einen Flecken auf das weiße Gewand der Gutmüthigkeit zu machen, der mit keiner, noch so schön schäumenden Seife der Kunst- vernunft sich ausreiben läßt. Wer sein Le- ben so unverholen führt, wie ich das mei- nige zu führen gesucht habe, thut am Besten, wenn er auf seine guten Werke und Hand- lungen gar nicht zurück sieht, er mag durch selbige Schulden abgetragen, oder Geschenke gemacht haben. Zum erstern war er ver- pflichtet, und das letztre hat ihm gewiß meh- rentheils größre Freude als Mühe gemacht, weil Geben wahrlich seliger ist, als Nehmen.
Wem seine Nachwelt wirklich etwas zu verdanken hat, kann sicher darauf rechnen, daß die Besten aus ihr es ihm erkennen werden. Dem bey seinem Leben empfang- nen Dank benimmt eine Art von Beschä- mung viel von seiner Anmuth, und ist, beym Lichten besehen, der Mensch, der von Gott so unendlich viel Gutes empfängt, das er Jhm, der Alles hat, nicht erwiedern kann, nicht verbunden zum Mittheilen an seine Nebenwelt, in der es oft an vielem, sehr vielem mangelt? Christus, der den Hang der menschlichen Natur zum Eigennutz genau kannte, rieth daher zum richtigen Messen, weil mit gleichem Maas würde wieder ge- messen werden.
Da eine Vorrede über sich andern Gelegenheit zur Nachrede geben kann, so
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einen Flecken auf das weiße Gewand der Gutmuͤthigkeit zu machen, der mit keiner, noch ſo ſchoͤn ſchaͤumenden Seife der Kunſt- vernunft ſich ausreiben laͤßt. Wer ſein Le- ben ſo unverholen fuͤhrt, wie ich das mei- nige zu fuͤhren geſucht habe, thut am Beſten, wenn er auf ſeine guten Werke und Hand- lungen gar nicht zuruͤck ſieht, er mag durch ſelbige Schulden abgetragen, oder Geſchenke gemacht haben. Zum erſtern war er ver- pflichtet, und das letztre hat ihm gewiß meh- rentheils groͤßre Freude als Muͤhe gemacht, weil Geben wahrlich ſeliger iſt, als Nehmen.
Wem ſeine Nachwelt wirklich etwas zu verdanken hat, kann ſicher darauf rechnen, daß die Beſten aus ihr es ihm erkennen werden. Dem bey ſeinem Leben empfang- nen Dank benimmt eine Art von Beſchaͤ- mung viel von ſeiner Anmuth, und iſt, beym Lichten beſehen, der Menſch, der von Gott ſo unendlich viel Gutes empfaͤngt, das er Jhm, der Alles hat, nicht erwiedern kann, nicht verbunden zum Mittheilen an ſeine Nebenwelt, in der es oft an vielem, ſehr vielem mangelt? Chriſtus, der den Hang der menſchlichen Natur zum Eigennutz genau kannte, rieth daher zum richtigen Meſſen, weil mit gleichem Maas wuͤrde wieder ge- meſſen werden.
Da eine Vorrede uͤber ſich andern Gelegenheit zur Nachrede geben kann, ſo
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einen Flecken auf das weiße Gewand der
Gutmuͤthigkeit zu machen, der mit keiner,
noch ſo ſchoͤn ſchaͤumenden Seife der Kunſt-
vernunft ſich ausreiben laͤßt. Wer ſein Le-
ben ſo unverholen fuͤhrt, wie ich das mei-
nige zu fuͤhren geſucht habe, thut am Beſten,
wenn er auf ſeine guten Werke und Hand-
lungen gar nicht zuruͤck ſieht, er mag durch
ſelbige Schulden abgetragen, oder Geſchenke
gemacht haben. Zum erſtern war er ver-
pflichtet, und das letztre hat ihm gewiß meh-
rentheils groͤßre Freude als Muͤhe gemacht,
weil Geben wahrlich ſeliger iſt, als
Nehmen.
Wem ſeine Nachwelt wirklich etwas zu
verdanken hat, kann ſicher darauf rechnen,
daß die Beſten aus ihr es ihm erkennen
werden. Dem bey ſeinem Leben empfang-
nen Dank benimmt eine Art von Beſchaͤ-
mung viel von ſeiner Anmuth, und iſt, beym
Lichten beſehen, der Menſch, der von Gott
ſo unendlich viel Gutes empfaͤngt, das er
Jhm, der Alles hat, nicht erwiedern kann,
nicht verbunden zum Mittheilen an ſeine
Nebenwelt, in der es oft an vielem, ſehr
vielem mangelt? Chriſtus, der den Hang
der menſchlichen Natur zum Eigennutz genau
kannte, rieth daher zum richtigen Meſſen,
weil mit gleichem Maas wuͤrde wieder ge-
meſſen werden.
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/514>, abgerufen am 22.11.2024.
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