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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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Dieser noch immer bloß einfache Rhythmus, der darin besteht,
daß die Folge der Töne in gleich lange Glieder eingetheilt wird, wo-
von jedes durch etwas Empfindbares unterschieden von dem andern,
hat dennoch schon sehr vielerlei Arten, z. B. er kann gerad oder un-
gerad seyn u. s. w. Aber mehrere Takte zusammen können wieder zu
Gliedern vereinigt werden, welches eine höhere Potenz des Rhythmus
-- zusammengesetzter Rhythmus ist (in der Poesie das Distichon). End-
lich können auch aus diesen schon zusammengesetzten Gliedern wieder
größere (Perioden) gemacht werden (in der Poesie die Strophe) u. s. f.
bis zu dem Punkt, wo diese ganze Ordnung und Zusammensetzung für
den inneren Sinn noch übersehbar bleibt. -- Die ganze Vollkommenheit
des Rhythmus können wir indeß erst durch die folgenden Sätze einsehen
lernen.

Zusatz. Der Rhythmus ist die Musik in der Musik.
-- Denn die Besonderheit der Musik ist eben darauf gegründet, daß
sie Einbildung der Einheit in die Vielheit ist. Da nun nach §. 79
der Rhythmus nichts anderes ist als diese Einbildung selbst in der
Musik, so ist er die Musik in der Musik, und also der Natur dieser
Kunst gemäß das Herrschende in ihr.

Nur das Festhalten dieses Satzes wird uns in den Stand setzen,
besonders den Gegensatz der antiken und modernen Musik wissenschaftlich
zu begreifen.

§. 80. Der Rhythmus in seiner Vollkommenheit be-
greift nothwendig die andere Einheit in sich, welche in
dieser Unterordnung Modulation
(in der allgemeinsten Be-
deutung) ist. -- Der erste Theil des Satzes begreift sich von selbst
und ist ganz allgemein einzusehen. In Ansehung des zweiten bedarf
es bloß der Erklärung dessen, was Modulation heißt.

Die erste Bedingung des Rhythmus ist eine Einheit in der Man-
nichfaltigkeit. Diese Mannichfaltigkeit ist nun aber nicht bloß in der
Verschiedenheit der Glieder überhaupt, sofern sie willkürlich oder un-
wesentlich, d. h. bloß überhaupt in der Zeit stattfindet, sondern sofern
sie zugleich auf etwas Reelles, Wesentliches, Qualitatives gegründet

Dieſer noch immer bloß einfache Rhythmus, der darin beſteht,
daß die Folge der Töne in gleich lange Glieder eingetheilt wird, wo-
von jedes durch etwas Empfindbares unterſchieden von dem andern,
hat dennoch ſchon ſehr vielerlei Arten, z. B. er kann gerad oder un-
gerad ſeyn u. ſ. w. Aber mehrere Takte zuſammen können wieder zu
Gliedern vereinigt werden, welches eine höhere Potenz des Rhythmus
— zuſammengeſetzter Rhythmus iſt (in der Poeſie das Diſtichon). End-
lich können auch aus dieſen ſchon zuſammengeſetzten Gliedern wieder
größere (Perioden) gemacht werden (in der Poeſie die Strophe) u. ſ. f.
bis zu dem Punkt, wo dieſe ganze Ordnung und Zuſammenſetzung für
den inneren Sinn noch überſehbar bleibt. — Die ganze Vollkommenheit
des Rhythmus können wir indeß erſt durch die folgenden Sätze einſehen
lernen.

Zuſatz. Der Rhythmus iſt die Muſik in der Muſik.
— Denn die Beſonderheit der Muſik iſt eben darauf gegründet, daß
ſie Einbildung der Einheit in die Vielheit iſt. Da nun nach §. 79
der Rhythmus nichts anderes iſt als dieſe Einbildung ſelbſt in der
Muſik, ſo iſt er die Muſik in der Muſik, und alſo der Natur dieſer
Kunſt gemäß das Herrſchende in ihr.

