daß von seinen Aeußerungen über Madame Händel-Schütz, die ich gestern (den 11. Oktbr.) im Almanach Urania gelesen, viele Stellen mir nicht zugesprochen haben, manche ganz unrichtig vorgekommen sind -- der öftere Umgang mit solchen Künstlern veranlaßt nicht selten Urtheilsbestechungen, die der Aussprecher selbst nicht vermuthet, und denen er dann deshalb unterliegt.
Am 5ten Junius 1812.
Seit wenigstens einem Jahr hat wohl kein über den Gang der Dinge ernstlich Nachdenkender seinen Tag anders, als mit dem Seufzer angefangen und beschlossen: in quae tempora nos reservasti Domine! Leichtsinnigen Köpfen und habsüchtigen Hän- den scheinen Steuer und Ruder der Staats- galeeren überlassen, und die Verordnungen mit Fleiß auf Schrauben gestellt zu seyn, um sich feiner entschuldigen und leichter andre beschuldigen zu können -- das Land wird fast weniger von fremden Tygern und Hyänen zerfleischt, als es von Elephanten zertreten wird, die wohlgenährt ihre Rüssel mißbrauchen, weil ihr Cornak es an der nothwendigen Aufsicht fehlen läßt. Die
daß von ſeinen Aeußerungen uͤber Madame Haͤndel-Schuͤtz, die ich geſtern (den 11. Oktbr.) im Almanach Urania geleſen, viele Stellen mir nicht zugeſprochen haben, manche ganz unrichtig vorgekommen ſind — der oͤftere Umgang mit ſolchen Kuͤnſtlern veranlaßt nicht ſelten Urtheilsbeſtechungen, die der Ausſprecher ſelbſt nicht vermuthet, und denen er dann deshalb unterliegt.
Am 5ten Junius 1812.
Seit wenigſtens einem Jahr hat wohl kein uͤber den Gang der Dinge ernſtlich Nachdenkender ſeinen Tag anders, als mit dem Seufzer angefangen und beſchloſſen: in quae tempora nos reſervaſti Domine! Leichtſinnigen Koͤpfen und habſuͤchtigen Haͤn- den ſcheinen Steuer und Ruder der Staats- galeeren uͤberlaſſen, und die Verordnungen mit Fleiß auf Schrauben geſtellt zu ſeyn, um ſich feiner entſchuldigen und leichter andre beſchuldigen zu koͤnnen — das Land wird faſt weniger von fremden Tygern und Hyaͤnen zerfleiſcht, als es von Elephanten zertreten wird, die wohlgenaͤhrt ihre Ruͤſſel mißbrauchen, weil ihr Cornak es an der nothwendigen Aufſicht fehlen laͤßt. Die
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daß von ſeinen Aeußerungen uͤber Madame
Haͤndel-Schuͤtz, die ich geſtern (den
11. Oktbr.) im Almanach Urania geleſen,
viele Stellen mir nicht zugeſprochen haben,
manche ganz unrichtig vorgekommen ſind —
der oͤftere Umgang mit ſolchen Kuͤnſtlern
veranlaßt nicht ſelten Urtheilsbeſtechungen,
die der Ausſprecher ſelbſt nicht vermuthet,
und denen er dann deshalb unterliegt.
Am 5ten Junius 1812.
Seit wenigſtens einem Jahr hat wohl
kein uͤber den Gang der Dinge ernſtlich
Nachdenkender ſeinen Tag anders, als mit
dem Seufzer angefangen und beſchloſſen:
in quae tempora nos reſervaſti Domine!
Leichtſinnigen Koͤpfen und habſuͤchtigen Haͤn-
den ſcheinen Steuer und Ruder der Staats-
galeeren uͤberlaſſen, und die Verordnungen
mit Fleiß auf Schrauben geſtellt zu ſeyn,
um ſich feiner entſchuldigen und leichter
andre beſchuldigen zu koͤnnen — das Land
wird faſt weniger von fremden Tygern und
Hyaͤnen zerfleiſcht, als es von Elephanten
zertreten wird, die wohlgenaͤhrt ihre Ruͤſſel
mißbrauchen, weil ihr Cornak es an der
nothwendigen Aufſicht fehlen laͤßt. Die
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/447>, abgerufen am 22.11.2024.
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