70 Jahren, wenn mein Vater den dortigen Oberförster Knöpfler besuchte, mir mir bun- ten Steinchen und Muscheln die Taschen füllte.
Damals wurde an das, jetzt beynah zur Mode gewordne Baden in der See weder von Kranken noch von Gesunden gedacht. Gern hätt ich es selbst noch einmal versucht, allein das meinen Hausgenossen bey der Ab- reise gethane Versprechen hielt mich davon ab, so schwer es mir auch wurde, mir blos den Wellenschaum an die Füße rollen zu lassen.
Statt des ehemaligen Muschelauflesens beschäftigte mich die Bemerkung, daß An- stalten, wie z. B. gedruckte Jnstruktionen, Chirurgen, Gensdarmen etc., zur Benutzung eines Badeortes weder aufmuntern noch helfen, wenn nicht zuförderst auch für die An- setzung eines tüchtigen Speisemeisters für Menschen und Thiere, für einen leidlichen Versammlungsraum auf einem von Natur so dürftigen Lokal, wie das Dorf Cranz jetzt ist, gesorgt wird. Hier befand sich damals eine beträchtliche Anzahl von Personen meh- rentheils in räuchrigen Fischerhütten, beynah alles Schattens und eines leidlichen Wirths- hauses ermangelnd -- die Sorge für einen gu- ten Weg liegt der Regierung hier besonders ob.
Doch was geht das mich weiter an, mich, dessen Geistes- und Leibeskräfte seit einigen Monaten so abgenommen haben, daß es ihm an keine Reise an die See oder an den Rhein, sondern nur an die letzte Lebensreise zu den- ken geziemt. Jch, den so gut wie den großen
70 Jahren, wenn mein Vater den dortigen Oberfoͤrſter Knoͤpfler beſuchte, mir mir bun- ten Steinchen und Muſcheln die Taſchen fuͤllte.
Damals wurde an das, jetzt beynah zur Mode gewordne Baden in der See weder von Kranken noch von Geſunden gedacht. Gern haͤtt ich es ſelbſt noch einmal verſucht, allein das meinen Hausgenoſſen bey der Ab- reiſe gethane Verſprechen hielt mich davon ab, ſo ſchwer es mir auch wurde, mir blos den Wellenſchaum an die Fuͤße rollen zu laſſen.
Statt des ehemaligen Muſchelaufleſens beſchaͤftigte mich die Bemerkung, daß An- ſtalten, wie z. B. gedruckte Jnſtruktionen, Chirurgen, Gensdarmen ꝛc., zur Benutzung eines Badeortes weder aufmuntern noch helfen, wenn nicht zufoͤrderſt auch fuͤr die An- ſetzung eines tuͤchtigen Speiſemeiſters fuͤr Menſchen und Thiere, fuͤr einen leidlichen Verſammlungsraum auf einem von Natur ſo duͤrftigen Lokal, wie das Dorf Cranz jetzt iſt, geſorgt wird. Hier befand ſich damals eine betraͤchtliche Anzahl von Perſonen meh- rentheils in raͤuchrigen Fiſcherhuͤtten, beynah alles Schattens und eines leidlichen Wirths- hauſes ermangelnd — die Sorge fuͤr einen gu- ten Weg liegt der Regierung hier beſonders ob.
Doch was geht das mich weiter an, mich, deſſen Geiſtes- und Leibeskraͤfte ſeit einigen Monaten ſo abgenommen haben, daß es ihm an keine Reiſe an die See oder an den Rhein, ſondern nur an die letzte Lebensreiſe zu den- ken geziemt. Jch, den ſo gut wie den großen
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70 Jahren, wenn mein Vater den dortigen
Oberfoͤrſter Knoͤpfler beſuchte, mir mir bun-
ten Steinchen und Muſcheln die Taſchen fuͤllte.
Damals wurde an das, jetzt beynah zur
Mode gewordne Baden in der See weder
von Kranken noch von Geſunden gedacht.
Gern haͤtt ich es ſelbſt noch einmal verſucht,
allein das meinen Hausgenoſſen bey der Ab-
reiſe gethane Verſprechen hielt mich davon
ab, ſo ſchwer es mir auch wurde, mir blos
den Wellenſchaum an die Fuͤße rollen zu laſſen.
Statt des ehemaligen Muſchelaufleſens
beſchaͤftigte mich die Bemerkung, daß An-
ſtalten, wie z. B. gedruckte Jnſtruktionen,
Chirurgen, Gensdarmen ꝛc., zur Benutzung
eines Badeortes weder aufmuntern noch
helfen, wenn nicht zufoͤrderſt auch fuͤr die An-
ſetzung eines tuͤchtigen Speiſemeiſters fuͤr
Menſchen und Thiere, fuͤr einen leidlichen
Verſammlungsraum auf einem von Natur
ſo duͤrftigen Lokal, wie das Dorf Cranz
jetzt iſt, geſorgt wird. Hier befand ſich damals
eine betraͤchtliche Anzahl von Perſonen meh-
rentheils in raͤuchrigen Fiſcherhuͤtten, beynah
alles Schattens und eines leidlichen Wirths-
hauſes ermangelnd — die Sorge fuͤr einen gu-
ten Weg liegt der Regierung hier beſonders ob.
Doch was geht das mich weiter an, mich,
deſſen Geiſtes- und Leibeskraͤfte ſeit einigen
Monaten ſo abgenommen haben, daß es ihm
an keine Reiſe an die See oder an den Rhein,
ſondern nur an die letzte Lebensreiſe zu den-
ken geziemt. Jch, den ſo gut wie den großen
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/528>, abgerufen am 22.11.2024.
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