Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

freyen Spielraum lassen? So wahr und
schlimm das alte plectuntur Achivi dum
delirant reges
ist, so ist es gewiß noch
schlimmer, wenn die im Rathe sitzenden Achi-
vi
rasen, und der Regent nicht Lust oder
Muth hat, der Tollvater der Dienstachiver
zu seyn.



Den 24sten Junius 1812.

Die Franzosen, die seit einigen Mona-
ten Preussen heuschreckenartig verzehren,
machten es vor einigen Jahren als Feinde
arg, als Freunde treiben sie es gewiß noch
ärger, theils weil den gallicanischen über-
triebnen Forderungen nicht mit genug Muth
und Klugheit widerstanden wird, theils weil
die Franzosen, meiner Meinung nach, in
allem schlimmer geworden sind. Der vom
Marschall bis zum Fuhrknecht herab einge-
rißne Luxus bestätigt das bekannte male parta
male dilabuntur.
Hat aber Napoleon nicht
in seinem Solo einen Sprung gemacht, der
ihm nicht wohl bekommen wird? Der feucht-
kalte Boden Rußlands ist vom westlichen
Boden Europens so verschieden, daß zu ver-
muthen ist, die französische Leichtsinnsblüthe
werde die Kälte nicht ertragen können, und

der

freyen Spielraum laſſen? So wahr und
ſchlimm das alte plectuntur Achivi dum
delirant reges
iſt, ſo iſt es gewiß noch
ſchlimmer, wenn die im Rathe ſitzenden Achi-
vi
raſen, und der Regent nicht Luſt oder
Muth hat, der Tollvater der Dienſtachiver
zu ſeyn.



Den 24ſten Junius 1812.

Die Franzoſen, die ſeit einigen Mona-
ten Preuſſen heuſchreckenartig verzehren,
machten es vor einigen Jahren als Feinde
arg, als Freunde treiben ſie es gewiß noch
aͤrger, theils weil den gallicaniſchen uͤber-
triebnen Forderungen nicht mit genug Muth
und Klugheit widerſtanden wird, theils weil
die Franzoſen, meiner Meinung nach, in
allem ſchlimmer geworden ſind. Der vom
Marſchall bis zum Fuhrknecht herab einge-
rißne Luxus beſtaͤtigt das bekannte male parta
male dilabuntur.
Hat aber Napoleon nicht
in ſeinem Solo einen Sprung gemacht, der
ihm nicht wohl bekommen wird? Der feucht-
kalte Boden Rußlands iſt vom weſtlichen
Boden Europens ſo verſchieden, daß zu ver-
muthen iſt, die franzoͤſiſche Leichtſinnsbluͤthe
werde die Kaͤlte nicht ertragen koͤnnen, und

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0449" n="432"/>
freyen Spielraum la&#x017F;&#x017F;en? So wahr und<lb/>
&#x017F;chlimm das alte <hi rendition="#aq">plectuntur Achivi dum<lb/>
delirant reges</hi> i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t es gewiß noch<lb/>
&#x017F;chlimmer, wenn die im Rathe &#x017F;itzenden <hi rendition="#aq">Achi-<lb/>
vi</hi> ra&#x017F;en, und der Regent nicht Lu&#x017F;t oder<lb/>
Muth hat, der Tollvater der Dien&#x017F;tachiver<lb/>
zu &#x017F;eyn.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Den 24&#x017F;ten Junius 1812.</head><lb/>
          <p>Die Franzo&#x017F;en, die &#x017F;eit einigen Mona-<lb/>
ten Preu&#x017F;&#x017F;en heu&#x017F;chreckenartig verzehren,<lb/>
machten es vor einigen Jahren als Feinde<lb/>
arg, als Freunde treiben &#x017F;ie es gewiß noch<lb/>
a&#x0364;rger, theils weil den gallicani&#x017F;chen u&#x0364;ber-<lb/>
triebnen Forderungen nicht mit genug Muth<lb/>
und Klugheit wider&#x017F;tanden wird, theils weil<lb/>
die Franzo&#x017F;en, meiner Meinung nach, in<lb/>
allem &#x017F;chlimmer geworden &#x017F;ind. Der vom<lb/>
Mar&#x017F;chall bis zum Fuhrknecht herab einge-<lb/>
rißne Luxus be&#x017F;ta&#x0364;tigt das bekannte <hi rendition="#aq">male parta<lb/>
male dilabuntur.</hi> Hat aber Napoleon nicht<lb/>
in &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Solo</hi> einen Sprung gemacht, der<lb/>
ihm nicht wohl bekommen wird? Der feucht-<lb/>
kalte Boden Rußlands i&#x017F;t vom we&#x017F;tlichen<lb/>
Boden Europens &#x017F;o ver&#x017F;chieden, daß zu ver-<lb/>
muthen i&#x017F;t, die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Leicht&#x017F;innsblu&#x0364;the<lb/>
werde die Ka&#x0364;lte nicht ertragen ko&#x0364;nnen, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[432/0449] freyen Spielraum laſſen? So wahr und ſchlimm das alte plectuntur Achivi dum delirant reges iſt, ſo iſt es gewiß noch ſchlimmer, wenn die im Rathe ſitzenden Achi- vi raſen, und der Regent nicht Luſt oder Muth hat, der Tollvater der Dienſtachiver zu ſeyn. Den 24ſten Junius 1812. Die Franzoſen, die ſeit einigen Mona- ten Preuſſen heuſchreckenartig verzehren, machten es vor einigen Jahren als Feinde arg, als Freunde treiben ſie es gewiß noch aͤrger, theils weil den gallicaniſchen uͤber- triebnen Forderungen nicht mit genug Muth und Klugheit widerſtanden wird, theils weil die Franzoſen, meiner Meinung nach, in allem ſchlimmer geworden ſind. Der vom Marſchall bis zum Fuhrknecht herab einge- rißne Luxus beſtaͤtigt das bekannte male parta male dilabuntur. Hat aber Napoleon nicht in ſeinem Solo einen Sprung gemacht, der ihm nicht wohl bekommen wird? Der feucht- kalte Boden Rußlands iſt vom weſtlichen Boden Europens ſo verſchieden, daß zu ver- muthen iſt, die franzoͤſiſche Leichtſinnsbluͤthe werde die Kaͤlte nicht ertragen koͤnnen, und der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/449
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/449>, abgerufen am 22.11.2024.