ohne äußeren Zweck, nicht Sache des Bedürfnisses. Aus diesem Grunde haben wirklich mehrere die Architektur ausgeschlossen. Folgendes ist die Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs. Daß die Kunst als schöne Kunst keinem Zwecke untergeordnet seyn könne, ist ein Axiom der rich- tigen Ansicht, und inwiefern sie wirklich untergeordnet, insofern ist sie auch wirklich nicht schöne Kunst. Die Architektur z. B., sofern sie bloß das Bedürfniß und die Nützlichkeit bezweckte, wäre nicht schöne Kunst. Allein für die Architektur als schöne Kunst ist die Nützlichkeit und die Beziehung auf das Bedürfniß selbst nur Bedingung, nicht Princip. Jede Art der Kunst ist an eine bestimmte Form der Erschei- nung gebunden, die mehr oder weniger unabhängig von ihr existirt, und nur, daß sie in diese Form den Abdruck und das Bild der Schön- heit legt, erhebt sie zur schönen Kunst. So ist in Ansehung der Archi- tektur eben die Zweckmäßigkeit die Form der Erscheinung, nicht aber das Wesen, und in dem Verhältniß, in welchem sie Form und Wesen eins macht, in welchem sie diese Form, die an sich auf Nütz- lichkeit geht, zugleich zur Form der Schönheit macht, in dem Verhält- niß erhebt sie sich zur schönen Kunst. Alle Schönheit ist überhaupt Indifferenz des Wesens und der Form -- Darstellung des Absoluten in einem Besondern --. Das Besondere, die Form ist nun eben die Beziehung auf Bedürfniß. Allein wenn nun die Kunst in diese Form den Ausdruck des absoluten Wesens legt, so wird nur auf diese In- differenz der Form und des Wesens selbst, keineswegs auf die Form für sich gesehen, und das besondere Verhältniß oder die besondere Beziehung dieser Form auf Nutzen und Bedürfniß fällt gänzlich hin- weg, da sie überhaupt nur in der Identität mit dem Wesen ange- schaut wird. Architektur als schöne Kunst ist also ganz wieder außer der Beziehung auf das Bedürfniß, welche bloß die Form ist (wie und in welcher Beziehung, dieß ist noch genauer in der Folge auseinander zu setzen); die Form aber wird hier gar nicht mehr an sich, sondern nur in der Indifferenz mit dem Wesen betrachtet.
Noch andere zur Aufklärung dieses Punktes dienende Bemer- kungen.
ohne äußeren Zweck, nicht Sache des Bedürfniſſes. Aus dieſem Grunde haben wirklich mehrere die Architektur ausgeſchloſſen. Folgendes iſt die Auflöſung dieſes ſcheinbaren Widerſpruchs. Daß die Kunſt als ſchöne Kunſt keinem Zwecke untergeordnet ſeyn könne, iſt ein Axiom der rich- tigen Anſicht, und inwiefern ſie wirklich untergeordnet, inſofern iſt ſie auch wirklich nicht ſchöne Kunſt. Die Architektur z. B., ſofern ſie bloß das Bedürfniß und die Nützlichkeit bezweckte, wäre nicht ſchöne Kunſt. Allein für die Architektur als ſchöne Kunſt iſt die Nützlichkeit und die Beziehung auf das Bedürfniß ſelbſt nur Bedingung, nicht Princip. Jede Art der Kunſt iſt an eine beſtimmte Form der Erſchei- nung gebunden, die mehr oder weniger unabhängig von ihr exiſtirt, und nur, daß ſie in dieſe Form den Abdruck und das Bild der Schön- heit legt, erhebt ſie zur ſchönen Kunſt. So iſt in Anſehung der Archi- tektur eben die Zweckmäßigkeit die Form der Erſcheinung, nicht aber das Weſen, und in dem Verhältniß, in welchem ſie Form und Weſen eins macht, in welchem ſie dieſe Form, die an ſich auf Nütz- lichkeit