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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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verleiten, der Welt einen Trank zusammen zu quirlen,
der ihr bitter, aber zuletzt auch ihm gewiß tödlich
werden würde.



Nachschrift vom 20sten Octbr. 1815.

Napoleons Ausschlagen der Friedensbedingungen von
Chatillon zeigte offenbar, daß Gott, der Welt zum
Besten, das Herz dieses europäischen Pharaos verstockt
habe, und wer in der Vorrede der Histoire de l'am-
bassade de l'archeveque de Pradt dans le Duche de
Warsovie en
1812. die Stelle: En France comme
daus l'Enrope on n'a jamais parle de sang froid
de Napoleon. La domination morale, qu'il a
exerce sur l'Europe, a depasse la domination poli-
tique. Jamais homme avant lui, n'avoit faisi avec
un egal empire l'esprit de ses semblables; jamais
Rome ne sit jurer per Genium Caesaris,
comme Napoleon a fait jurer l'Europe par le sien,

und dieses merkwürdige, obwohl von Gasconnaden
nicht freie Buch selbst, gelesen hat, der wird gewiß
nicht die Richtigkeit der Aussage des in der cisalpini-
schen Republik einst sehr bekannten Grafen Melzi d'
Eriles
bezweifeln, der von ihm gesagt haben soll,
cet homme a le chaos dans la tete et l'enfer dans
le coeur,
und wohl eben so laut, wie ich es einst that,
ausrufen: Gott Lob, daß Napoleon Elba verlassen hat!

Denn seine Waghalsigkeit beförderte das endliche
Ende des den deutschen Erwartungen nicht entsprechen-
den Wienercongresses, verleitete die Franzosen den
unverdient erhaltnen milden Frieden zu brechen --
der neue Krieg verschaffte den Preussen und Britten
Gelegenheit zum Zamaschen Siege bey belle alliance,
trieb den in seinem Schicksal untergetauchten Kaiser
zur zweyten übereilten Thronentsagung und veran-
laßte seine Verbannung nach St. Helena.

Unbeschreiblichen Segen könnten diese Erfolge der
Welt bringen, wenn man vor dem Abschluß des neuen
Friedens recht beherzigte, was in der Schrift über
die Rheinsche Mark
und die Bundesfestungen
und in Butte's nothwendigen Bedingungen

verleiten, der Welt einen Trank zuſammen zu quirlen,
der ihr bitter, aber zuletzt auch ihm gewiß toͤdlich
werden wuͤrde.



Nachſchrift vom 20ſten Octbr. 1815.

Napoleons Ausſchlagen der Friedensbedingungen von
Chatillon zeigte offenbar, daß Gott, der Welt zum
Beſten, das Herz dieſes europaͤiſchen Pharaos verſtockt
habe, und wer in der Vorrede der Hiſtoire de l’am-
baſſade de l’archeveque de Pradt dans le Duché de
Warſovie en
1812. die Stelle: En France comme
daus l’Enrope on n’a jamais parlé de ſang froid
de Napoleon. La domination morale, qu’il a
exerce ſur l’Europe, a depaſſé la domination poli-
tique. Jamais homme avant lui, n’avoit faiſi avec
un egal empire l’esprit de ſes ſemblables; jamais
Rome ne ſit jurer per Genium Caeſaris,
comme Napoleon a fait jurer l’Europe par le ſien,

und dieſes merkwuͤrdige, obwohl von Gasconnaden
nicht freie Buch ſelbſt, geleſen hat, der wird gewiß
nicht die Richtigkeit der Ausſage des in der cisalpini-
ſchen Republik einſt ſehr bekannten Grafen Melzi d’
Eriles
bezweifeln, der von ihm geſagt haben ſoll,
cet homme a le chaos dans la tête et l’enfer dans
le coeur,
und wohl eben ſo laut, wie ich es einſt that,
ausrufen: Gott Lob, daß Napoleon Elba verlaſſen hat!

Denn ſeine Waghalſigkeit befoͤrderte das endliche
Ende des den deutſchen Erwartungen nicht entſprechen-
den Wienercongreſſes, verleitete die Franzoſen den
unverdient erhaltnen milden Frieden zu brechen —
der neue Krieg verſchaffte den Preuſſen und Britten
Gelegenheit zum Zamaſchen Siege bey belle alliance,
trieb den in ſeinem Schickſal untergetauchten Kaiſer
zur zweyten uͤbereilten Thronentſagung und veran-
laßte ſeine Verbannung nach St. Helena.

Unbeſchreiblichen Segen koͤnnten dieſe Erfolge der
Welt bringen, wenn man vor dem Abſchluß des neuen
Friedens recht beherzigte, was in der Schrift uͤber
die Rheinſche Mark
und die Bundesfeſtungen
und in Butte’s nothwendigen Bedingungen

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[0555] verleiten, der Welt einen Trank zuſammen zu quirlen, der ihr bitter, aber zuletzt auch ihm gewiß toͤdlich werden wuͤrde. Nachſchrift vom 20ſten Octbr. 1815. Napoleons Ausſchlagen der Friedensbedingungen von Chatillon zeigte offenbar, daß Gott, der Welt zum Beſten, das Herz dieſes europaͤiſchen Pharaos verſtockt habe, und wer in der Vorrede der Hiſtoire de l’am- baſſade de l’archeveque de Pradt dans le Duché de Warſovie en 1812. die Stelle: En France comme daus l’Enrope on n’a jamais parlé de ſang froid de Napoleon. La domination morale, qu’il a exerce ſur l’Europe, a depaſſé la domination poli- tique. Jamais homme avant lui, n’avoit faiſi avec un egal empire l’esprit de ſes ſemblables; jamais Rome ne ſit jurer per Genium Caeſaris, comme Napoleon a fait jurer l’Europe par le ſien, und dieſes merkwuͤrdige, obwohl von Gasconnaden nicht freie Buch ſelbſt, geleſen hat, der wird gewiß nicht die Richtigkeit der Ausſage des in der cisalpini- ſchen Republik einſt ſehr bekannten Grafen Melzi d’ Eriles bezweifeln, der von ihm geſagt haben ſoll, cet homme a le chaos dans la tête et l’enfer dans le coeur, und wohl eben ſo laut, wie ich es einſt that, ausrufen: Gott Lob, daß Napoleon Elba verlaſſen hat! Denn ſeine Waghalſigkeit befoͤrderte das endliche Ende des den deutſchen Erwartungen nicht entſprechen- den Wienercongreſſes, verleitete die Franzoſen den unverdient erhaltnen milden Frieden zu brechen — der neue Krieg verſchaffte den Preuſſen und Britten Gelegenheit zum Zamaſchen Siege bey belle alliance, trieb den in ſeinem Schickſal untergetauchten Kaiſer zur zweyten uͤbereilten Thronentſagung und veran- laßte ſeine Verbannung nach St. Helena. Unbeſchreiblichen Segen koͤnnten dieſe Erfolge der Welt bringen, wenn man vor dem Abſchluß des neuen Friedens recht beherzigte, was in der Schrift uͤber die Rheinſche Mark und die Bundesfeſtungen und in Butte’s nothwendigen Bedingungen

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/555>, abgerufen am 23.11.2024.