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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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zugleich relativ unendlich sey. In der Plastik wird also vorzugsweise
das relativ oder sinnlich Unendliche Symbol des an sich und absolut
Unendlichen.

Die menschliche Gestalt, welche der vornehmste Gegenstand der
Plastik ist, muß, um wirklicher, sichtbarer Ausdruck der Vernunft zu
seyn, schon durch das rein Endliche an ihr unendlich und ein Univer-
sum seyn, wie dieß auch im Vorhergehenden bewiesen worden.

Anmerkung. Die vorzüglichste Wirkung der Kunst und vor-
zugsweise der plastischen ist: daß das absolut Große, das an sich
Unendliche in die Endlichkeit gefaßt, und wie mit Einem Blicke
gemessen wird. Dieß ist es, wodurch sich die Einbildung des Unend-
lichen ins Endliche für den Sinn ausdrückt. Das an sich und absolut
Große in die Endlichkeit gefaßt, wird dadurch nicht eingeschränkt
und verliert nichts von seiner Größe, daß es dem Geist in der ganzen
Begreiflichkeit eines Endlichen erscheint, vielmehr wird eben durch diese
Faßlichkeit uns seine ganze Größe offenbar. Großentheils kommt hier-
auf zurück, was Winkelmann die hohe Einfalt in der Kunst nennt.
Man könnte sagen, diese Einfalt in der Größe, mit der sich uns ein
hohes Kunstwerk darstellt, sey der äußere Ausdruck jener inneren Ein-
bildung des Unendlichen ins Endliche, die das Wesen des Kunstwerks
ausmacht. Alles Große erscheint mit Einfalt ausgeführt, sowie dagegen
alles Unterbrochene, und was getheilt betrachtet werden muß, uns auch
den Eindruck der Kleinheit und bei gänzlicher Ueberladung der Klein-
lichkeit gibt.

Zusatz 2. Der erste Satz ist auch so auszudrücken: die plastische
Kunst stellt die höchste Berührung des Lebens mit dem Tode dar. --
Denn das Unendliche ist das Princip alles Lebens und von sich selbst
lebendig; das Endliche aber oder die Form ist todt. Da nun beide in
den plastischen Werken zur größten Einheit übergehen, so begegnen sich
hier Leben und Tod gleichsam auf dem Gipfel ihrer Vereinung. Das
Universum, wie der Mensch, ist aus Unsterblichem und Sterblichem,
Leben und Tod gemischt. Aber in der ewigen Idee ist das dort sterb-
lich Erscheinende zur absoluten Identität mit dem Unsterblichen gebracht

zugleich relativ unendlich ſey. In der Plaſtik wird alſo vorzugsweiſe
das relativ oder ſinnlich Unendliche Symbol des an ſich und abſolut
Unendlichen.

Die menſchliche Geſtalt, welche der vornehmſte Gegenſtand der
Plaſtik iſt, muß, um wirklicher, ſichtbarer Ausdruck der Vernunft zu
ſeyn, ſchon durch das rein Endliche an ihr unendlich und ein Univer-
ſum ſeyn, wie dieß auch im Vorhergehenden bewieſen worden.

Anmerkung. Die vorzüglichſte Wirkung der Kunſt und vor-
zugsweiſe der plaſtiſchen iſt: daß das abſolut Große, das an ſich
Unendliche in die Endlichkeit gefaßt, und wie mit Einem Blicke
gemeſſen wird. Dieß iſt es, wodurch ſich die Einbildung des Unend-
lichen ins Endliche für den Sinn ausdrückt. Das an ſich und abſolut
Große in die Endlichkeit gefaßt, wird dadurch nicht eingeſchränkt
und verliert nichts von ſeiner Größe, daß es dem Geiſt in der ganzen
Begreiflichkeit eines Endlichen erſcheint, vielmehr wird eben durch dieſe
Faßlichkeit uns ſeine ganze Größe offenbar. Großentheils kommt hier-
auf zurück, was Winkelmann die hohe Einfalt in der Kunſt nennt.
Man könnte ſagen, dieſe Einfalt in der Größe, mit der ſich uns ein
hohes Kunſtwerk darſtellt, ſey der äußere Ausdruck jener inneren Ein-
bildung des Unendlichen ins Endliche, die das Weſen des Kunſtwerks
ausmacht. Alles Große erſcheint mit Einfalt ausgeführt, ſowie dagegen
alles Unterbrochene, und was getheilt betrachtet werden muß, uns auch
den Eindruck der Kleinheit und bei gänzlicher Ueberladung der Klein-
lichkeit gibt.

