Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Symbolische, indem es ein anderes bedeutet, zugleich es
selbst
ist, und also eine von der Idee unabhängige, histo-
rische Existenz an sich hat
.

§. 97. Das historische Gemälde ist symbolisch-histo-
risch, wo die Idee das Erste ist, und das Symbol erfunden
ist, um sie darzustellen
.

Beispiele: Das jüngste Gericht von Michel Angelo, die Schule
von Athen und der Parnaß von Raphael.

§. 98. Das Gemälde ist historisch-symbolisch, wo das
Symbol oder die Geschichte das Erste ist, und diese zum
Ausdruck der Idee gemacht wird
. -- Dieß ist das historische
Gemälde in der gewöhnlichen Bedeutung.

§. 99. Das Symbolische in dem Gemälde findet in
dem Verhältniß statt, in welchem der Ausdruck des Abso-
luten erreicht ist
.

§. 100. Die erste Forderung an das symbolische Ge-
mälde ist daher Adäquatheit der Ideen, Aufhebung des
Verworrenen im Concreten
-- was Winkelmann die hohe Ein-
falt genannt hat.

(Bemerken Sie, daß dieß nur vom symbolischen Gemälde im höch-
sten Styl, nicht aber von der Malerei überhaupt und schlechthin be-
trachtet gesagt ist).

§. 101. Aus dieser Forderung folgt von selbst, daß
Seyn und Thätigkeit in dem Gegenstand eins seyen
. -- Denn
wenn durch die Thätigkeit im Gegenstand das Seyn, durch die Form
das Wesen verworren wird, wird die Adäquatheit der Vorstellung aufge-
hoben. Also gemäßigte Thätigkeit, die das Seyn und Gleichgewicht des
Wesens nicht aufhebt. -- Winkelmanns ruhige Größe.

§. 102. Da die Schönheit das an und für sich und ab-
solut Symbolische ist, so ist Schönheit das höchste Gesetz
der malerischen Darstellung
.

§. 103. Die Malerei kann das Niedrige darstellen
nur, inwiefern es als das Entgegengesetzte der Idee doch

Symboliſche, indem es ein anderes bedeutet, zugleich es
ſelbſt
iſt, und alſo eine von der Idee unabhängige, hiſto-
riſche Exiſtenz an ſich hat
.

§. 97. Das hiſtoriſche Gemälde iſt ſymboliſch-hiſto-
riſch, wo die Idee das Erſte iſt, und das Symbol erfunden
iſt, um ſie darzuſtellen
.

Beiſpiele: Das jüngſte Gericht von Michel Angelo, die Schule
von Athen und der Parnaß von Raphael.

§. 98. Das Gemälde iſt hiſtoriſch-ſymboliſch, wo das
Symbol oder die Geſchichte das Erſte iſt, und dieſe zum
Ausdruck der Idee gemacht wird
. — Dieß iſt das hiſtoriſche
Gemälde in der gewöhnlichen Bedeutung.

§. 99. Das Symboliſche in dem Gemälde findet in
dem Verhältniß ſtatt, in welchem der Ausdruck des Abſo-
luten erreicht iſt
.

§. 100. Die erſte Forderung an das ſymboliſche Ge-
mälde iſt daher Adäquatheit der Ideen, Aufhebung des
Verworrenen im Concreten
— was Winkelmann die hohe Ein-
falt genannt hat.

(Bemerken Sie, daß dieß nur vom ſymboliſchen Gemälde im höch-
ſten Styl, nicht aber von der Malerei überhaupt und ſchlechthin be-
trachtet geſagt iſt).

§. 101. Aus dieſer Forderung folgt von ſelbſt, daß
Seyn und Thätigkeit in dem Gegenſtand eins ſeyen
. — Denn
wenn durch die Thätigkeit im Gegenſtand das Seyn, durch die Form
das Weſen verworren wird, wird die Adäquatheit der Vorſtellung aufge-
hoben. Alſo gemäßigte Thätigkeit, die das Seyn und Gleichgewicht des
Weſens nicht aufhebt. — Winkelmanns ruhige Größe.

§. 102. Da die Schönheit das an und für ſich und ab-
ſolut Symboliſche iſt, ſo iſt Schönheit das höchſte Geſetz
der maleriſchen Darſtellung
.

