wieder Reflex derselben und also das umgekehrt Symbo- lische ist. -- Dieser Satz hat eine allgemeine Gültigkeit für die Dar- stellung der schönen Kunst überhaupt. Sie kann sich in die Sphäre des Niedrigen nur begeben, inwiefern sie auch in dieser wieder das Ideal erreicht und es völlig umkehrt. Diese Umkehrung ist überhaupt das Wesen des Komischen. In diesem Sinn haben auch die Alten komische und niedrige Darstellungen. Es ist damit, wie mit der allge- meinen Ansicht der Welt, welcher gemäß man sagen kann, daß die Weisheit Gottes am meisten in der Thorheit der Menschen objektiv werde. So kann die höchste Weisheit und innere Schönheit des Künst- lers sich in der Thorheit oder Häßlichkeit desjenigen spiegeln, was er darstellt, und nur in diesem Sinn kann das Häßliche Gegenstand der Kunst werden, indem es durch diesen Reflex gleichsam aufhört es zu seyn.
Ich gehe nun zu der dritten Form der bildenden Kunst über und verfahre in Construktion derselben ebenso wie in Construktion der vor- hergehenden.
§. 104. Lehnsatz. Die vollkommene Ineinsbildung oder Indifferenz der beiden Einheiten, im Realen aus- gedrückt, ist die Materie selbst, dem Wesen nach be- trachtet. -- Nach §. 71 ist die Materie, als Potenz betrachtet, die reale Einheit. Inwiefern sie aber alle Einheiten wieder in sich begreift, d. h. dem Wesen nach betrachtet, ist sie = Indifferenz = dritter Einheit.
Zusatz. Um den Zusammenhang mit dem Vorhergehenden einzu- sehen, bemerke ich Folgendes: Die Construktion der Materie beruht auf drei Potenzen, aber diese sind allgemeine Kategorien, so daß, wie die Materie im Einzelnen, auch die Natur im Ganzen wieder auf densel- bigen beruht. Durch die erste Potenz ist die Materie anorgisch, dem Schema der geraden Linie untergeordnet, durch die zweite organisch, durch die dritte Ausdruck der Vernunft. Dieselben Potenzen kehren aber in Ansehung des Ganzen der Materie selbst wieder zurück. Die Materie ist im Ganzen wieder anorgisch, und organisch, und nur in der dritten Potenz, im menschlichen Organismus, Ausdruck der Vernunft.
wieder Reflex derſelben und alſo das umgekehrt Symbo- liſche iſt. — Dieſer Satz hat eine allgemeine Gültigkeit für die Dar- ſtellung der ſchönen Kunſt überhaupt. Sie kann ſich in die Sphäre des Niedrigen nur begeben, inwiefern ſie auch in dieſer wieder das Ideal erreicht und es völlig umkehrt. Dieſe Umkehrung iſt überhaupt das Weſen des Komiſchen. In dieſem Sinn haben auch die Alten komiſche und niedrige Darſtellungen. Es iſt damit, wie mit der allge- meinen Anſicht der Welt, welcher gemäß man ſagen kann, daß die Weisheit Gottes am meiſten in der Thorheit der Menſchen objektiv werde. So kann die höchſte Weisheit und innere Schönheit des Künſt- lers ſich in der Thorheit oder Häßlichkeit desjenigen ſpiegeln, was er darſtellt, und nur in dieſem Sinn kann das Häßliche Gegenſtand der Kunſt werden, indem es durch dieſen Reflex gleichſam aufhört es zu ſeyn.
Ich gehe nun zu der dritten Form der bildenden Kunſt über und verfahre in Conſtruktion derſelben ebenſo wie in Conſtruktion der vor- hergehenden.
§. 104. Lehnſatz. Die vollkommene Ineinsbildung oder Indifferenz der beiden Einheiten, im Realen aus- gedrückt, iſt die Materie ſelbſt, dem Weſen nach be- trachtet. — Nach §. 71 iſt die Materie, als Potenz betrachtet, die reale Einheit. Inwiefern ſie aber alle Einheiten wieder in ſich begreift, d. h. dem Weſen nach betrachtet, iſt ſie = Indifferenz = dritter Einheit.
Zuſatz. Um den Zuſammenhang mit dem Vorhergehenden einzu- ſehen, bemerke ich Folgendes: Die Conſtruktion der Materie beruht auf drei Potenzen, aber dieſe ſind allgemeine Kategorien, ſo daß, wie die Materie im Einzelnen, auch die Natur im Ganzen wieder auf denſel- bigen beruht. Durch die erſte Potenz iſt die Materie anorgiſch, dem Schema der geraden Linie untergeordnet, durch die zweite organiſch, durch die dritte Ausdruck der Vernunft. Dieſelben Potenzen kehren aber in Anſehung des Ganzen der Materie ſelbſt wieder zurück. Die Materie iſt im Ganzen wieder anorgiſch, und organiſch, und nur in der dritten Potenz, im menſchlichen Organismus, Ausdruck der Vernunft.
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wieder Reflex derſelben und alſo das umgekehrt Symbo-
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ſtellung der ſchönen Kunſt überhaupt. Sie kann ſich in die Sphäre
des Niedrigen nur begeben, inwiefern ſie auch in dieſer wieder das
Ideal erreicht und es völlig umkehrt. Dieſe Umkehrung iſt überhaupt
das Weſen des Komiſchen. In dieſem Sinn haben auch die Alten
komiſche und niedrige Darſtellungen. Es iſt damit, wie mit der allge-
meinen Anſicht der Welt, welcher gemäß man ſagen kann, daß die
Weisheit Gottes am meiſten in der Thorheit der Menſchen objektiv
werde. So kann die höchſte Weisheit und innere Schönheit des Künſt-
lers ſich in der Thorheit oder Häßlichkeit desjenigen ſpiegeln, was er
darſtellt, und nur in dieſem Sinn kann das Häßliche Gegenſtand der
Kunſt werden, indem es durch dieſen Reflex gleichſam aufhört es
zu ſeyn.
Ich gehe nun zu der dritten Form der bildenden Kunſt über und
verfahre in Conſtruktion derſelben ebenſo wie in Conſtruktion der vor-
hergehenden.
§. 104. Lehnſatz. Die vollkommene Ineinsbildung
oder Indifferenz der beiden Einheiten, im Realen aus-
gedrückt, iſt die Materie ſelbſt, dem Weſen nach be-
trachtet. — Nach §. 71 iſt die Materie, als Potenz betrachtet, die
reale Einheit. Inwiefern ſie aber alle Einheiten wieder in ſich begreift,
d. h. dem Weſen nach betrachtet, iſt ſie = Indifferenz = dritter Einheit.
Zuſatz. Um den Zuſammenhang mit dem Vorhergehenden einzu-
ſehen, bemerke ich Folgendes: Die Conſtruktion der Materie beruht auf
drei Potenzen, aber dieſe ſind allgemeine Kategorien, ſo daß, wie die
Materie im Einzelnen, auch die Natur im Ganzen wieder auf denſel-
bigen beruht. Durch die erſte Potenz iſt die Materie anorgiſch, dem
Schema der geraden Linie untergeordnet, durch die zweite organiſch,
durch die dritte Ausdruck der Vernunft. Dieſelben Potenzen kehren
aber in Anſehung des Ganzen der Materie ſelbſt wieder zurück. Die
Materie iſt im Ganzen wieder anorgiſch, und organiſch, und nur in
der dritten Potenz, im menſchlichen Organismus, Ausdruck der Vernunft.
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/245>, abgerufen am 18.12.2024.
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