Schönheit seyn. Da übrigens Schönheit immer und nothwendig Begren- zung fordert, so wird die Begrenzungslosigkeit selbst zur Form wie in der Bildung des Jupiter, wo keine als die nothwendige Begrenzung ist, nur damit überhaupt ein Bild sey, denn übrigens ist alle andere Begrenzung aufgehoben, z. B. weder jung noch alt. Ebenso ist Juno nur so viel begrenzt, als nöthig ist weibliche Gestalt zu seyn. Je geringer die Begrenzung, innerhalb welcher ein Bild als Schönheit ist, desto mehr neigt es gegen das Erhabene hin, ohne doch aufzuhören Schönheit zu seyn. Apollos Schönheit hat mehr Begrenzung als Jupiters -- er ist jugendlich-schön. Bei ihm ist die Begrenzung nicht bloß wie bei Jupiter so weit, daß nur überhaupt das Unendliche im End- lichen erscheint, das Endliche gilt auch schon für sich wieder als einge- bildet dem Unendlichen. Näher liegt das Beispiel der männlichen und weiblichen Schönheit; dort zeigt auch die Natur nur das Nothwendige von Begrenzung, hier ist sie freigebig mit derselben.
Hieraus folgt, daß zwischen Erhabenheit und Schönheit kein quali- tativer und wesentlicher, sondern nur ein quantitativer Gegensatz. Das Mehr oder Weniger von Schönheit oder von Erhabenheit gehört (dient) selbst wieder zur Begrenzung: Juno = erhabene Schönheit, Minerva = schöne Erhabenheit. Je mehr aber die Begrenzung das Unendliche versöhnt, desto reiner schön.
Indeß weil eben wegen der Indifferenz des Erhabenen und Schönen die Bestimmung auch wieder relativ wird, so daß dasselbe, was in einer Beziehung als Erhabenheit begriffen wird, z. B. das Bild der Juno, in einer andern Beziehung wieder als Schönheit im Gegensatz gegen Erhabenheit erscheinen kann (wie Juno im Vergleich mit Jupiter), so erhellt, daß überhaupt und in keiner Sphäre etwas schön genannt werden kann, das in anderer Beziehung nicht auch erhaben wäre, daß aber eben deßwegen in jedem, das nur überhaupt für sich absolut ist, beides unauflöslich voneinander durchdrungen erscheine, wie z. B. Juno, nicht verglichen, sondern für sich betrachtet, oder um aus einer andern Sphäre Beispiele zu nehmen, Sophokles im Vergleich mit Aeschylos als schön, für sich aber und absolut betrachtet, als
Schönheit ſeyn. Da übrigens Schönheit immer und nothwendig Begren- zung fordert, ſo wird die Begrenzungsloſigkeit ſelbſt zur Form wie in der Bildung des Jupiter, wo keine als die nothwendige Begrenzung iſt, nur damit überhaupt ein Bild ſey, denn übrigens iſt alle andere Begrenzung aufgehoben, z. B. weder jung noch alt. Ebenſo iſt Juno nur ſo viel begrenzt, als nöthig iſt weibliche Geſtalt zu ſeyn. Je geringer die Begrenzung, innerhalb welcher ein Bild als Schönheit iſt, deſto mehr neigt es gegen das Erhabene hin, ohne doch aufzuhören Schönheit zu ſeyn. Apollos Schönheit hat mehr Begrenzung als Jupiters — er iſt jugendlich-ſchön. Bei ihm iſt die Begrenzung nicht bloß wie bei Jupiter ſo weit, daß nur überhaupt das Unendliche im End- lichen erſcheint, das Endliche gilt auch ſchon für ſich wieder als einge- bildet dem Unendlichen. Näher liegt das Beiſpiel der männlichen und weiblichen Schönheit; dort zeigt auch die Natur nur das Nothwendige von Begrenzung, hier iſt ſie freigebig mit derſelben.
