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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Methaphysik und Mathematik an. Jch wohnte
indessen allen diesen Vorlesungen ohne be-
sondern Nutzen bey, trieb aber Bücherlese-
rey und Versemachen mit größerem Fleiß
auf eigne Hand, wodurch ich mir, ohne daß
ich es darauf angelegt hätte, den Ruf eines
feinen guten Menschen erwarb. Spätere
Bemerkungen haben mich belehrt, daß jünge
Leute durch leidliches Versmachen in den
Ruf kommen, gute Köpfe zu seyn, vermuth-
lich, weil eine große Anzahl ächtgebildeter
Köpfe keine Verfe macht und vielleicht des-
halb dieser Kunst mehr Verdienst beylegt,
als sie verdient. Jndessen glaube ich doch
fest, daß die gute Prose ein sicherers Zeug-
niß für die Güte des Kopfs ablege, indem
sie nicht so viel Schlupfwinkel und Vorsetz-
schirme gestattet, wie die Versekunst anzu-
bringen erlaubt. Man sollte sich im Vers-
machen etwas üben, um in der Folge gute
Prose zu schreiben, das ist, einen guten Stil
haben zu können; denn obgleich Swift sagt:
"die ganze Kunst des Stils bestehet bloß
"darin: das rechte Wort an die rechte
"Stelle zu setzen," so muß man sich dieses
Treffen doch nicht leicht vorstellen, son-

Methaphyſik und Mathematik an. Jch wohnte
indeſſen allen dieſen Vorleſungen ohne be-
ſondern Nutzen bey, trieb aber Buͤcherleſe-
rey und Verſemachen mit groͤßerem Fleiß
auf eigne Hand, wodurch ich mir, ohne daß
ich es darauf angelegt haͤtte, den Ruf eines
feinen guten Menſchen erwarb. Spaͤtere
Bemerkungen haben mich belehrt, daß juͤnge
Leute durch leidliches Versmachen in den
Ruf kommen, gute Koͤpfe zu ſeyn, vermuth-
lich, weil eine große Anzahl aͤchtgebildeter
Koͤpfe keine Verfe macht und vielleicht des-
halb dieſer Kunſt mehr Verdienſt beylegt,
als ſie verdient. Jndeſſen glaube ich doch
feſt, daß die gute Proſe ein ſicherers Zeug-
niß fuͤr die Guͤte des Kopfs ablege, indem
ſie nicht ſo viel Schlupfwinkel und Vorſetz-
ſchirme geſtattet, wie die Verſekunſt anzu-
bringen erlaubt. Man ſollte ſich im Vers-
machen etwas uͤben, um in der Folge gute
Proſe zu ſchreiben, das iſt, einen guten Stil
haben zu koͤnnen; denn obgleich Swift ſagt:
„die ganze Kunſt des Stils beſtehet bloß
„darin: das rechte Wort an die rechte
„Stelle zu ſetzen,“ ſo muß man ſich dieſes
Treffen doch nicht leicht vorſtellen, ſon-

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[38/0055] Methaphyſik und Mathematik an. Jch wohnte indeſſen allen dieſen Vorleſungen ohne be- ſondern Nutzen bey, trieb aber Buͤcherleſe- rey und Verſemachen mit groͤßerem Fleiß auf eigne Hand, wodurch ich mir, ohne daß ich es darauf angelegt haͤtte, den Ruf eines feinen guten Menſchen erwarb. Spaͤtere Bemerkungen haben mich belehrt, daß juͤnge Leute durch leidliches Versmachen in den Ruf kommen, gute Koͤpfe zu ſeyn, vermuth- lich, weil eine große Anzahl aͤchtgebildeter Koͤpfe keine Verfe macht und vielleicht des- halb dieſer Kunſt mehr Verdienſt beylegt, als ſie verdient. Jndeſſen glaube ich doch feſt, daß die gute Proſe ein ſicherers Zeug- niß fuͤr die Guͤte des Kopfs ablege, indem ſie nicht ſo viel Schlupfwinkel und Vorſetz- ſchirme geſtattet, wie die Verſekunſt anzu- bringen erlaubt. Man ſollte ſich im Vers- machen etwas uͤben, um in der Folge gute Proſe zu ſchreiben, das iſt, einen guten Stil haben zu koͤnnen; denn obgleich Swift ſagt: „die ganze Kunſt des Stils beſtehet bloß „darin: das rechte Wort an die rechte „Stelle zu ſetzen,“ ſo muß man ſich dieſes Treffen doch nicht leicht vorſtellen, ſon-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/55>, abgerufen am 22.11.2024.