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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Stellungen, mehr innre Hochhebung erfor-
dert, als die Schauspielkunst nöthig hat.
Als Zuschauer Jhrer Merope bin ich in
diesem Glauben bestärkt, die so ausgeübte
mimische Kunst reißt leicht ins forte, wo
man mit dem piano besser auskommen würde
-- der in der mimischen Kunst erlangte
Meistergrad wird sie um so mehr hindern, ihn
auch in dem heroischen Schauspiel zu erhal-
ten, als es mir geschienen, und aus der Art,
wie ich sie ernsthafte und scherzhafte Stücke
aus Göthe, Schiller, Voß etc., decla-
miren gehört und gesehen habe, noch klarer
geworden, die Natur habe sie zur großen
komischen Schauspielerin geboren werden
lassen, sie habe sich aber aus mir unbekannt
gebliebenen Ursachen zur tragischen erzogen
oder erziehen lassen. --

Ob einst die Leser mit diesen abschwei-
fenden Gedanken und Meinungen zufrieden
seyn werden? Die Jugend erhält Erlaß der
noch fehlenden Jahre (veniam aetatis), um
für altklug gehalten zu werden; sollte das
Alter sich nicht auch einen solchen nachsichti-
gen Erlaß erbitten dürfen, um mit jugend-
licher Dreustigkeit sich auslassen zu können?

Auch mag mir Johann Falk verzeihen,

Stellungen, mehr innre Hochhebung erfor-
dert, als die Schauſpielkunſt noͤthig hat.
Als Zuſchauer Jhrer Merope bin ich in
dieſem Glauben beſtaͤrkt, die ſo ausgeuͤbte
mimiſche Kunſt reißt leicht ins forte, wo
man mit dem piano beſſer auskommen wuͤrde
— der in der mimiſchen Kunſt erlangte
Meiſtergrad wird ſie um ſo mehr hindern, ihn
auch in dem heroiſchen Schauſpiel zu erhal-
ten, als es mir geſchienen, und aus der Art,
wie ich ſie ernſthafte und ſcherzhafte Stuͤcke
aus Goͤthe, Schiller, Voß ꝛc., decla-
miren gehoͤrt und geſehen habe, noch klarer
geworden, die Natur habe ſie zur großen
komiſchen Schauſpielerin geboren werden
laſſen, ſie habe ſich aber aus mir unbekannt
gebliebenen Urſachen zur tragiſchen erzogen
oder erziehen laſſen. —

Ob einſt die Leſer mit dieſen abſchwei-
fenden Gedanken und Meinungen zufrieden
ſeyn werden? Die Jugend erhaͤlt Erlaß der
noch fehlenden Jahre (veniam aetatis), um
fuͤr altklug gehalten zu werden; ſollte das
Alter ſich nicht auch einen ſolchen nachſichti-
gen Erlaß erbitten duͤrfen, um mit jugend-
licher Dreuſtigkeit ſich auslaſſen zu koͤnnen?

Auch mag mir Johann Falk verzeihen,

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[429/0446] Stellungen, mehr innre Hochhebung erfor- dert, als die Schauſpielkunſt noͤthig hat. Als Zuſchauer Jhrer Merope bin ich in dieſem Glauben beſtaͤrkt, die ſo ausgeuͤbte mimiſche Kunſt reißt leicht ins forte, wo man mit dem piano beſſer auskommen wuͤrde — der in der mimiſchen Kunſt erlangte Meiſtergrad wird ſie um ſo mehr hindern, ihn auch in dem heroiſchen Schauſpiel zu erhal- ten, als es mir geſchienen, und aus der Art, wie ich ſie ernſthafte und ſcherzhafte Stuͤcke aus Goͤthe, Schiller, Voß ꝛc., decla- miren gehoͤrt und geſehen habe, noch klarer geworden, die Natur habe ſie zur großen komiſchen Schauſpielerin geboren werden laſſen, ſie habe ſich aber aus mir unbekannt gebliebenen Urſachen zur tragiſchen erzogen oder erziehen laſſen. — Ob einſt die Leſer mit dieſen abſchwei- fenden Gedanken und Meinungen zufrieden ſeyn werden? Die Jugend erhaͤlt Erlaß der noch fehlenden Jahre (veniam aetatis), um fuͤr altklug gehalten zu werden; ſollte das Alter ſich nicht auch einen ſolchen nachſichti- gen Erlaß erbitten duͤrfen, um mit jugend- licher Dreuſtigkeit ſich auslaſſen zu koͤnnen? Auch mag mir Johann Falk verzeihen,

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/446>, abgerufen am 22.11.2024.