Hieraus folgt, daß zwiſchen Erhabenheit und Schönheit kein quali- tativer und weſentlicher, ſondern nur ein quantitativer Gegenſatz. Das Mehr oder Weniger von Schönheit oder von Erhabenheit gehört (dient) ſelbſt wieder zur Begrenzung: Juno = erhabene Schönheit, Minerva = ſchöne Erhabenheit. Je mehr aber die Begrenzung das Unendliche verſöhnt, deſto reiner ſchön.
Indeß weil eben wegen der Indifferenz des Erhabenen und Schönen die Beſtimmung auch wieder relativ wird, ſo daß daſſelbe, was in einer Beziehung als Erhabenheit begriffen wird, z. B. das Bild der Juno, in einer andern Beziehung wieder als Schönheit im Gegenſatz gegen Erhabenheit erſcheinen kann (wie Juno im Vergleich mit Jupiter), ſo erhellt, daß überhaupt und in keiner Sphäre etwas ſchön genannt werden kann, das in anderer Beziehung nicht auch erhaben wäre, daß aber eben deßwegen in jedem, das nur überhaupt für ſich abſolut iſt, beides unauflöslich voneinander durchdrungen erſcheine, wie z. B. Juno, nicht verglichen, ſondern für ſich betrachtet, oder um aus einer andern Sphäre Beiſpiele zu nehmen, Sophokles im Vergleich mit Aeſchylos als ſchön, für ſich aber und abſolut betrachtet, als
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Schönheit ſeyn. Da übrigens Schönheit immer und nothwendig Begren-
zung fordert, ſo wird die Begrenzungsloſigkeit ſelbſt zur Form wie
in der Bildung des Jupiter, wo keine als die nothwendige Begrenzung
iſt, nur damit überhaupt ein Bild ſey, denn übrigens iſt alle
andere Begrenzung aufgehoben, z. B. weder jung noch alt. Ebenſo iſt
Juno nur ſo viel begrenzt, als nöthig iſt weibliche Geſtalt zu ſeyn.
Je geringer die Begrenzung, innerhalb welcher ein Bild als Schönheit
iſt, deſto mehr neigt es gegen das Erhabene hin, ohne doch aufzuhören
Schönheit zu ſeyn. Apollos Schönheit hat mehr Begrenzung als Jupiters
— er iſt jugendlich-ſchön. Bei ihm iſt die Begrenzung nicht bloß
wie bei Jupiter ſo weit, daß nur überhaupt das Unendliche im End-
lichen erſcheint, das Endliche gilt auch ſchon für ſich wieder als einge-
bildet dem Unendlichen. Näher liegt das Beiſpiel der männlichen und
weiblichen Schönheit; dort zeigt auch die Natur nur das Nothwendige
von Begrenzung, hier iſt ſie freigebig mit derſelben.
Hieraus folgt, daß zwiſchen Erhabenheit und Schönheit kein quali-
tativer und weſentlicher, ſondern nur ein quantitativer Gegenſatz. Das
Mehr oder Weniger von Schönheit oder von Erhabenheit gehört (dient)
ſelbſt wieder zur Begrenzung: Juno = erhabene Schönheit, Minerva
= ſchöne Erhabenheit. Je mehr aber die Begrenzung das Unendliche
verſöhnt, deſto reiner ſchön.
Indeß weil eben wegen der Indifferenz des Erhabenen und
Schönen die Beſtimmung auch wieder relativ wird, ſo daß daſſelbe,
was in einer Beziehung als Erhabenheit begriffen wird, z. B. das
Bild der Juno, in einer andern Beziehung wieder als Schönheit im
Gegenſatz gegen Erhabenheit erſcheinen kann (wie Juno im Vergleich
mit Jupiter), ſo erhellt, daß überhaupt und in keiner Sphäre etwas
ſchön genannt werden kann, das in anderer Beziehung nicht auch erhaben
wäre, daß aber eben deßwegen in jedem, das nur überhaupt für ſich
abſolut iſt, beides unauflöslich voneinander durchdrungen erſcheine,
wie z. B. Juno, nicht verglichen, ſondern für ſich betrachtet, oder um
aus einer andern Sphäre Beiſpiele zu nehmen, Sophokles im Vergleich
mit Aeſchylos als ſchön, für ſich aber und abſolut betrachtet, als
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/145>, abgerufen am 24.11.2024.
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