Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

irgend etwas bauen, was ihnen endlichen
Sieg verspricht? Jn England wird diese
Besitznahme gewiß viel Aufsehen machen,
und eine Hauptbedingung des Friedens, die
Abgabe der Länder an der Ostsee an Pohlen,
oder wenigstens ihre Besetzung mit franzö-
sischen Truppen bis zum Frieden mit Eng-
land, seyn.

Noch steht freylich die Parthie zwischen
Rußland und Frankreich wie quatre a neuf,
kann aber Eine von letzterm verlorne Schlacht
ihnen nicht weit mehr schaden, als alle bis-
her von ihnen gewonnene dem erstern? Mag
auch der Muth den Gallier und ihr Ver-
trauen zum Jntelligenz, Ubergewicht Napo-
leons steigen, so kann doch erst ein langer
Friede zeigen, ob letztrer ein wirklich großer
Mann sey und nicht blos ein glücklicher
Weltbezwinger zu einer Zeit, da auf man-
chen Thronen Wesen saßen, die nur im ge-
wöhnlichen Lehnstuhl ohne Schwindel zu
sitzen vermochten.



Den 4ten Oktober 1812.

Ein furchtbar genialischer Streich war
es wohl, daß man sich entschloß, das den
Russen fast heilige Moskau bis auf ein

irgend etwas bauen, was ihnen endlichen
Sieg verſpricht? Jn England wird dieſe
Beſitznahme gewiß viel Aufſehen machen,
und eine Hauptbedingung des Friedens, die
Abgabe der Laͤnder an der Oſtſee an Pohlen,
oder wenigſtens ihre Beſetzung mit franzoͤ-
ſiſchen Truppen bis zum Frieden mit Eng-
land, ſeyn.

Noch ſteht freylich die Parthie zwiſchen
Rußland und Frankreich wie quatre à neuf,
kann aber Eine von letzterm verlorne Schlacht
ihnen nicht weit mehr ſchaden, als alle bis-
her von ihnen gewonnene dem erſtern? Mag
auch der Muth den Gallier und ihr Ver-
trauen zum Jntelligenz, Ubergewicht Napo-
leons ſteigen, ſo kann doch erſt ein langer
Friede zeigen, ob letztrer ein wirklich großer
Mann ſey und nicht blos ein gluͤcklicher
Weltbezwinger zu einer Zeit, da auf man-
chen Thronen Weſen ſaßen, die nur im ge-
woͤhnlichen Lehnſtuhl ohne Schwindel zu
ſitzen vermochten.



Den 4ten Oktober 1812.

Ein furchtbar genialiſcher Streich war
es wohl, daß man ſich entſchloß, das den
Ruſſen faſt heilige Moskau bis auf ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0464" n="447"/>
irgend etwas bauen, was ihnen endlichen<lb/>
Sieg ver&#x017F;pricht? Jn England wird die&#x017F;e<lb/>
Be&#x017F;itznahme gewiß viel Auf&#x017F;ehen machen,<lb/>
und eine Hauptbedingung des Friedens, die<lb/>
Abgabe der La&#x0364;nder an der O&#x017F;t&#x017F;ee an Pohlen,<lb/>
oder wenig&#x017F;tens ihre Be&#x017F;etzung mit franzo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Truppen bis zum Frieden mit Eng-<lb/>
land, &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Noch &#x017F;teht freylich die Parthie zwi&#x017F;chen<lb/>
Rußland und Frankreich wie <hi rendition="#aq">quatre à neuf,</hi><lb/>
kann aber Eine von letzterm verlorne Schlacht<lb/>
ihnen nicht weit mehr &#x017F;chaden, als alle bis-<lb/>
her von ihnen gewonnene dem er&#x017F;tern? Mag<lb/>
auch der Muth den Gallier und ihr Ver-<lb/>
trauen zum Jntelligenz, Ubergewicht Napo-<lb/>
leons &#x017F;teigen, &#x017F;o kann doch er&#x017F;t ein langer<lb/>
Friede zeigen, ob letztrer ein wirklich großer<lb/>
Mann &#x017F;ey und nicht blos ein glu&#x0364;cklicher<lb/>
Weltbezwinger zu einer Zeit, da auf man-<lb/>
chen Thronen We&#x017F;en &#x017F;aßen, die nur im ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlichen Lehn&#x017F;tuhl ohne Schwindel zu<lb/>
&#x017F;itzen vermochten.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Den 4ten Oktober 1812.</head><lb/>
          <p>Ein furchtbar geniali&#x017F;cher Streich war<lb/>
es wohl, daß man &#x017F;ich ent&#x017F;chloß, das den<lb/>
Ru&#x017F;&#x017F;en fa&#x017F;t heilige Moskau bis auf ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0464] irgend etwas bauen, was ihnen endlichen Sieg verſpricht? Jn England wird dieſe Beſitznahme gewiß viel Aufſehen machen, und eine Hauptbedingung des Friedens, die Abgabe der Laͤnder an der Oſtſee an Pohlen, oder wenigſtens ihre Beſetzung mit franzoͤ- ſiſchen Truppen bis zum Frieden mit Eng- land, ſeyn. Noch ſteht freylich die Parthie zwiſchen Rußland und Frankreich wie quatre à neuf, kann aber Eine von letzterm verlorne Schlacht ihnen nicht weit mehr ſchaden, als alle bis- her von ihnen gewonnene dem erſtern? Mag auch der Muth den Gallier und ihr Ver- trauen zum Jntelligenz, Ubergewicht Napo- leons ſteigen, ſo kann doch erſt ein langer Friede zeigen, ob letztrer ein wirklich großer Mann ſey und nicht blos ein gluͤcklicher Weltbezwinger zu einer Zeit, da auf man- chen Thronen Weſen ſaßen, die nur im ge- woͤhnlichen Lehnſtuhl ohne Schwindel zu ſitzen vermochten. Den 4ten Oktober 1812. Ein furchtbar genialiſcher Streich war es wohl, daß man ſich entſchloß, das den Ruſſen faſt heilige Moskau bis auf ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/464
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/464>, abgerufen am 22.11.2024.