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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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zu entfernt zu stehen scheint, es überdem
mehr eine Gefühls- als eine Verstandssache
seyn dürfte, den rechten Punkt zur Abfas-
sung eines richtigen Urtheils hierin zu tref-
fen. Ehrlich versichern kann ich indessen,
daß ich das langsame Sterben nicht aus
Neigung zur Lebensverlängerung vorziehe --
ihm aber die Schmerzlosigkeit zur Conditio
sine qua non
mache, denn um dem Schmerz
auszuweichen, kann kein Tod zu schnell
kommen. -- *)

*)
Wenn alles ganz so käme,
Wie du gewollt es hast,
Und Gott dir gar nichts nähme
Und gäb dir keine Last,
Wie wär's dann um dein Sterben,
Du Menschenkind, bestellt?
Du möchtest fast verderben,
So lieb wär dir die Welt.
Nun fällt eins nach dem andern,
Manch süßes Band dir ab,
Und heiter kannst du wandern
Gen Himmel durch das Grab.
Dein Zagen ist gebrochen,
Und deine Seele hofft.
Das ward schon oft gesprochen
Doch spricht man's nie zu oft.

De la Motte Fouque.

zu entfernt zu ſtehen ſcheint, es uͤberdem
mehr eine Gefuͤhls- als eine Verſtandsſache
ſeyn duͤrfte, den rechten Punkt zur Abfaſ-
ſung eines richtigen Urtheils hierin zu tref-
fen. Ehrlich verſichern kann ich indeſſen,
daß ich das langſame Sterben nicht aus
Neigung zur Lebensverlaͤngerung vorziehe —
ihm aber die Schmerzloſigkeit zur Conditio
ſine qua non
mache, denn um dem Schmerz
auszuweichen, kann kein Tod zu ſchnell
kommen. — *)

*)
Wenn alles ganz ſo kaͤme,
Wie du gewollt es haſt,
Und Gott dir gar nichts naͤhme
Und gaͤb dir keine Laſt,
Wie waͤr’s dann um dein Sterben,
Du Menſchenkind, beſtellt?
Du moͤchteſt faſt verderben,
So lieb waͤr dir die Welt.
Nun faͤllt eins nach dem andern,
Manch ſuͤßes Band dir ab,
Und heiter kannſt du wandern
Gen Himmel durch das Grab.
Dein Zagen iſt gebrochen,
Und deine Seele hofft.
Das ward ſchon oft geſprochen
Doch ſpricht man’s nie zu oft.

De la Motte Fouqué.
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[424/0441] zu entfernt zu ſtehen ſcheint, es uͤberdem mehr eine Gefuͤhls- als eine Verſtandsſache ſeyn duͤrfte, den rechten Punkt zur Abfaſ- ſung eines richtigen Urtheils hierin zu tref- fen. Ehrlich verſichern kann ich indeſſen, daß ich das langſame Sterben nicht aus Neigung zur Lebensverlaͤngerung vorziehe — ihm aber die Schmerzloſigkeit zur Conditio ſine qua non mache, denn um dem Schmerz auszuweichen, kann kein Tod zu ſchnell kommen. — *) *) Wenn alles ganz ſo kaͤme, Wie du gewollt es haſt, Und Gott dir gar nichts naͤhme Und gaͤb dir keine Laſt, Wie waͤr’s dann um dein Sterben, Du Menſchenkind, beſtellt? Du moͤchteſt faſt verderben, So lieb waͤr dir die Welt. Nun faͤllt eins nach dem andern, Manch ſuͤßes Band dir ab, Und heiter kannſt du wandern Gen Himmel durch das Grab. Dein Zagen iſt gebrochen, Und deine Seele hofft. Das ward ſchon oft geſprochen Doch ſpricht man’s nie zu oft. De la Motte Fouqué.

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/441>, abgerufen am 22.11.2024.