Allgemeine Anmerkung über die bis jetzt von §. 64--69 abgehandelten Gegensätze.
Diese Gegensätze gehören alle zu einer und derselben Familie und gehen sämmtlich aus dem ersten Verhältniß der Kunst als absoluter Form zu der besondern Form hervor, die durch die Individuen gesetzt ist, durch welche sie sich äußert. Sie mußten daher gerade hier her- vortreten.
Gleich der erste -- für die Reflexion zu machende -- Gegensatz der Poesie und der Kunst zeigt uns jene als absolute, diese als beson- dere Form; das was in dem Genie an sich absolut-eins ist, zerlegt sich in diese beiden Erscheinungsweisen, die übrigens in ihrer Absolut- heit wieder eins und dasselbe sind. Ebenso was in dem Schönen an und für sich schlechthin eins ist, zerlegt sich in dem besonderen Objekt, dem einzelnen Kunstwerk, in die zwei Erscheinungsweisen des Erhabenen und Schönen, die übrigens auch wieder nur in ihrer Nicht-Absolutheit verschieden sind, so daß, wie in dem vollendeten Künstler Poesie und Kunst, ebenso in den höchsten Werken sich Erhabenheit und Schönheit unauflösbar durchdringen. Als Erhabenheit erscheint überall die abso- lute und allgemeine Form der Kunst, in welcher das Besondere nur ist, um die ganze Unendlichkeit in sich aufzunehmen. Als Schönheit insbesondere erscheint die besondere Form als versöhnt der absoluten und ganz in sie aufgenommen, ganz mit ihr eins.
Diesen Gegensätzen sind die folgenden nicht gleich zu setzen, die nur entweder in der Poesie für sich oder in der Kunst für sich statt- finden, und die im ersten Fall, wo sie als Naives und Sentimen- tales erscheinen, selbst bloß subjektiv sind (indem es schon eine Sub- jektivität ist, das Absolute nur als naiv zu begreifen, das Sentimentale aber als solches absolut verwerflich ist) -- sowie denn in dem anderen Fall wiederum nur das Eine von beiden das Absolute bezeichnet, ob- gleich allerdings die Verschiedenheit der Richtung besteht, in welcher das Absolute, der Styl, erreichbar ist.
Innerhalb dieser bloß subjektiven und formellen Entgegensetzung
Allgemeine Anmerkung über die bis jetzt von §. 64—69 abgehandelten Gegenſätze.
Dieſe Gegenſätze gehören alle zu einer und derſelben Familie und gehen ſämmtlich aus dem erſten Verhältniß der Kunſt als abſoluter Form zu der beſondern Form hervor, die durch die Individuen geſetzt iſt, durch welche ſie ſich äußert. Sie mußten daher gerade hier her- vortreten.
Gleich der erſte — für die Reflexion zu machende — Gegenſatz der Poeſie und der Kunſt zeigt uns jene als abſolute, dieſe als beſon- dere Form; das was in dem Genie an ſich abſolut-eins iſt, zerlegt ſich in dieſe beiden Erſcheinungsweiſen, die übrigens in ihrer Abſolut- heit wieder eins und daſſelbe ſind. Ebenſo was in dem Schönen an und für ſich ſchlechthin eins iſt, zerlegt ſich in dem beſonderen Objekt, dem einzelnen Kunſtwerk, in die zwei Erſcheinungsweiſen des Erhabenen und Schönen, die übrigens auch wieder nur in ihrer Nicht-Abſolutheit verſchieden ſind, ſo daß, wie in dem vollendeten Künſtler Poeſie und Kunſt, ebenſo in den höchſten Werken ſich Erhabenheit und Schönheit unauflösbar durchdringen. Als Erhabenheit erſcheint überall die abſo- lute und allgemeine Form der Kunſt, in welcher das Beſondere nur iſt, um die ganze Unendlichkeit in ſich aufzunehmen. Als Schönheit insbeſondere erſcheint die beſondere Form als verſöhnt der abſoluten und ganz in ſie aufgenommen, ganz mit ihr eins.
Dieſen Gegenſätzen ſind die folgenden nicht gleich zu ſetzen, die nur entweder in der Poeſie für ſich oder in der Kunſt für ſich ſtatt- finden, und die im erſten Fall, wo ſie als Naives und Sentimen- tales erſcheinen, ſelbſt bloß ſubjektiv ſind (indem es ſchon eine Sub- jektivität iſt, das Abſolute nur als naiv zu begreifen, das Sentimentale aber als ſolches abſolut verwerflich iſt) — ſowie denn in dem anderen Fall wiederum nur das Eine von beiden das Abſolute bezeichnet, ob- gleich allerdings die Verſchiedenheit der Richtung beſteht, in welcher das Abſolute, der Styl, erreichbar iſt.
Innerhalb dieſer bloß ſubjektiven und formellen Entgegenſetzung
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Allgemeine Anmerkung über die bis jetzt von §. 64—69
abgehandelten Gegenſätze.
Dieſe Gegenſätze gehören alle zu einer und derſelben Familie und
gehen ſämmtlich aus dem erſten Verhältniß der Kunſt als abſoluter
Form zu der beſondern Form hervor, die durch die Individuen geſetzt
iſt, durch welche ſie ſich äußert. Sie mußten daher gerade hier her-
vortreten.
Gleich der erſte — für die Reflexion zu machende — Gegenſatz
der Poeſie und der Kunſt zeigt uns jene als abſolute, dieſe als beſon-
dere Form; das was in dem Genie an ſich abſolut-eins iſt, zerlegt
ſich in dieſe beiden Erſcheinungsweiſen, die übrigens in ihrer Abſolut-
heit wieder eins und daſſelbe ſind. Ebenſo was in dem Schönen an
und für ſich ſchlechthin eins iſt, zerlegt ſich in dem beſonderen Objekt,
dem einzelnen Kunſtwerk, in die zwei Erſcheinungsweiſen des Erhabenen
und Schönen, die übrigens auch wieder nur in ihrer Nicht-Abſolutheit
verſchieden ſind, ſo daß, wie in dem vollendeten Künſtler Poeſie und
Kunſt, ebenſo in den höchſten Werken ſich Erhabenheit und Schönheit
unauflösbar durchdringen. Als Erhabenheit erſcheint überall die abſo-
lute und allgemeine Form der Kunſt, in welcher das Beſondere nur
iſt, um die ganze Unendlichkeit in ſich aufzunehmen. Als Schönheit
insbeſondere erſcheint die beſondere Form als verſöhnt der abſoluten
und ganz in ſie aufgenommen, ganz mit ihr eins.
Dieſen Gegenſätzen ſind die folgenden nicht gleich zu ſetzen, die
nur entweder in der Poeſie für ſich oder in der Kunſt für ſich ſtatt-
finden, und die im erſten Fall, wo ſie als Naives und Sentimen-
tales erſcheinen, ſelbſt bloß ſubjektiv ſind (indem es ſchon eine Sub-
jektivität iſt, das Abſolute nur als naiv zu begreifen, das Sentimentale
aber als ſolches abſolut verwerflich iſt) — ſowie denn in dem anderen
Fall wiederum nur das Eine von beiden das Abſolute bezeichnet, ob-
gleich allerdings die Verſchiedenheit der Richtung beſteht, in welcher das
Abſolute, der Styl, erreichbar iſt.
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/154>, abgerufen am 21.11.2024.
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