Quintus Horatius Flaccus, pedibus dele- ctat claudere verba, will daher meine letzten Worte mit einigen Reimen beschliessen, die als Produkte meiner vorgestrigen Schlaflo- sigkeit des Lesers gutes Einschlafen beschleu- nigen mögen.
Jn keinem Ausdruck liegt auf Erden So viel, wie im: Es ist vollbracht. Denn sicher eines Planes werden, Kann man, bey schärfstem Vorbedacht, Nur erst wenn's heißt: er ist vollbracht.
Wie mancher Anfang hat des Schönen Fast zu viel Knospen, und verspricht Mit Blüth' und Früchten reich zu krönen, Allein gewiß verbürgt er nicht Den Cranz, den das Völlbracht nur flicht.
Aus unvollend'tem Guten keimet Manch Giftkraut, das die Flur entstellt, Und wer mit der Vollendung säumet, Verkennt sehr oft deu Lauf der Welt, Wenn vor dem Ziel er ihm mißfällt.
Das Ende nur krönt alle Werke, Nur durch des Schlußsteins Festigkeit Erhält die Wölbung ihre Stärke, Nur das: es ist vollbracht verleiht Auf Schicksalswegen Sicherheit.
Zufriedenheit, nach der im Leben Der Mensch sich heiß und dürstig läuft, Wird nicht zu Theil dem kühnen Streben, Das rasch nach ihrem Segen greist, Den das es ist vollbracht erst reift.
Auch Alters Schwachheit drücket nieder, Wenn lebhaft der Gedank erwacht: Der Kräfte Abnahm führt geschwinder Zum Tode, der gewiß es macht: Auf Erden sey es nun vollbracht.
Quintus Horatius Flaccus, pedibus dele- ctat claudere verba, will daher meine letzten Worte mit einigen Reimen beſchlieſſen, die als Produkte meiner vorgeſtrigen Schlaflo- ſigkeit des Leſers gutes Einſchlafen beſchleu- nigen moͤgen.
Jn keinem Ausdruck liegt auf Erden So viel, wie im: Es iſt vollbracht. Denn ſicher eines Planes werden, Kann man, bey ſchaͤrfſtem Vorbedacht, Nur erſt wenn’s heißt: er iſt vollbracht.
Wie mancher Anfang hat des Schoͤnen Faſt zu viel Knospen, und verſpricht Mit Bluͤth’ und Fruͤchten reich zu kroͤnen, Allein gewiß verbuͤrgt er nicht Den Cranz, den das Voͤllbracht nur flicht.
Aus unvollend’tem Guten keimet Manch Giftkraut, das die Flur entſtellt, Und wer mit der Vollendung ſaͤumet, Verkennt ſehr oft deu Lauf der Welt, Wenn vor dem Ziel er ihm mißfaͤllt.
Das Ende nur kroͤnt alle Werke, Nur durch des Schlußſteins Feſtigkeit Erhaͤlt die Woͤlbung ihre Staͤrke, Nur das: es iſt vollbracht verleiht Auf Schickſalswegen Sicherheit.
Zufriedenheit, nach der im Leben Der Menſch ſich heiß und duͤrſtig laͤuft, Wird nicht zu Theil dem kuͤhnen Streben, Das raſch nach ihrem Segen greiſt, Den das es iſt vollbracht erſt reift.
Auch Alters Schwachheit druͤcket nieder, Wenn lebhaft der Gedank erwacht: Der Kraͤfte Abnahm fuͤhrt geſchwinder Zum Tode, der gewiß es macht: Auf Erden ſey es nun vollbracht.
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Quintus Horatius Flaccus, pedibus dele-
ctat claudere verba, will daher meine letzten
Worte mit einigen Reimen beſchlieſſen, die
als Produkte meiner vorgeſtrigen Schlaflo-
ſigkeit des Leſers gutes Einſchlafen beſchleu-
nigen moͤgen.
Jn keinem Ausdruck liegt auf Erden
So viel, wie im: Es iſt vollbracht.
Denn ſicher eines Planes werden,
Kann man, bey ſchaͤrfſtem Vorbedacht,
Nur erſt wenn’s heißt: er iſt vollbracht.
Wie mancher Anfang hat des Schoͤnen
Faſt zu viel Knospen, und verſpricht
Mit Bluͤth’ und Fruͤchten reich zu kroͤnen,
Allein gewiß verbuͤrgt er nicht
Den Cranz, den das Voͤllbracht nur flicht.
Aus unvollend’tem Guten keimet
Manch Giftkraut, das die Flur entſtellt,
Und wer mit der Vollendung ſaͤumet,
Verkennt ſehr oft deu Lauf der Welt,
Wenn vor dem Ziel er ihm mißfaͤllt.
Das Ende nur kroͤnt alle Werke,
Nur durch des Schlußſteins Feſtigkeit
Erhaͤlt die Woͤlbung ihre Staͤrke,
Nur das: es iſt vollbracht verleiht
Auf Schickſalswegen Sicherheit.
Zufriedenheit, nach der im Leben
Der Menſch ſich heiß und duͤrſtig laͤuft,
Wird nicht zu Theil dem kuͤhnen Streben,
Das raſch nach ihrem Segen greiſt,
Den das es iſt vollbracht erſt reift.
Auch Alters Schwachheit druͤcket nieder,
Wenn lebhaft der Gedank erwacht:
Der Kraͤfte Abnahm fuͤhrt geſchwinder
Zum Tode, der gewiß es macht:
Auf Erden ſey es nun vollbracht.
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/529>, abgerufen am 17.06.2024.
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