eine Menge von Tönen, und zwar so, daß die consonirenden über- wiegen, anstatt daß dort die dissonirenden. Das geübte Ohr unter- scheidet sie sogar und hört außer dem Unisonus oder Grundton auch noch dessen Oktave, die Oktave der Quinte u. s. w. Die Vielheit, welche in der Cohärenz als solcher mit der Einheit verbunden ist, wird also in dem Klang eine lebendige Vielheit, eine sich selbst affirmirende Vielheit.
2. Da die Sonorität der Körper durch die Cohärenz gesetzt ist, so ist auch das Schallen selbst nichts anderes als die Wiederherstellung oder die Affirmation, d. h. die Identität in der Cohärenz, wodurch sich der Körper -- aus der Identität gesetzt -- zur Ruhe und zum Seyn in sich selbst reconstruirt.
Der Klang selbst ist nichts anderes als die Anschauung der Seele des Körpers selbst oder des ihm unmittelbar verbundenen Begriffs in der unmittelbaren Beziehung auf dieses Endliche. Die Bedingung des Klangs ist Differenziirung des Begriffs und des Seyns, der Seele und des Leibs in dem Körper, der Akt der Indifferenziirung selbst ist es, in welchem das Ideale in der Wiedereinbildung ins Reale als Klang vernehmbar wird.
Bedingung des Schalls ist daher, daß der Körper aus der In- differenz gesetzt werde, welches durch Berührung eines anderen geschieht.
3. Wir müssen unmittelbar mit dieser Ansicht des Klanges die des Gehörs verbinden. -- Die Wurzel des Gehörsinns liegt schon in der anorgischen Natur, im Magnetismus. Das Gehörorgan selbst ist nur der zur organischen Vollkommenheit entwickelte Magnetismus. Die Natur integrirt allgemein in der organischen Natur die anorgische durch ihre entgegengesetzte Einheit. Diese (die anorgische) ist bloß Unendliches im Endlichen. Dieß ist z. B. der Klang oder Schall. Integrirt mit dem Entgegengesetzten wird er = Gehör. Auch das Gehörorgan besteht äußerlich aus starren und sonoren Körpern, nur daß mit dieser Ein- heit die entgegengesetzte der Wiederaufnahme der Differenz im Schall in die Indifferenz verbunden ist. Der todt genannte Körper hat von dem Hören die eine Einheit, es fehlt ihm nur die andere.
eine Menge von Tönen, und zwar ſo, daß die conſonirenden über- wiegen, anſtatt daß dort die diſſonirenden. Das geübte Ohr unter- ſcheidet ſie ſogar und hört außer dem Uniſonus oder Grundton auch noch deſſen Oktave, die Oktave der Quinte u. ſ. w. Die Vielheit, welche in der Cohärenz als ſolcher mit der Einheit verbunden iſt, wird alſo in dem Klang eine lebendige Vielheit, eine ſich ſelbſt affirmirende Vielheit.
2. Da die Sonorität der Körper durch die Cohärenz geſetzt iſt, ſo iſt auch das Schallen ſelbſt nichts anderes als die Wiederherſtellung oder die Affirmation, d. h. die Identität in der Cohärenz, wodurch ſich der Körper — aus der Identität geſetzt — zur Ruhe und zum Seyn in ſich ſelbſt reconſtruirt.
Der Klang ſelbſt iſt nichts anderes als die Anſchauung der Seele des Körpers ſelbſt oder des ihm unmittelbar verbundenen Begriffs in der unmittelbaren Beziehung auf dieſes Endliche. Die Bedingung des Klangs iſt Differenziirung des Begriffs und des Seyns, der Seele und des Leibs in dem Körper, der Akt der Indifferenziirung ſelbſt iſt es, in welchem das Ideale in der Wiedereinbildung ins Reale als Klang vernehmbar wird.
Bedingung des Schalls iſt daher, daß der Körper aus der In- differenz geſetzt werde, welches durch Berührung eines anderen geſchieht.
3. Wir müſſen unmittelbar mit dieſer Anſicht des Klanges die des Gehörs verbinden. — Die Wurzel des Gehörſinns liegt ſchon in der anorgiſchen Natur, im Magnetismus. Das Gehörorgan ſelbſt iſt nur der zur organiſchen Vollkommenheit entwickelte Magnetismus. Die Natur integrirt allgemein in der organiſchen Natur die anorgiſche durch ihre entgegengeſetzte Einheit. Dieſe (die anorgiſche) iſt bloß Unendliches im Endlichen. Dieß iſt z. B. der Klang oder Schall. Integrirt mit dem Entgegengeſetzten wird er = Gehör. Auch das Gehörorgan beſteht äußerlich aus ſtarren und ſonoren Körpern, nur daß mit dieſer Ein- heit die entgegengeſetzte der Wiederaufnahme der Differenz im Schall in die Indifferenz verbunden iſt. Der todt genannte Körper hat von dem Hören die eine Einheit, es fehlt ihm nur die andere.
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eine Menge von Tönen, und zwar ſo, daß die conſonirenden über-
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ſcheidet ſie ſogar und hört außer dem Uniſonus oder Grundton auch
noch deſſen Oktave, die Oktave der Quinte u. ſ. w. Die Vielheit,
welche in der Cohärenz als ſolcher mit der Einheit verbunden iſt, wird
alſo in dem Klang eine lebendige Vielheit, eine ſich ſelbſt affirmirende
Vielheit.
2. Da die Sonorität der Körper durch die Cohärenz geſetzt iſt,
ſo iſt auch das Schallen ſelbſt nichts anderes als die Wiederherſtellung
oder die Affirmation, d. h. die Identität in der Cohärenz, wodurch
ſich der Körper — aus der Identität geſetzt — zur Ruhe und zum
Seyn in ſich ſelbſt reconſtruirt.
Der Klang ſelbſt iſt nichts anderes als die Anſchauung der Seele
des Körpers ſelbſt oder des ihm unmittelbar verbundenen Begriffs in
der unmittelbaren Beziehung auf dieſes Endliche. Die Bedingung des
Klangs iſt Differenziirung des Begriffs und des Seyns, der Seele
und des Leibs in dem Körper, der Akt der Indifferenziirung ſelbſt iſt
es, in welchem das Ideale in der Wiedereinbildung ins Reale als
Klang vernehmbar wird.
Bedingung des Schalls iſt daher, daß der Körper aus der In-
differenz geſetzt werde, welches durch Berührung eines anderen geſchieht.
3. Wir müſſen unmittelbar mit dieſer Anſicht des Klanges die
des Gehörs verbinden. — Die Wurzel des Gehörſinns liegt ſchon in
der anorgiſchen Natur, im Magnetismus. Das Gehörorgan ſelbſt iſt
nur der zur organiſchen Vollkommenheit entwickelte Magnetismus. Die
Natur integrirt allgemein in der organiſchen Natur die anorgiſche durch
ihre entgegengeſetzte Einheit. Dieſe (die anorgiſche) iſt bloß Unendliches
im Endlichen. Dieß iſt z. B. der Klang oder Schall. Integrirt mit
dem Entgegengeſetzten wird er = Gehör. Auch das Gehörorgan beſteht
äußerlich aus ſtarren und ſonoren Körpern, nur daß mit dieſer Ein-
heit die entgegengeſetzte der Wiederaufnahme der Differenz im Schall
in die Indifferenz verbunden iſt. Der todt genannte Körper hat von
dem Hören die eine Einheit, es fehlt ihm nur die andere.
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/166>, abgerufen am 21.11.2024.
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