aufnehmen soll, muß aber diesem als Symbol adäquat seyn, welches nun auf doppelte Weise geschehen kann, entweder wenn es absolut form- los oder absolut geformt ist, denn beides ist selbst wieder eins und dasselbe. Die absolute Formlosigkeit ist eben die höchste, die absolute Form, wo sich das Unendliche in ein Endliches faßt, ohne von seinen Schranken berührt zu werden. Eben darum aber hat auch die wirk- lich absolute Form, in der alles Beschränkende aufgehoben ist, wie in den Götterbildungen des Jupiter, der Juno u. s. w. für uns wieder dieselbe Wirkung wie die absolute Formlosigkeit.
Die Natur ist allerdings nicht nur in ihrer unserer Fassungskraft unerreichbaren Größe oder in ihrer unserer physischen Gewalt unbesieg- baren Macht erhaben, sie ist es auch allgemein in dem Chaos oder, wie Schiller sich auch ausdrückt 1, in der Verwirrung ihrer Erscheinungen überhaupt.
Das Chaos ist die Grundanschauung des Erhabenen, denn wir fassen selbst die Masse, die für die sinnliche Anschauung zu groß, wie die Summe blinder Kräfte, die für unsere physische Macht zu gewaltig ist, in der Anschauung nur als Chaos auf, und nur insofern wird es uns zum Symbol des Unendlichen.
Die Grundanschauung des Chaos selbst liegt in der Anschauung des Absoluten. Das innere Wesen des Absoluten, worin alles als eins und eins als alles liegt, ist das ursprüngliche Chaos selbst; aber eben auch hier begegnen wir jener Identität der absoluten Form mit der Formlosigkeit; denn jenes Chaos im Absoluten ist nicht bloße Negation der Form, sondern Formlosigkeit in der höchsten und abso- luten Form, sowie umgekehrt höchste und absolute Form in der Form- losigkeit: absolute Form, weil in jede Form alle und in alle jede gebildet ist, Formlosigkeit, weil eben in dieser Einheit aller Formen keine als besondere unterschieden wird 2.
1 a. a. O. S. 293. D. H.
2 Man vergl. zu dem Gedanken: Formlosigkeit = absolute (höchste) Form die Einleitung zum Kritischen Journal (Ueber das Wesen der philos. Kritik über- haupt u. s. w.) S. IX. (oben S. 7). D. H.
Schelling, sämmtl. Werke. 1. Abth. V. 30
aufnehmen ſoll, muß aber dieſem als Symbol adäquat ſeyn, welches nun auf doppelte Weiſe geſchehen kann, entweder wenn es abſolut form- los oder abſolut geformt iſt, denn beides iſt ſelbſt wieder eins und daſſelbe. Die abſolute Formloſigkeit iſt eben die höchſte, die abſolute Form, wo ſich das Unendliche in ein Endliches faßt, ohne von ſeinen Schranken berührt zu werden. Eben darum aber hat auch die wirk- lich abſolute Form, in der alles Beſchränkende aufgehoben iſt, wie in den Götterbildungen des Jupiter, der Juno u. ſ. w. für uns wieder dieſelbe Wirkung wie die abſolute Formloſigkeit.
Die Natur iſt allerdings nicht nur in ihrer unſerer Faſſungskraft unerreichbaren Größe oder in ihrer unſerer phyſiſchen Gewalt unbeſieg- baren Macht erhaben, ſie iſt es auch allgemein in dem Chaos oder, wie Schiller ſich auch ausdrückt 1, in der Verwirrung ihrer Erſcheinungen überhaupt.
Das Chaos iſt die Grundanſchauung des Erhabenen, denn wir faſſen ſelbſt die Maſſe, die für die ſinnliche Anſchauung zu groß, wie die Summe blinder Kräfte, die für unſere phyſiſche Macht zu gewaltig iſt, in der Anſchauung nur als Chaos auf, und nur inſofern wird es uns zum Symbol des Unendlichen.
