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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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verhält sich aber das Naive und der Styl allerdings als absolute, wie
das Sentimentale und die Manier immer als besondere Form. Man
kann diese Gegensätze wieder auf einander beziehen und z. B. bemerken,
daß Manier nie naiv seyn kann, sowie daß das Sentimentale immer
und nothwendig manierirt ist. Man kann ferner sagen, daß Manier
immer bloße Kunst ohne Poesie, d. h. nicht-absolute Kunst sey, daß
mit der Manier sich keine Erhabenheit, eben deßwegen aber auch nicht
Schönheit im absoluten Sinne vertrage. Ferner, daß das Sentimen-
tale immer mehr als Kunst denn als Poesie erscheinen könne, und
eben dadurch selbst der Absolutheit entbehre.

Aber wir sind durch das Bisherige noch immer nicht bis zur Con-
struktion des besonderen Kunstwerks vorgedrungen. Das Absolute bezieht
sich (nach den Beweisen des §. 62) auf das hervorbringende Indivi-
duum durch den ewigen Begriff, der von ihm im Absoluten ist. Dieser
ewige Begriff, das An-sich der Seele, zerlegt sich in der Erschei-
nung
in Poesie und Kunst und die übrigen Gegensätze, oder vielmehr
er ist der absolute Identitätspunkt dieser Gegensätze, die es nur für
die Reflexion sind.

Es war nicht um diese Gegensätze als solche zu thun, sondern um
die Erkenntniß des Genies. Das, wovon alle diese Gegensätze nur
entweder die einseitigen Erscheinungsweisen oder Bestimmungen sind, ist
das absolute Princip der Kunst, das dem Künstler eingebildete Göttliche
oder An-sich. In dem Kunstwerk an und für sich sollen diese Ent-
gegensetzungen nie als solche hervortreten, in diesem soll immer nur das
Absolute objektiv werden.

Die bisherige Untersuchung war also bloß beschäftigt, das Genie
als die absolute Indifferenz aller möglichen Gegensätze zwischen dem
Allgemeinen und Besondern, die sich in der Beziehung der Idee
oder des ewigen Begriffs auf ein Individuum hervorthun
können
, darzustellen. Das Genie ist eben selbst schon das, worin das
Allgemeine der Idee und das Besondere des Individuums wieder gleich-
gesetzt wird. Aber dieses Princip der Kunst, damit es dem gleiche,
dessen unmittelbarer Ausfluß es ist -- dem Ewigen -- muß wie dieses

verhält ſich aber das Naive und der Styl allerdings als abſolute, wie
das Sentimentale und die Manier immer als beſondere Form. Man
kann dieſe Gegenſätze wieder auf einander beziehen und z. B. bemerken,
daß Manier nie naiv ſeyn kann, ſowie daß das Sentimentale immer
und nothwendig manierirt iſt. Man kann ferner ſagen, daß Manier
immer bloße Kunſt ohne Poeſie, d. h. nicht-abſolute Kunſt ſey, daß
mit der Manier ſich keine Erhabenheit, eben deßwegen aber auch nicht
Schönheit im abſoluten Sinne vertrage. Ferner, daß das Sentimen-
tale immer mehr als Kunſt denn als Poeſie erſcheinen könne, und
eben dadurch ſelbſt der Abſolutheit entbehre.

Aber wir ſind durch das Bisherige noch immer nicht bis zur Con-
ſtruktion des beſonderen Kunſtwerks vorgedrungen. Das Abſolute bezieht
ſich (nach den Beweiſen des §. 62) auf das hervorbringende Indivi-
duum durch den ewigen Begriff, der von ihm im Abſoluten iſt. Dieſer
ewige Begriff, das An-ſich der Seele, zerlegt ſich in der Erſchei-
nung
in Poeſie und Kunſt und die übrigen Gegenſätze, oder vielmehr
er iſt der abſolute Identitätspunkt dieſer Gegenſätze, die es nur für
die Reflexion ſind.

Es war nicht um dieſe Gegenſätze als ſolche zu thun, ſondern um
die Erkenntniß des Genies. Das, wovon alle dieſe Gegenſätze nur
entweder die einſeitigen Erſcheinungsweiſen oder Beſtimmungen ſind, iſt
das abſolute Princip der Kunſt, das dem Künſtler eingebildete Göttliche
oder An-ſich. In dem Kunſtwerk an und für ſich ſollen dieſe Ent-
gegenſetzungen nie als ſolche hervortreten, in dieſem ſoll immer nur das
Abſolute objektiv werden.

Die bisherige Unterſuchung war alſo bloß beſchäftigt, das Genie
als die abſolute Indifferenz aller möglichen Gegenſätze zwiſchen dem
Allgemeinen und Beſondern, die ſich in der Beziehung der Idee
oder des ewigen Begriffs auf ein Individuum hervorthun
können
, darzuſtellen. Das Genie iſt eben ſelbſt ſchon das, worin das
Allgemeine der Idee und das Beſondere des Individuums wieder gleich-
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[479/0155] verhält ſich aber das Naive und der Styl allerdings als abſolute, wie das Sentimentale und die Manier immer als beſondere Form. Man kann dieſe Gegenſätze wieder auf einander beziehen und z. B. bemerken, daß Manier nie naiv ſeyn kann, ſowie daß das Sentimentale immer und nothwendig manierirt iſt. Man kann ferner ſagen, daß Manier immer bloße Kunſt ohne Poeſie, d. h. nicht-abſolute Kunſt ſey, daß mit der Manier ſich keine Erhabenheit, eben deßwegen aber auch nicht Schönheit im abſoluten Sinne vertrage. Ferner, daß das Sentimen- tale immer mehr als Kunſt denn als Poeſie erſcheinen könne, und eben dadurch ſelbſt der Abſolutheit entbehre. Aber wir ſind durch das Bisherige noch immer nicht bis zur Con- ſtruktion des beſonderen Kunſtwerks vorgedrungen. Das Abſolute bezieht ſich (nach den Beweiſen des §. 62) auf das hervorbringende Indivi- duum durch den ewigen Begriff, der von ihm im Abſoluten iſt. Dieſer ewige Begriff, das An-ſich der Seele, zerlegt ſich in der Erſchei- nung in Poeſie und Kunſt und die übrigen Gegenſätze, oder vielmehr er iſt der abſolute Identitätspunkt dieſer Gegenſätze, die es nur für die Reflexion ſind. Es war nicht um dieſe Gegenſätze als ſolche zu thun, ſondern um die Erkenntniß des Genies. Das, wovon alle dieſe Gegenſätze nur entweder die einſeitigen Erſcheinungsweiſen oder Beſtimmungen ſind, iſt das abſolute Princip der Kunſt, das dem Künſtler eingebildete Göttliche oder An-ſich. In dem Kunſtwerk an und für ſich ſollen dieſe Ent- gegenſetzungen nie als ſolche hervortreten, in dieſem ſoll immer nur das Abſolute objektiv werden. Die bisherige Unterſuchung war alſo bloß beſchäftigt, das Genie als die abſolute Indifferenz aller möglichen Gegenſätze zwiſchen dem Allgemeinen und Beſondern, die ſich in der Beziehung der Idee oder des ewigen Begriffs auf ein Individuum hervorthun können, darzuſtellen. Das Genie iſt eben ſelbſt ſchon das, worin das Allgemeine der Idee und das Beſondere des Individuums wieder gleich- geſetzt wird. Aber dieſes Princip der Kunſt, damit es dem gleiche, deſſen unmittelbarer Ausfluß es iſt — dem Ewigen — muß wie dieſes

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/155>, abgerufen am 24.11.2024.