Zuſatz 2. Der erſte Satz iſt auch ſo auszudrücken: die plaſtiſche
Kunſt ſtellt die höchſte Berührung des Lebens mit dem Tode dar. —
Denn das Unendliche iſt das Princip alles Lebens und von ſich ſelbſt
lebendig; das Endliche aber oder die Form iſt todt. Da nun beide in
den plaſtiſchen Werken zur größten Einheit übergehen, ſo begegnen ſich
hier Leben und Tod gleichſam auf dem Gipfel ihrer Vereinung. Das
Univerſum, wie der Menſch, iſt aus Unſterblichem und Sterblichem,
Leben und Tod gemiſcht. Aber in der ewigen Idee iſt das dort ſterb-
lich Erſcheinende zur abſoluten Identität mit dem Unſterblichen gebracht

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[618/0294] zugleich relativ unendlich ſey. In der Plaſtik wird alſo vorzugsweiſe das relativ oder ſinnlich Unendliche Symbol des an ſich und abſolut Unendlichen. Die menſchliche Geſtalt, welche der vornehmſte Gegenſtand der Plaſtik iſt, muß, um wirklicher, ſichtbarer Ausdruck der Vernunft zu ſeyn, ſchon durch das rein Endliche an ihr unendlich und ein Univer- ſum ſeyn, wie dieß auch im Vorhergehenden bewieſen worden. Anmerkung. Die vorzüglichſte Wirkung der Kunſt und vor- zugsweiſe der plaſtiſchen iſt: daß das abſolut Große, das an ſich Unendliche in die Endlichkeit gefaßt, und wie mit Einem Blicke gemeſſen wird. Dieß iſt es, wodurch ſich die Einbildung des Unend- lichen ins Endliche für den Sinn ausdrückt. Das an ſich und abſolut Große in die Endlichkeit gefaßt, wird dadurch nicht eingeſchränkt und verliert nichts von ſeiner Größe, daß es dem Geiſt in der ganzen Begreiflichkeit eines Endlichen erſcheint, vielmehr wird eben durch dieſe Faßlichkeit uns ſeine ganze Größe offenbar. Großentheils kommt hier- auf zurück, was Winkelmann die hohe Einfalt in der Kunſt nennt. Man könnte ſagen, dieſe Einfalt in der Größe, mit der ſich uns ein hohes Kunſtwerk darſtellt, ſey der äußere Ausdruck jener inneren Ein- bildung des Unendlichen ins Endliche, die das Weſen des Kunſtwerks ausmacht. Alles Große erſcheint mit Einfalt ausgeführt, ſowie dagegen alles Unterbrochene, und was getheilt betrachtet werden muß, uns auch den Eindruck der Kleinheit und bei gänzlicher Ueberladung der Klein- lichkeit gibt. Zuſatz 2. Der erſte Satz iſt auch ſo auszudrücken: die plaſtiſche Kunſt ſtellt die höchſte Berührung des Lebens mit dem Tode dar. — Denn das Unendliche iſt das Princip alles Lebens und von ſich ſelbſt lebendig; das Endliche aber oder die Form iſt todt. Da nun beide in den plaſtiſchen Werken zur größten Einheit übergehen, ſo begegnen ſich hier Leben und Tod gleichſam auf dem Gipfel ihrer Vereinung. Das Univerſum, wie der Menſch, iſt aus Unſterblichem und Sterblichem, Leben und Tod gemiſcht. Aber in der ewigen Idee iſt das dort ſterb- lich Erſcheinende zur abſoluten Identität mit dem Unſterblichen gebracht

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/294>, abgerufen am 21.11.2024.