§. 103. Die Malerei kann das Niedrige darſtellen
nur, inwiefern es als das Entgegengeſetzte der Idee doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0244" n="568"/>
Symboli&#x017F;che, indem es ein anderes bedeutet, zugleich <hi rendition="#b">es<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t</hi> i&#x017F;t, und al&#x017F;o eine von der Idee unabhängige, hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;che Exi&#x017F;tenz an &#x017F;ich hat</hi>.</p><lb/>
            <p>§. 97. <hi rendition="#g">Das hi&#x017F;tori&#x017F;che Gemälde i&#x017F;t &#x017F;ymboli&#x017F;ch-hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;ch, wo die Idee das Er&#x017F;te i&#x017F;t, und das Symbol erfunden<lb/>
i&#x017F;t, um &#x017F;ie darzu&#x017F;tellen</hi>.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Bei&#x017F;piele</hi>: Das jüng&#x017F;te Gericht von Michel Angelo, die Schule<lb/>
von Athen und der Parnaß von Raphael.</p><lb/>
            <p>§. 98. <hi rendition="#g">Das Gemälde i&#x017F;t hi&#x017F;tori&#x017F;ch-&#x017F;ymboli&#x017F;ch, wo das<lb/>
Symbol oder die Ge&#x017F;chichte das Er&#x017F;te i&#x017F;t, und die&#x017F;e zum<lb/>
Ausdruck der Idee gemacht wird</hi>. &#x2014; Dieß i&#x017F;t das hi&#x017F;tori&#x017F;che<lb/>
Gemälde in der gewöhnlichen Bedeutung.</p><lb/>
            <p>§. 99. <hi rendition="#g">Das Symboli&#x017F;che in dem Gemälde findet in<lb/>
dem Verhältniß &#x017F;tatt, in welchem der Ausdruck des Ab&#x017F;o-<lb/>
luten erreicht i&#x017F;t</hi>.</p><lb/>
            <p>§. 100. <hi rendition="#g">Die er&#x017F;te Forderung an das &#x017F;ymboli&#x017F;che Ge-<lb/>
mälde i&#x017F;t daher Adäquatheit der Ideen, Aufhebung des<lb/>
Verworrenen im Concreten</hi> &#x2014; was Winkelmann die hohe Ein-<lb/>
falt genannt hat.</p><lb/>
            <p>(Bemerken <hi rendition="#g">Sie</hi>, daß dieß nur vom &#x017F;ymboli&#x017F;chen Gemälde im höch-<lb/>
&#x017F;ten Styl, nicht aber von der Malerei überhaupt und &#x017F;chlechthin be-<lb/>
trachtet ge&#x017F;agt i&#x017F;t).</p><lb/>
            <p>§. 101. <hi rendition="#g">Aus die&#x017F;er Forderung folgt von &#x017F;elb&#x017F;t, daß<lb/>
Seyn und Thätigkeit in dem Gegen&#x017F;tand eins &#x017F;eyen</hi>. &#x2014; Denn<lb/>
wenn durch die Thätigkeit im Gegen&#x017F;tand das Seyn, durch die Form<lb/>
das We&#x017F;en verworren wird, wird die Adäquatheit der Vor&#x017F;tellung aufge-<lb/>
hoben. Al&#x017F;o gemäßigte Thätigkeit, die das Seyn und Gleichgewicht des<lb/>
We&#x017F;ens nicht aufhebt. &#x2014; Winkelmanns ruhige Größe.</p><lb/>
            <p>§. 102. <hi rendition="#g">Da die Schönheit das an und für &#x017F;ich und ab-<lb/>
&#x017F;olut Symboli&#x017F;che i&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t Schönheit das höch&#x017F;te Ge&#x017F;etz<lb/>
der maleri&#x017F;chen Dar&#x017F;tellung</hi>.</p><lb/>
            <p>§. 103. <hi rendition="#g">Die Malerei kann das Niedrige dar&#x017F;tellen<lb/>
nur, inwiefern es als das Entgegenge&#x017F;etzte der Idee doch<lb/></hi></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[568/0244] Symboliſche, indem es ein anderes bedeutet, zugleich es ſelbſt iſt, und alſo eine von der Idee unabhängige, hiſto- riſche Exiſtenz an ſich hat. §. 97. Das hiſtoriſche Gemälde iſt ſymboliſch-hiſto- riſch, wo die Idee das Erſte iſt, und das Symbol erfunden iſt, um ſie darzuſtellen. Beiſpiele: Das jüngſte Gericht von Michel Angelo, die Schule von Athen und der Parnaß von Raphael. §. 98. Das Gemälde iſt hiſtoriſch-ſymboliſch, wo das Symbol oder die Geſchichte das Erſte iſt, und dieſe zum Ausdruck der Idee gemacht wird. — Dieß iſt das hiſtoriſche Gemälde in der gewöhnlichen Bedeutung. §. 99. Das Symboliſche in dem Gemälde findet in dem Verhältniß ſtatt, in welchem der Ausdruck des Abſo- luten erreicht iſt. §. 100. Die erſte Forderung an das ſymboliſche Ge- mälde iſt daher Adäquatheit der Ideen, Aufhebung des Verworrenen im Concreten — was Winkelmann die hohe Ein- falt genannt hat. (Bemerken Sie, daß dieß nur vom ſymboliſchen Gemälde im höch- ſten Styl, nicht aber von der Malerei überhaupt und ſchlechthin be- trachtet geſagt iſt). §. 101. Aus dieſer Forderung folgt von ſelbſt, daß Seyn und Thätigkeit in dem Gegenſtand eins ſeyen. — Denn wenn durch die Thätigkeit im Gegenſtand das Seyn, durch die Form das Weſen verworren wird, wird die Adäquatheit der Vorſtellung aufge- hoben. Alſo gemäßigte Thätigkeit, die das Seyn und Gleichgewicht des Weſens nicht aufhebt. — Winkelmanns ruhige Größe. §. 102. Da die Schönheit das an und für ſich und ab- ſolut Symboliſche iſt, ſo iſt Schönheit das höchſte Geſetz der maleriſchen Darſtellung. §. 103. Die Malerei kann das Niedrige darſtellen nur, inwiefern es als das Entgegengeſetzte der Idee doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/244
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/244>, abgerufen am 15.05.2024.