind, begleitet. Das
*) Der damalige Prorektor und als Doctor der
Theologie und Conſiſtorialrath geſtorbne Pi-
ſansky ſchien mir den Gipfel aller Wiſſen-
ſchaft und beſonders der Latinitaͤt erreicht zu ha-
ben, denn er ſagte lange Stellen aus dem Virgil ꝛc.
auswendig her, konnte uns, wenn wir lateiniſche
Verſe an der ſchwarzen Tafel in Ordnung brin-
gen ſollten, oder gar ſelbſt welche machen muß-
ten, mit ſeiner Sylbenmaaskenntniß, gleich einem
lebendigen Gradus ad Parnaſſum, aus den Scan-
ſionsnoͤthen helfen, wußte alles gleich auf deutſch
zu ſagen; kurz, es floß ihm vom Munde jede
Rede wie Waſſer, ſeine Muſe ſtand bey der
ganzen Stadt in großem Rufe, und auch ich hab’
ihm recht vieles zu verdanken.
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