und nach aller Versicherung sehr getroffnen Portrait erkennen wird, so zog mich die ästhe- tische Wendung meines Geistes, die Wachs- artigkeit meines Herzens und die Kräftig- keit meiner Gesundheit auf Nebenwege des Lebens, die leicht in fadenlose Labyrinthe hätten ausarten können, wäre mein Vater nicht von andern braven Leuten gewarnt worden, mich nicht so ganz mir selbst zu überlassen. Es kam also ein Gerede mir zu Ohren, daß die Soldaten auf mich specu- lirten, weil ich das Studiren nicht mit Ernst zu treiben schiene. Ob ich nun gleich mei- nes Vaters gutes Vernehmen mit den höch- sten Militairpersonen kannte, mich auch lie- ber zu Officieren als bürgerlichen Gesell- schaften hielt, so wurde mir doch bey meiner Länge von beynahe sechs Fuß vor der Ein- soldatung so bange, daß ich ohne alles Wi- derstreben meinem Schlendergange entsagte und mich in die Tisch- und Stubenordnung des damaligen Magister Lindner begab, der der älteste Bruder meines obgedachten Freundes war und von der vaterländischen Schöngeisterey mit Recht der Anfänger, wenn gleich nicht der Vollender genannt werden kann.
und nach aller Verſicherung ſehr getroffnen Portrait erkennen wird, ſo zog mich die aͤſthe- tiſche Wendung meines Geiſtes, die Wachs- artigkeit meines Herzens und die Kraͤftig- keit meiner Geſundheit auf Nebenwege des Lebens, die leicht in fadenloſe Labyrinthe haͤtten ausarten koͤnnen, waͤre mein Vater nicht von andern braven Leuten gewarnt worden, mich nicht ſo ganz mir ſelbſt zu uͤberlaſſen. Es kam alſo ein Gerede mir zu Ohren, daß die Soldaten auf mich ſpecu- lirten, weil ich das Studiren nicht mit Ernſt zu treiben ſchiene. Ob ich nun gleich mei- nes Vaters gutes Vernehmen mit den hoͤch- ſten Militairperſonen kannte, mich auch lie- ber zu Officieren als buͤrgerlichen Geſell- ſchaften hielt, ſo wurde mir doch bey meiner Laͤnge von beynahe ſechs Fuß vor der Ein- ſoldatung ſo bange, daß ich ohne alles Wi- derſtreben meinem Schlendergange entſagte und mich in die Tiſch- und Stubenordnung des damaligen Magiſter Lindner begab, der der aͤlteſte Bruder meines obgedachten Freundes war und von der vaterlaͤndiſchen Schoͤngeiſterey mit Recht der Anfaͤnger, wenn gleich nicht der Vollender genannt werden kann.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0072"n="55"/>
und nach aller Verſicherung ſehr getroffnen<lb/>
Portrait erkennen wird, ſo zog mich die aͤſthe-<lb/>
tiſche Wendung meines Geiſtes, die Wachs-<lb/>
artigkeit meines Herzens und die Kraͤftig-<lb/>
keit meiner Geſundheit auf Nebenwege des<lb/>
Lebens, die leicht in fadenloſe Labyrinthe<lb/>
haͤtten ausarten koͤnnen, waͤre mein Vater<lb/>
nicht von andern braven Leuten gewarnt<lb/>
worden, mich nicht ſo ganz mir ſelbſt zu<lb/>
uͤberlaſſen. Es kam alſo ein Gerede mir zu<lb/>
Ohren, daß die Soldaten auf mich ſpecu-<lb/>
lirten, weil ich das Studiren nicht mit Ernſt<lb/>
zu treiben ſchiene. Ob ich nun gleich mei-<lb/>
nes Vaters gutes Vernehmen mit den hoͤch-<lb/>ſten Militairperſonen kannte, mich auch lie-<lb/>
ber zu Officieren als buͤrgerlichen Geſell-<lb/>ſchaften hielt, ſo wurde mir doch bey meiner<lb/>
Laͤnge von beynahe ſechs Fuß vor der Ein-<lb/>ſoldatung ſo bange, daß ich ohne alles Wi-<lb/>
derſtreben meinem Schlendergange entſagte<lb/>
und mich in die Tiſch- und Stubenordnung<lb/>
des damaligen Magiſter <hirendition="#g">Lindner</hi> begab,<lb/>
der der aͤlteſte Bruder meines obgedachten<lb/>
Freundes war und von der vaterlaͤndiſchen<lb/>
Schoͤngeiſterey mit Recht der Anfaͤnger, wenn<lb/>
gleich nicht der Vollender genannt werden<lb/>
kann.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[55/0072]
und nach aller Verſicherung ſehr getroffnen
Portrait erkennen wird, ſo zog mich die aͤſthe-
tiſche Wendung meines Geiſtes, die Wachs-
artigkeit meines Herzens und die Kraͤftig-
keit meiner Geſundheit auf Nebenwege des
Lebens, die leicht in fadenloſe Labyrinthe
haͤtten ausarten koͤnnen, waͤre mein Vater
nicht von andern braven Leuten gewarnt
worden, mich nicht ſo ganz mir ſelbſt zu
uͤberlaſſen. Es kam alſo ein Gerede mir zu
Ohren, daß die Soldaten auf mich ſpecu-
lirten, weil ich das Studiren nicht mit Ernſt
zu treiben ſchiene. Ob ich nun gleich mei-
nes Vaters gutes Vernehmen mit den hoͤch-
ſten Militairperſonen kannte, mich auch lie-
ber zu Officieren als buͤrgerlichen Geſell-
ſchaften hielt, ſo wurde mir doch bey meiner
Laͤnge von beynahe ſechs Fuß vor der Ein-
ſoldatung ſo bange, daß ich ohne alles Wi-
derſtreben meinem Schlendergange entſagte
und mich in die Tiſch- und Stubenordnung
des damaligen Magiſter Lindner begab,
der der aͤlteſte Bruder meines obgedachten
Freundes war und von der vaterlaͤndiſchen
Schoͤngeiſterey mit Recht der Anfaͤnger, wenn
gleich nicht der Vollender genannt werden
kann.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/72>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.