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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Blätter? Jn wiefern kann immer und ewig auch die
Lebensflamme, so wie jede andre, vorm Erlöschen be-
wahrt werden? -- Unter den Mitteln findet Baco
(Hist. nat. Cent. IV. 6. 293) am wirksamsten, glück-
liches Gegengewicht zwischen Kraft der Trägheit und
der Bewegung, oder, wie er sich ausdrückt, ungehin-
derte, selbstgewählte Geschäftigkeit, bey wenig Verlust
der Lebensgeschäfte, regelmäßige Abwechslung in den
Verrichtungen, leichte Herrschaft über sich selbst. Am
längsten setzt er hinzu, dauert theils das ländliche Le-
ben, theils das klösterliche.

Bey guter Leibesbeschaffenheit und Lebensordnung
erhält sich sehr lange nicht nur die Lebenskraft, sondern
auch die Kraft zur Fortpflanzung; Masinissa erzeugte
einen Sohn im 86sten, Cato der Censor im 80sten,
d'Urfe im 100sten, Poggius im 70sten Jahre, -- --
gern entsag ich höherer physischer Kraft, ob aber im
Alter mit dieser nicht auch zugleich die geistige Jdee
schwinde? Je nun, in der Regel hat der Greis bey
langsamerm Umlauf des Bluts, bey kälterm und trock-
nerm Temperament auch weniger Muth und Ent-
schlossenheit. Siebt es aber nicht für jeden Tempera-
mentsfehler ein Gegengewicht? -- Auch dies wahr,
daß eben wegen Kälte des Naturels, theils wegen
vieler Erfahrung und mislungner Pläne, der Greis
sich nicht leicht neuerer, mühsamer, anhaltender Arbeit
unterzieht, nicht leicht sich für Etwas stark interessirt.
Giebt es aber nicht Ausnahmen? Sind nicht überhaupt
in jedem Alter, auch im jugendlichen und männlichen
thätigere, Geister nur Ausnahmen? Jmmer doch wendet
man ein, zeichnen sich die Spätlinge in ihren Früch-
ten, weniger als frühere, durch Saft und Kraft aus
-- daß bey der Leibesfrucht dieß nicht nothwendig der

Fall

Blaͤtter? Jn wiefern kann immer und ewig auch die
Lebensflamme, ſo wie jede andre, vorm Erloͤſchen be-
wahrt werden? — Unter den Mitteln findet Baco
(Hiſt. nat. Cent. IV. 6. 293) am wirkſamſten, gluͤck-
liches Gegengewicht zwiſchen Kraft der Traͤgheit und
der Bewegung, oder, wie er ſich ausdruͤckt, ungehin-
derte, ſelbſtgewaͤhlte Geſchaͤftigkeit, bey wenig Verluſt
der Lebensgeſchaͤfte, regelmaͤßige Abwechslung in den
Verrichtungen, leichte Herrſchaft uͤber ſich ſelbſt. Am
laͤngſten ſetzt er hinzu, dauert theils das laͤndliche Le-
ben, theils das kloͤſterliche.

Bey guter Leibesbeſchaffenheit und Lebensordnung
erhaͤlt ſich ſehr lange nicht nur die Lebenskraft, ſondern
auch die Kraft zur Fortpflanzung; Maſiniſſa erzeugte
einen Sohn im 86ſten, Cato der Cenſor im 80ſten,
d’Urfé im 100ſten, Poggius im 70ſten Jahre, — —
gern entſag ich hoͤherer phyſiſcher Kraft, ob aber im
Alter mit dieſer nicht auch zugleich die geiſtige Jdee
ſchwinde? Je nun, in der Regel hat der Greis bey
langſamerm Umlauf des Bluts, bey kaͤlterm und trock-
nerm Temperament auch weniger Muth und Ent-
ſchloſſenheit. Siebt es aber nicht fuͤr jeden Tempera-
mentsfehler ein Gegengewicht? — Auch dies wahr,
daß eben wegen Kaͤlte des Naturels, theils wegen
vieler Erfahrung und mislungner Plaͤne, der Greis
ſich nicht leicht neuerer, muͤhſamer, anhaltender Arbeit
unterzieht, nicht leicht ſich fuͤr Etwas ſtark intereſſirt.
Giebt es aber nicht Ausnahmen? Sind nicht uͤberhaupt
in jedem Alter, auch im jugendlichen und maͤnnlichen
thaͤtigere, Geiſter nur Ausnahmen? Jmmer doch wendet
man ein, zeichnen ſich die Spaͤtlinge in ihren Fruͤch-
ten, weniger als fruͤhere, durch Saft und Kraft aus
— daß bey der Leibesfrucht dieß nicht nothwendig der

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[0545] Blaͤtter? Jn wiefern kann immer und ewig auch die Lebensflamme, ſo wie jede andre, vorm Erloͤſchen be- wahrt werden? — Unter den Mitteln findet Baco (Hiſt. nat. Cent. IV. 6. 293) am wirkſamſten, gluͤck- liches Gegengewicht zwiſchen Kraft der Traͤgheit und der Bewegung, oder, wie er ſich ausdruͤckt, ungehin- derte, ſelbſtgewaͤhlte Geſchaͤftigkeit, bey wenig Verluſt der Lebensgeſchaͤfte, regelmaͤßige Abwechslung in den Verrichtungen, leichte Herrſchaft uͤber ſich ſelbſt. Am laͤngſten ſetzt er hinzu, dauert theils das laͤndliche Le- ben, theils das kloͤſterliche. Bey guter Leibesbeſchaffenheit und Lebensordnung erhaͤlt ſich ſehr lange nicht nur die Lebenskraft, ſondern auch die Kraft zur Fortpflanzung; Maſiniſſa erzeugte einen Sohn im 86ſten, Cato der Cenſor im 80ſten, d’Urfé im 100ſten, Poggius im 70ſten Jahre, — — gern entſag ich hoͤherer phyſiſcher Kraft, ob aber im Alter mit dieſer nicht auch zugleich die geiſtige Jdee ſchwinde? Je nun, in der Regel hat der Greis bey langſamerm Umlauf des Bluts, bey kaͤlterm und trock- nerm Temperament auch weniger Muth und Ent- ſchloſſenheit. Siebt es aber nicht fuͤr jeden Tempera- mentsfehler ein Gegengewicht? — Auch dies wahr, daß eben wegen Kaͤlte des Naturels, theils wegen vieler Erfahrung und mislungner Plaͤne, der Greis ſich nicht leicht neuerer, muͤhſamer, anhaltender Arbeit unterzieht, nicht leicht ſich fuͤr Etwas ſtark intereſſirt. Giebt es aber nicht Ausnahmen? Sind nicht uͤberhaupt in jedem Alter, auch im jugendlichen und maͤnnlichen thaͤtigere, Geiſter nur Ausnahmen? Jmmer doch wendet man ein, zeichnen ſich die Spaͤtlinge in ihren Fruͤch- ten, weniger als fruͤhere, durch Saft und Kraft aus — daß bey der Leibesfrucht dieß nicht nothwendig der Fall

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/545>, abgerufen am 22.11.2024.