geht, zugleich zur Form der Schönheit macht, in dem Verhält- niß erhebt ſie ſich zur ſchönen Kunſt. Alle Schönheit iſt überhaupt Indifferenz des Weſens und der Form — Darſtellung des Abſoluten in einem Beſondern —. Das Beſondere, die Form iſt nun eben die Beziehung auf Bedürfniß. Allein wenn nun die Kunſt in dieſe Form den Ausdruck des abſoluten Weſens legt, ſo wird nur auf dieſe In- differenz der Form und des Weſens ſelbſt, keineswegs auf die Form für ſich geſehen, und das beſondere Verhältniß oder die beſondere Beziehung dieſer Form auf Nutzen und Bedürfniß fällt gänzlich hin- weg, da ſie überhaupt nur in der Identität mit dem Weſen ange- ſchaut wird. Architektur als ſchöne Kunſt iſt alſo ganz wieder außer der Beziehung auf das Bedürfniß, welche bloß die Form iſt (wie und in welcher Beziehung, dieß iſt noch genauer in der Folge auseinander zu ſetzen); die Form aber wird hier gar nicht mehr an ſich, ſondern nur in der Indifferenz mit dem Weſen betrachtet.
Noch andere zur Aufklärung dieſes Punktes dienende Bemer- kungen.
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ohne äußeren Zweck, nicht Sache des Bedürfniſſes. Aus dieſem Grunde
haben wirklich mehrere die Architektur ausgeſchloſſen. Folgendes iſt die
Auflöſung dieſes ſcheinbaren Widerſpruchs. Daß die Kunſt als ſchöne
Kunſt keinem Zwecke untergeordnet ſeyn könne, iſt ein Axiom der rich-
tigen Anſicht, und inwiefern ſie wirklich untergeordnet, inſofern iſt ſie
auch wirklich nicht ſchöne Kunſt. Die Architektur z. B., ſofern ſie
bloß das Bedürfniß und die Nützlichkeit bezweckte, wäre nicht ſchöne
Kunſt. Allein für die Architektur als ſchöne Kunſt iſt die Nützlichkeit
und die Beziehung auf das Bedürfniß ſelbſt nur Bedingung, nicht
Princip. Jede Art der Kunſt iſt an eine beſtimmte Form der Erſchei-
nung gebunden, die mehr oder weniger unabhängig von ihr exiſtirt,
und nur, daß ſie in dieſe Form den Abdruck und das Bild der Schön-
heit legt, erhebt ſie zur ſchönen Kunſt. So iſt in Anſehung der Archi-
tektur eben die Zweckmäßigkeit die Form der Erſcheinung, nicht
aber das Weſen, und in dem Verhältniß, in welchem ſie Form und
Weſen eins macht, in welchem ſie dieſe Form, die an ſich auf Nütz-
lichkeit geht, zugleich zur Form der Schönheit macht, in dem Verhält-
niß erhebt ſie ſich zur ſchönen Kunſt. Alle Schönheit iſt überhaupt
Indifferenz des Weſens und der Form — Darſtellung des Abſoluten in
einem Beſondern —. Das Beſondere, die Form iſt nun eben die
Beziehung auf Bedürfniß. Allein wenn nun die Kunſt in dieſe Form
den Ausdruck des abſoluten Weſens legt, ſo wird nur auf dieſe In-
differenz der Form und des Weſens ſelbſt, keineswegs auf die Form
für ſich geſehen, und das beſondere Verhältniß oder die beſondere
Beziehung dieſer Form auf Nutzen und Bedürfniß fällt gänzlich hin-
weg, da ſie überhaupt nur in der Identität mit dem Weſen ange-
ſchaut wird. Architektur als ſchöne Kunſt iſt alſo ganz wieder außer
der Beziehung auf das Bedürfniß, welche bloß die Form iſt (wie und
in welcher Beziehung, dieß iſt noch genauer in der Folge auseinander
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nur in der Indifferenz mit dem Weſen betrachtet.
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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