Die Grundanſchauung des Chaos ſelbſt liegt in der Anſchauung des Abſoluten. Das innere Weſen des Abſoluten, worin alles als eins und eins als alles liegt, iſt das urſprüngliche Chaos ſelbſt; aber eben auch hier begegnen wir jener Identität der abſoluten Form mit der Formloſigkeit; denn jenes Chaos im Abſoluten iſt nicht bloße Negation der Form, ſondern Formloſigkeit in der höchſten und abſo- luten Form, ſowie umgekehrt höchſte und abſolute Form in der Form- loſigkeit: abſolute Form, weil in jede Form alle und in alle jede gebildet iſt, Formloſigkeit, weil eben in dieſer Einheit aller Formen keine als beſondere unterſchieden wird 2.
1 a. a. O. S. 293. D. H.
2 Man vergl. zu dem Gedanken: Formloſigkeit = abſolute (höchſte) Form die Einleitung zum Kritiſchen Journal (Ueber das Weſen der philoſ. Kritik über- haupt u. ſ. w.) S. IX. (oben S. 7). D. H.
Schelling, ſämmtl. Werke. 1. Abth. V. 30
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aufnehmen ſoll, muß aber dieſem als Symbol adäquat ſeyn, welches
nun auf doppelte Weiſe geſchehen kann, entweder wenn es abſolut form-
los oder abſolut geformt iſt, denn beides iſt ſelbſt wieder eins und
daſſelbe. Die abſolute Formloſigkeit iſt eben die höchſte, die abſolute
Form, wo ſich das Unendliche in ein Endliches faßt, ohne von ſeinen
Schranken berührt zu werden. Eben darum aber hat auch die wirk-
lich abſolute Form, in der alles Beſchränkende aufgehoben iſt, wie in
den Götterbildungen des Jupiter, der Juno u. ſ. w. für uns wieder
dieſelbe Wirkung wie die abſolute Formloſigkeit.
Die Natur iſt allerdings nicht nur in ihrer unſerer Faſſungskraft
unerreichbaren Größe oder in ihrer unſerer phyſiſchen Gewalt unbeſieg-
baren Macht erhaben, ſie iſt es auch allgemein in dem Chaos oder, wie
Schiller ſich auch ausdrückt 1, in der Verwirrung ihrer Erſcheinungen
überhaupt.
Das Chaos iſt die Grundanſchauung des Erhabenen, denn wir
faſſen ſelbſt die Maſſe, die für die ſinnliche Anſchauung zu groß, wie
die Summe blinder Kräfte, die für unſere phyſiſche Macht zu gewaltig
iſt, in der Anſchauung nur als Chaos auf, und nur inſofern wird es
uns zum Symbol des Unendlichen.
Die Grundanſchauung des Chaos ſelbſt liegt in der Anſchauung
des Abſoluten. Das innere Weſen des Abſoluten, worin alles als
eins und eins als alles liegt, iſt das urſprüngliche Chaos ſelbſt;
aber eben auch hier begegnen wir jener Identität der abſoluten Form
mit der Formloſigkeit; denn jenes Chaos im Abſoluten iſt nicht bloße
Negation der Form, ſondern Formloſigkeit in der höchſten und abſo-
luten Form, ſowie umgekehrt höchſte und abſolute Form in der Form-
loſigkeit: abſolute Form, weil in jede Form alle und in alle jede
gebildet iſt, Formloſigkeit, weil eben in dieſer Einheit aller Formen
keine als beſondere unterſchieden wird 2.
1 a. a. O. S. 293. D. H.
2 Man vergl. zu dem Gedanken: Formloſigkeit = abſolute (höchſte) Form die
Einleitung zum Kritiſchen Journal (Ueber das Weſen der philoſ. Kritik über-
haupt u. ſ. w.) S. IX. (oben S. 7). D. H.
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/141>, abgerufen am 16.07.2024.
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