Nur das Feſthalten dieſes Satzes wird uns in den Stand ſetzen,
beſonders den Gegenſatz der antiken und modernen Muſik wiſſenſchaftlich
zu begreifen.

§. 80. Der Rhythmus in ſeiner Vollkommenheit be-
greift nothwendig die andere Einheit in ſich, welche in
dieſer Unterordnung Modulation
(in der allgemeinſten Be-
deutung) iſt. — Der erſte Theil des Satzes begreift ſich von ſelbſt
und iſt ganz allgemein einzuſehen. In Anſehung des zweiten bedarf
es bloß der Erklärung deſſen, was Modulation heißt.

Die erſte Bedingung des Rhythmus iſt eine Einheit in der Man-
nichfaltigkeit. Dieſe Mannichfaltigkeit iſt nun aber nicht bloß in der
Verſchiedenheit der Glieder überhaupt, ſofern ſie willkürlich oder un-
weſentlich, d. h. bloß überhaupt in der Zeit ſtattfindet, ſondern ſofern
ſie zugleich auf etwas Reelles, Weſentliches, Qualitatives gegründet

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[494/0170] Dieſer noch immer bloß einfache Rhythmus, der darin beſteht, daß die Folge der Töne in gleich lange Glieder eingetheilt wird, wo- von jedes durch etwas Empfindbares unterſchieden von dem andern, hat dennoch ſchon ſehr vielerlei Arten, z. B. er kann gerad oder un- gerad ſeyn u. ſ. w. Aber mehrere Takte zuſammen können wieder zu Gliedern vereinigt werden, welches eine höhere Potenz des Rhythmus — zuſammengeſetzter Rhythmus iſt (in der Poeſie das Diſtichon). End- lich können auch aus dieſen ſchon zuſammengeſetzten Gliedern wieder größere (Perioden) gemacht werden (in der Poeſie die Strophe) u. ſ. f. bis zu dem Punkt, wo dieſe ganze Ordnung und Zuſammenſetzung für den inneren Sinn noch überſehbar bleibt. — Die ganze Vollkommenheit des Rhythmus können wir indeß erſt durch die folgenden Sätze einſehen lernen. Zuſatz. Der Rhythmus iſt die Muſik in der Muſik. — Denn die Beſonderheit der Muſik iſt eben darauf gegründet, daß ſie Einbildung der Einheit in die Vielheit iſt. Da nun nach §. 79 der Rhythmus nichts anderes iſt als dieſe Einbildung ſelbſt in der Muſik, ſo iſt er die Muſik in der Muſik, und alſo der Natur dieſer Kunſt gemäß das Herrſchende in ihr. Nur das Feſthalten dieſes Satzes wird uns in den Stand ſetzen, beſonders den Gegenſatz der antiken und modernen Muſik wiſſenſchaftlich zu begreifen. §. 80. Der Rhythmus in ſeiner Vollkommenheit be- greift nothwendig die andere Einheit in ſich, welche in dieſer Unterordnung Modulation (in der allgemeinſten Be- deutung) iſt. — Der erſte Theil des Satzes begreift ſich von ſelbſt und iſt ganz allgemein einzuſehen. In Anſehung des zweiten bedarf es bloß der Erklärung deſſen, was Modulation heißt. Die erſte Bedingung des Rhythmus iſt eine Einheit in der Man- nichfaltigkeit. Dieſe Mannichfaltigkeit iſt nun aber nicht bloß in der Verſchiedenheit der Glieder überhaupt, ſofern ſie willkürlich oder un- weſentlich, d. h. bloß überhaupt in der Zeit ſtattfindet, ſondern ſofern ſie zugleich auf etwas Reelles, Weſentliches, Qualitatives gegründet

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/170>, abgerufen am 21.11.2024.